Die Austrian Academy 2021: Befreiung aus dem akademischen Lockdown

Drei Tage lang trafen sich 22 junge Menschen – zum Teil bereits berufstätige Studentinnen und Studenten  – aus Deutschland, Österreich und der Schweiz zur nun bereits dritten AUSTRIAN ACADEMY, organisiert vom Austrian Institute. Das Leitthema war wie in den letzten Jahren „Marktwirtschaft und Unternehmertum – ihr Beitrag zu einer freien und menschlichen Gesellschaft“.

Die Referenten – renommierte Universitätsprofessoren, eine Journalistin und ein bekannter Unternehmer – aus Deutschland, Österreich, Großbritannien und Frankreich beleuchteten das Thema aus wirtschaftswissenschaftlicher, historischer, sozialphilosophischer, journalistischer und unternehmerischer Perspektive – wie gewohnt ein Mix aus einer Vielfalt von Kompetenzen und Sichtweisen. Der gemeinsame Nenner war: Kapitalismus und Marktwirtschaft sind die Grundlagen für unseren Wohlstand, der sich auch dank der Globalisierung in Ländern auszubreiten beginnt, die noch von Jahrzehnten in der Armut gefangen waren.

Die Frage- und Diskussionslust der Teilnehmerinnen und Teilnehmer schien unbegrenzt –die Veranstaltung wirkte offenbar für viele als Befreiung aus einem anderthalbjährigen Lockdown des akademischen Präsenz-Vorlesungsbetriebs.

Unter der Tagungsleitung von Gerold Rauscher, Vizepräsident des Austrian Institute, gab es insgesamt 12 Vortragseinheiten bzw. Vorlesungen und ein Podium mit den Referenten. Nach den Vorträgen, die man auch mit Fragen unterbrechen durfte, wie auch während des Podiums erfolgten lebhafte Diskussionen. Die Frage- und Diskussionslust der Teilnehmer schien unbegrenzt – vielleicht trug dazu auch die Tatsache bei, dass die Veranstaltung für viele als Befreiung aus einem anderthalbjährigen Lockdown des akademischen Präsenz-Vorlesungsbetriebs wirkte.

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer an der Austrian Academy 2021 mit Organisationsteam und einigen Referenten (Stefan Kooths, Ursula Weidenfeld, Werner Plumpe, Philip Booth, Karl-Friedrich Israel).

Die Gespräche und Diskussionen gingen auch während und nach den Mahlzeiten weiter, oft bis tief in die Nacht hinein, insbesondere nach der Grillparty am Samstagabend. Das schöne, ländliche Ambiente am Friedrichshof, inmitten der Weinreben des Burgenlandes (und unzähliger, wenn auch wenig sichtbarer Windräder), wie auch die gepflegte Küche des Seminarhotels trugen das Übrige zum Gelingen bei.

Kapitalismus, Unternehmertum und Marktwirtschaft – die Wirtschaftsform des Gebens

Im Einführungsreferat am Donnerstagabend erklärte der Präsident des Austrian Institute, Martin Rhonheimer – er war für den aus familiären Gründen kurzfristig verhinderten Direktor der Agenda Austria, Dr. Franz Schellhorn, für diesen Eröffnungsvortrag eingesprungen – warum die kapitalistische Marktwirtschaft die „Wirtschaftsform des Gebens“ ist. Rhonheimer argumentierte historisch, wobei er einen weiten Bogen spannte, sowie mit theoretischen Überlegungen, die man wohl am besten als ökonomisch fundierte Ethik bezeichnen kann.

Dabei wurde klar: Kapitalismus beginnt nicht mit einem Tausch, sondern mit einem Geben – dem „Geben“ des Kapitalisten, Unternehmers, Investoren unter Unsicherheit – und hat historisch zum Massenwohlstand geführt. Dies wurde in verschiedenen Hinsichten analysiert, insbesondere in Auseinandersetzung mit der auf der Arbeitswertlehre gründenden marxistischen Ausbeutungstheorie, der Rhonheimer die auf Carl Menger zurückgehende subjektive Werttheorie entgegensetzte, mit der erst die entscheidende „Arbeit des Kapitals“ verstanden werden kann, Ursache für die Arbeit der Arbeiter, deren steigende Produktivität und ihres damit verbundenen wachsenden Wohlstands.

Wachstumsskepsis wäre deshalb falsch, auch nicht zum Zwecke der Lösung von Umweltproblemen wie des Klimawandels. Die Natur ist nicht die gute Mutter, zu der wir zurückkehren müssen und der wir uns vertrauensvoll ausliefern sollten, vielmehr ist sie, wie Rhonheimer in biblischer Perspektive auch theologisch begründete, durch den ursprünglichen Sündenfall – der Abkehr des Menschen von Gott – zur Feindin des Menschen geworden.

Die „Vertreibung aus dem Paradies“ kann der Mensch allerdings durch Beherrschung der Natur mittels Technologie gleichsam kompensieren. Kapitalismus ist zwar in seinen Frühformen Raubbau an der Natur gewesen, der entwickelte Kapitalismus ist dies jedoch zunehmend in geringerem Maße. Denn gerade die wettbewerbliche Natur des marktwirtschaftlichen Kapitalismus – der Zwang, Kosten zu sparen – wie auch kluge gesetzliche Vorgaben führen zu einer zunehmenden Abkoppelung von Wachstum und Ressourcenverbrauch. Letztes Kriterium für Eingriffe in die Natur ist jedoch immer der Nutzen des Menschen, denn er allein besitzt Würde und hat Rechte. Nur deshalb ist auch die Sorge um die Erhaltung der Natur wichtig. So erfüllen gerade Kapitalismus und Marktwirtschaft den ursprünglichen Schöpfungsauftrag an den Menschen auf neue Weise.

Marktwirtschaft, Kapitalismus und Unternehmertum als Grundlage für Wohlstand und Fortschritt

Stefan Kooths, Direktor des Forschungszentrums Konjunktur und Wachstum am Institut für Weltwirtschaft in Kiel und seit 2020 auch Professor für Volkswirtschaftslehre an der BSP Business and Law School Berlin sowie Vorsitzender der Friedrich August von Hayek-Gesellschaft, lieferte unter dem Titel „Marktwirtschaft, Kapitalismus und Unternehmertum als Grundlage für Wohlstand und Fortschritt“ die mikroökonomische Begründung für das im Einführungsvortrag Skizzierte.

Kooths tat dies aufgrund des von der Österreichischen Schule der Nationalökonomie geschaffenen begrifflichen und analytischen Instrumentariums. Carl Mengers subjektive Werttheorie und Grenznutzenlehre, von Ludwig von Mises in eine ökonomische Handlungstheorie transformiert, ließen Bekanntes wie das Gesetz des komparativen Kostenvorteils – in der Terminologie von Mises: „law of association“ – in neuem Licht erscheinen.

Prof. Dr. Stefan Kooths vom Institut für Weltwirtschaft in Kiel vermittelte mit didaktischem Geschick die theoretischen Grundlagen.

Denn Kooths zeigte die Gültigkeit dieses Gesetzes nicht nur für den internationalen Handel – also über Landesgrenzen hinaus –, sondern gerade auch für die Tauschbeziehungen innerhalb von Landesgrenzen, also zwischen individuellen Akteuren. Denn im ökonomischen Geschehen dreht sich immer alles um ein Opportunitätskostenkalkül, ganz gleich, ob zwischen den Beteiligten eine Landesgrenze verläuft. Spannend war der – sowohl theoretische wie auch empirische – Nachweis, wie in einer freien Marktwirtschaft durch komparative Kostenvorteile infolge von Produktivitätszuwächsen in einigen Sektoren der Wirtschaft eines Landes die Löhne in allen Berufszweigen ansteigen. Beispiel: Weil IT-Fachleute infolge enormer Produktivitätssteigerungen immer mehr verdienen, steigen ihre Opportunitätskosten für alltägliche Dienstleistungen wie einen Haarschnitt. Die Folge davon ist, dass auch die Löhne der Friseure mit der Zeit ansteigen, obwohl ihre physische Produktivität über die Jahrzehnte unverändert geblieben ist. Kooths hat hierfür das Begriffspaar Volumenproduktivität (physischer Produktivitätsfortschritt) und Wertproduktivität (kaufkraftbezogener Produktivitätsfortschritt) eingeführt.

Damit erweist sich die Marktwirtschaft als inhärent inklusiv und somit als eigentliche „Sozialökonomie“: Die Produktivitätssteigerungen in den bestbezahlten Berufen schwappen in der Form von Lohnzuwächsen auch auf die weniger produktiven Branchen über – alle gewinnen. Damit ergibt sich allein schon durch das marktwirtschaftliche Geschehen ein sozialer Ausgleich. So verzeichnete etwa in Deutschland während der letzten 30 Jahre der IT-Sektor die höchsten Produktivitätszuwächse, dennoch stiegen die Löhne, trotz viel geringerer Produktivitätsverbesserung, weit mehr in der Bauindustrie und in der Landwirtschaft an. Soweit einige Pinselstriche zu der enorm reichhaltigen zweiteiligen Vorlesung, die den ganzen ersten Vormittag ausfüllte.

Globalisierung vor und nach der Covid-Pandemie: Sollte es eine neue Normalität geben?

Zum Thema Globalisierung vor und nach der Corona-Pandemie sprach Philip Booth, langjähriger Forschungsdirektor des Institute of Economic Affairs in London, Senior Fellow desselben und jetzt Direktor des Vinson Centre for the Public Understanding of Economics an der University of Buckingham und Professor für öffentliche Finanzen, öffentliche Politik und Ethik an der St. Mary’s University, Twickenham (London).

Professor Philip Booth hielt seinen Vortrag in englischer Sprache und bot eine alternative Lesart der Corona-Pandemie: Es bedarf keiner neuen Normalität.

Philip Booths in englischer Sprache gehaltener Vortrag “Globalization before and after the Covid-pandemic: should there be a new normality?” zeigte, dass wir nach Corona keine neue Normalität brauchen, weil die „alte Normalität“ infolge einer zunehmend globalisierten Wirtschaft die Welt, insbesondere die Situation in den weniger entwickelten Länder, kontinuierlich und geradezu dramatisch verbessert hat. Nicht die Globalisierung, auch nicht die Marktwirtschaft oder der Kapitalismus ist eine Gefahr und sollte reformiert werden, sondern die Politik, die auf die Pandemie eine falsche, anti-marktwirtschaftliche Antwort geben könnte, ist die reale Gefahr gerade für das Anwachsen des Wohlstands in den ärmsten Ländern der Welt.

So fasste Booth denn auch in einer Folie seiner Präsentation unter der Überschrift „An alternative reading of the crisis“ seine Position folgendermaßen zusammen: „Covid has demonstrated that those who are poor are vulnerable to economic, health and ecological shocks because they lack the savings to ensure their resilience and because they live in countries where governments have limited institutional capacity to deal with the difficulties thrown up by such events. As such, we need to ensure that we have the most rapid economic development possible in poorer countries.“ Und das geht nur mit fortschreitedener Globalisierung, Kapitalismus und Marktwirtschaft, die auf dem Schutz des Privateigentums gründet.

Der Kapitalismus – ein ethisches Problem?

„Kapitalismus, Freiheit und Menschenwürde: Ist der Kapitalismus ein ethisches Problem?“ – diese Frage stellte, in einem ebenfalls zweiteiligen Vortrag, Werner Plumpe, Inhaber des Lehrstuhls für Wirtschafts-. und Sozialgeschichte der Universität Frankfurt a. M. Plumpe bot einen faszinierenden Einblick in die „Umstellung der Semantik“, dem Wandel der Bedeutungen von Worten wie Eigennutz, Rationalität, Individualität und den ihnen zugrundeliegenden anthropologischen Vorstellungen im Laufe der Entstehung des modernen Kapitalismus.

Der Wirtschafts- und Sozialhistoriker Prof. Dr. Werner Plumpe: Die kombinierte Kompetenz des Ökonomen und Historikers.

Klassisch wird dieser Wandel – die Entstehung einer positiven Ethik des Eigennutzes bzw. der Eigenliebe zugunsten des Gemeinwohls, – in Adam Smiths bekannter Formulierung fassbar: „Nicht vom Wohlwollen des Metzgers, Brauers und Bäckers erwarten wir das, was wir zum Essen brauchen, sondern davon, dass sie ihre eigenen Interessen wahrnehmen. Wir wenden uns nicht an ihre Menschen- sondern an ihre Eigenliebe, und wir erwähnen nicht die eigenen Bedürfnisse, sondern sprechen von ihrem Vorteil.” In dieser neuen Perspektive ist, wie Plumpe formulierte, der „budgetrational handelnde Mensch (…) gerade nicht der unmoralische Mensch, sondern der unter den Bedingungen einer modernen (marktintegrierten) Wirtschaft einzig verantwortlich handelnde Akteur.

Die alte Unterstellung von guter Ordnung durch sündenfreies Verhalten wird nicht aufgehoben, sondern recodiert: Jetzt vergeht sich an der natürlichen Ordnung derjenige geradezu, der nicht eigenverantwortlich und budgetrational handelt. Die Perspektive verschiebt sich; insofern der Kapitalismus Budgetrationalität erzwingt, ist er gerade eine ethische Größe!“ Prototyp dieses Verhaltens ist Benjamin Franklin, der ausführlich zitiert wurde („Bedenke, dass die Zeit Geld ist …“);. So entsteht nach und nach die Semantik des Homo oeconomicus als die eines ethisch verantwortlichen und für das Gemeinwesen segenbringende Figur. Die semantischen Verschiebungen indizieren damit ein neues Ethos, das sich aufgrund der wohlstandsschaffenden Effekte der kapitalistischen Wirtschaft herausbildet.

Geld- und Zinstheorie – und die ökonomischen und sozialen Folgen der Niedrigzinspolitik

Der ganze Samstagmorgen gehörte Karl-Friedrich Israel, Assistenzprofessor für Ökonomie an der Université Catholique de l’Ouest, Angers (Frankreich). Der an der Humboldt-Universität Berlin, dem ENSAE ParisTech und an der Universität Oxford ausgebildete deutsche Nachwuchsökonom der Österreichischen Schule – er promovierte bei Guido Hülsmann und arbeitete zwei Jahre lang mit Gunther Schnabl in Leipzig – sprach in einem ersten Teil über die  „Grundlagen der Geld- und Zinstheorie“, im zweiten zum Thema „Ökonomische und soziale Folgen der Niedrigzinspolitik“. Was ist Geld und was ist der Zins und welche Funktion hat er in einer Marktwirtschaft?

Assistenzprofessor Dr. Karl-Friedrich Israel beeindruckte durch intellektuelle Präzision, didaktische Brillianz und jugendlichen Enthusiasmus.

Mit begrifflicher Präzision und anhand anschaulicher Beispiele erläuterte Israel die Koordinationsfunktion des Zinses im Rahmen des marktwirtschaftlichen Preissystems. Dabei griff er auf die entscheidenden Einsichten der Österreicher (im doppelten Sinne der Nationalität und der Schulzugehörigkeit) Eugen von Böhm-Bawerk und Ludwig von Mises zurück. In der Kombination der Wertverschiedenheit zwischen Gegenwarts- und Zukunftsgütern und der damit zusammenhängenden subjektiven Zeitpräferenz gelangt man zum Begriff des ursprüngliche Zinses oder Urzinses als Preisabschlag, den künftige Güter gegenüber gegenwärtigen Gütern erleiden.

Wie sich das im Detail auswirkt und was die Folgen einer Zinspolitik ist, die den Zins manipuliert, der Zusammenhang mit der Expansion der Geldmenge bzw. Inflation und sozialer Ungleichheit führte zur leicht beklemmenden Einsicht, dass die gegenwärtige Geldpolitik sich auf einer abschüssigen Bahn bewegt und extrem unsoziale Konsequenzen hat: sie begünstigt die Vermögenden auf Kosten der weniger Reichen oder Armen.

Die immer sachlichen Darlegungen des Referenten vermochten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in ihren Bann zu ziehen und sie für die zunächst trocken scheinende Thematik zu begeistern. Deutlich wurde, wie gerade die Zinstheorie der Österreicher die anthropologischen und handlungstheoretischen Zusammenhänge deutlich werden lässt: Im Mittelpunkt steht der Mensch als Bedürfniswesen, als handelndes Individuum – und als Unternehmer, der die steten Ungleichgewichte der realen Welt als Chance für Geschäft und Innovation nutzt und damit dem Kunden und der ganzen Gesellschaft einen Nutzen verschafft – Funktionen, die durch eine interventionistische Geld- und Zinspolitik erschwert, wenn nicht gar verunmöglicht werden.

Warum haben Kapitalismus und Marktwirtschaft eine so schlechte Presse?

Dies war das Thema, das wir Ursula Weidenfeld, der bekannten deutschen Wirtschaftsjournalistin gestellt hatten. Frau Dr. Weidenfeld studierte Wirtschaftsgeschichte, Ökonomie und Germanistik und promovierte am Bonner Lehrstuhl für Verfassungs-, Wirtschafts- und Sozialgeschichte über Mittelstandspolitik.  Die auch als Buchautorin bekannte Journalistin brachte ihr soeben im Rowohlt Verlag erschienenes neueste Werk über Angela Merkel „Die Kanzlerin: Porträt einer Epoche“ mit.

Es komme auf die Perspektive an – so die erste Botschaft der früheren Mitarbeiterin der Wirtschaftswoche, Leiterin der Wirtschaftsredaktion und stellvertretende Chefredakteurin des Berliner „Tagespiegel“ und danach Chefredakteurin der G+J-Zeitschrift impulse. Die Perspektive der Medienschaffenden ist Unparteilichkeit, Distanz, Einsicht in die politischen Zusammenhänge und Zwänge, die oft in der ökonomischen Theorie nicht beachtet werden. Wir leben in einer Demokratie, und diese darf nicht aufs Spiel gesetzt werden.

Dr. Ursula Weidenfeld wechselt die Perspektive: Ein leidenschaftliches Plädoyer für unabhängigen und unparteilichen Journalismus.

Demokratien funktionieren aufgrund von Mehrheiten und dem Akzeptieren von Mehrheitsentscheiden. Das ist für den ökonomisch Versierten eine Herausforderung und oft unangenehm. Die überzeugte wirtschaftsliberale Anhängerin einer marktwirtschaftlichen Ordnungspolitik bot faszinierende Einblicke in das, was Journalisten bewegt – oder bewegen sollte – und in die Möglichkeiten der Beeinflussung der öffentlichen Meinung.

Unverständnis gebe es in beiden Richtungen. Das Unverständnis für Kapitalismus und Marktwirtschaft – es sei nicht größer, sondern in der längeren historischen Entwicklung seit dem Zweiten Weltkrieg, zumindest in Deutschland, eher geringer geworden – lässt sich auch als Folge der oft mangelnden Sensibilität gegenüber dem politisch Möglichen seitens der Ökonomenzunft erklären. Ein Plädoyer also für Pragmatismus und für das Verständnis dafür.

So hatte es Frau Weidenfeld es auch noch einmal in der abendlichen Podiumsdiskussion mit den Professoren Kooths, Rhonheimer, Israel und Plumpe bekräftigt. Das führte auch zu kritischen Anfragen und angeregten Wortmeldungen. Die politisch realistische Sicht der Wirtschaftsjournalistin und Moderatorin war eine bereichernde Ergänzung für jene, die zuweilen allein in Kategorien des Richtigen und Falschen denken und die Perspektive des in konkreten politischen Zusammenhängen pragmatisch Machbaren ausklammern.

Marktwirtschaft, soziale Ungleichheit, Gerechtigkeit und die Rolle des Staates

Sozialphilosophisches Highlight der Austrian Academy 2021 war das Referat von Martin Rhonheimer zum Thema „Marktwirtschaft, soziale Ungleichheit, Gerechtigkeit und die Rolle des Staates“. Das Gerechte, so die grundlegende Botschaft, ist nicht mit dem Wünschenswerten gleichzusetzen, das Wünschenswerte allein ist kein Kriterium für Gerechtigkeit. Eine Gesellschaft gemäß einem bestimmten Verteilungsmuster, wie es wünschenswert erscheint, kann deshalb auch nicht eine Forderung der Gerechtigkeit sein.

Auch Armut an sich ist nicht ungerecht, auch wenn sie unser Mitgefühl weckt und wir uns als Mitmenschen zu Recht verpflichtet fühlen, etwas dagegen zu unternehmen. Das heißt aber nicht, dass soziale Ungleichheit als solche bereits Ansprüche gegenüber dem Staat erzeugen kann. Dafür berief sich Rhonheimer auf die Ansicht des US-amerikanischen Philosophen Harry G. Frankfurt: „Aus moralischer Perspektive ist es nicht wichtig, dass jeder dasselbe hat. Was moralisch zählt, ist, dass jeder genug hat.“

Prof. Dr. Martin Rhonheimer, Präsident des Austrian Institute, brachte sozialphilosophische Aspekte ins Spiel, die für viele Teilnehmer neu und spannend waren.

Warum das so ist, erklärte der Ethiker und politische Philosoph in verschiedenen Schritten. Dabei schloss er sich grundsätzlich der  These Friedrich A. von Hayeks an, die Ergebnisse von Marktprozessen könnten nicht in den Kategorien von „gerecht“ oder „ungerecht“ gefasst werden, da Märkte keine intentionalen, willentlichen Akteure seien und ihren Ergebnissen kein beabsichtigtes Ziel zugrunde liegt. Allerdings kann der Markt ungerechte Ergebnisse zeitigen, wenn er in Regeln bzw. institutionelle Arrangements eingebettet ist, die selbst ungerecht sind, z.B. weil sie bestimmte Personengruppen diskriminieren. Dann werden die rechtlichen Diskriminierungen gleichsam durch den Markt auf dessen Ergebnisse übertragen.

Entscheidend sei ein Leben in Würde und Freiheit sowie die Frage, wie Wohlstand entsteht. Ein Leben in Würde und Freiheit hänge nur begrenzt von den materiellen Ressourcen ab. Entscheidend sei, dass man in seinem Leben auf eigenen Füßen steht und prinzipiell die Möglichkeit hat, dieses Leben aus eigenem Antrieb, mit seiner Arbeit zu verbessern. In fundamentalster Weise ungerecht ist deshalb, dies durch rechtliche oder institutionelle, insbesondere bürokratische Schranken zu verhindern. Bedürfnisse dürfen nicht mit Rechten verwechselt werden. Wirkliche soziale Ungerechtigkeit liegt in der rechtlichen Ungleichheit, die wahre Gleichheit sei Gleichheit vor dem Gesetz. Rhonheimer stellte sich dabei dem klassischen Einwand, formale Rechtsgleichheit könne nur aufgrund materieller Gleichheits-Voraussetzungen gerecht sein, bot aber auch klare Gegenargumente. Zudem zeigte er die innere Widersprüchlichkeit dieser Forderung, die letztlich in einer freiheitszerstörenden Interventionsspirale enden muss.

In gewisser Weise unterschrieb der Referent das Differenzprinzip von John Rawls, dem aber, so Rhonheimer, just in einer kapitalistisch-marktwirtschaftlichen Ordnung am besten entsprochen wird, weil Ungleichheit dort auch den Ärmsten zugutekommt. Der Kapitalismus – so hatte er schon in seinem ersten Vortrag mit Berufung auf Werner Plumpes Geschichte des Kapitalismus (jeder Teilnehmer erhielt ein Exemplar des Buches) hervorgehoben – sei die Wirtschaftsform der Armen und für die Armen bzw. der Unterschichten. Die grundlegende Aufgabe des Staates sei nicht die soziale Absicherung – die auf vielfältige auch nichtstaatliche Weise organisiert werden könne –, sondern die Schaffung und Durchsetzung der gesetzlichen Regeln, die den Prozess der Schaffung von Wohlstand ermöglichen und fördern.

Vom unternehmerischen Höhenflug zum Scheitern und wieder zurück zum Erfolg

Den Abschluss bildete wie immer am Sonntagmorgen die Stimme eines Unternehmers – in diesem Fall der für den spektakulären Konkurs – nach ebenso spektakulärem Höhenflug – seines ersten Startups, der Firma DiTech, berühmt gewordenen, in jungen Jahren aus Polen eingewanderten Österreicher Damian Izdebski. Sein Referat stand unter dem Titel „Meine besten Fehler“ – die Geschichte eines Scheiterns mit allen teilweise brutalen wirtschaftlichen und privaten Konsequenzen, aber auch die Geschichte  eines Wiederbeginns, symbolisiert durch den Hashtag #startupagain.

Damian Izdebski, Gründer und CEO von techbold, spricht über seine "besten Fehler" - und den unternehmerischen Neuanfang.

Das neue Startup heißt techbold – es ist nicht mehr im Handel tätig, sondern im Dienstleistungssektor. Damian Izdebski erzählte seine Geschichte, analysierte Fehler und bot Einblicke, die faszinierend und motivierend für junge Leute sind. Allein die schonungslose Konfrontation mit den eigenen Fehlern kann zum Erfolg eines Neubeginns führen – eine Lektion, die für junge Menschen wichtig ist und Älteren die Gelegenheit gibt, kritisch auf ihr Leben zu blicken und sich zu fragen, ob sie diese Lektion bereits gelernt haben.

Podium mit den Referenten und Diskussion mit den Teilnehmern

Das sehr angeregte Podium mit den Referenten (von links nach rechts): Martin Rhonheimer, Stefan Kooths, Ursula Weidenfeld, Karl-Friedrich Israel, Werner Plumpe).
Das Podium mit Sicht auf die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die eifrig mitdiskutierten (links im Bild, stehend: Tagungsleiter Gerold Rauscher).

Kurz: die Austrian Academy war ein Erfolg, auch aus Sicht der Veranstalter. Den Sponsoren, insbesondere der Friedrich A. von Hayek-Stiftung, Berlin, Kooperationspartner der Austrian Academy 2021, wie auch der Österreichischen Industriellenvereinigung (IV) sowie anderen privaten Sponsoren sei an dieser Stelle herzlich gedankt. Die Dankbarkeit der 22 jungen Menschen, die für Teilnahme und Unterkunft ein Vollstipendium erhielten und nur für die Reisekosten aufzukommen hatten, zeigte sich vor allem bei der persönlichen Verabschiedung eines jeden anlässlich der Übergabe eines Teilnahme-Zertifikats durch den Präsidenten des Austrian Institute.

Die Austrian Academy 2022 ist für den 15. bis 18. September 2022 an demselben Ort geplant.

Die von Patrick Zadrobilek (NTown Productions) gefilmten Vorträge werden, wie diejenigen der vergangenen Jahre, in absehbarer Zeit auf unserer Website als Videos veröffentlicht werden.

Gefilmt wurden die Vorträge von Patrick Zadrobilek (NTown Productions: http://ntown.at/)

Fotografische Impressionen von der Austrian Academy 2021 (erste Bild anklicken, dann weiterklicken):

Veranstaltungsort der
AUSTRIAN ACADEMY 2021:

Das Seminarhotel am Friedrichshof  – in der Nähe von Wien
Römerstraße 2, A-2424 Zurndorf

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