Warum es auf wirtschaftliche Freiheit ankommt: Wider die Kapitalismuskritik

Das gerade erschienene neue Buch von Rainer Zitelmann bietet detaillierte und gut dokumentierte Argumente gegen die gängigsten Kritiken am Kapitalismus. Vorgestellt für das Austrian Institute von dem renommierten Kapitalismuskenner Erich Weede.

Rainer Zitelmann ist doppelt promovierter Sozialwissenschaftler, erst in Geschichte, später in Soziologie. Außerdem war er lange als Unternehmer in der Immobilienwirtschaft erfolgreich tätig. In den letzten Jahren ist er als Publizist ein engagierter Verteidiger der wirtschaftlichen Freiheit oder der kapitalistischen Wirtschaftsordnung geworden.

In seinem neuesten Buch setzt er sich im ersten Teil, der mehr als die Hälfte des Buches ausmacht, mit 10 kritischen Vorwürfen gegen den Kapitalismus auseinander. Dabei bringt er als Historiker eine Theorieskepsis mit, die zwar Ökonomen befremden muss, aber den Vorzug hat, sein Buch für Laien nachvollziehbar zu machen. Heutzutage haben Kapitalismuskritiker viel häufiger einen geisteswissenschaftlichen als einen volkswirtschaftlichen Hintergrund und im Gegensatz zu Zitelmann auch keinerlei unternehmerische Erfahrung.

Jetzt ganz kurz zu den Hauptargumenten.

Erstens ist den meisten Menschen nicht klar, wie Befragungsdaten zeigen, dass erst der Kapitalismus in der westlichen Zivilisation und später vor allem in Ostasien die Massenarmut überwunden hat, dass das Ausmaß der wirtschaftlichen Freiheit oder der Kapitalismus hoch mit dem Bruttoinlandsprodukt pro Kopf oder dem Lebensstandard korrelieren. Zweitens ist es zwar richtig, dass kapitalistische Gesellschaften durch ein hohes Maß an Ungleichheit charakterisiert sind, aber in der Globalisierungsphase ist es mit zunehmender Integration der Märkte zu einer Egalisierung der globalen Einkommen gekommen, weil vor allen im volkreichen Asien die Einkommen schneller als im Westen gestiegen sind. Drittens sind kapitalistische Volkswirtschaften deutlich schonender mit der natürlichen Umwelt umgegangen als Planwirtschaften. Viertens gibt es im Kapitalismus immer wieder Krisen, aber diese werden – wie die zunächst amerikanische Hauspreis- und Finanzkrise von 2008 – oft vom Staat zumindest mit-verursacht.

Fünftens versuchen auch die Reichen Einfluss auf die Politik zu nehmen, wie Gewerkschaften oder Sozialverbände oder Nichtregierungsorganisationen, aber deren Einfluss wird oft überschätzt. Trump etwa hatte mehr Reiche gegen als für sich und trotzdem die Wahl von 2016 gewonnen. Sechstens wird die Dauerhaftigkeit von Monopolen im Kapitalismus genauso überschätzt wie der von ihnen angerichtete Schaden in Bezug auf Preise und Innovation. Siebtens gibt es verwerfliches Handeln in jeder Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung, aber nur im Kapitalismus muss auch der Egoist seinen Kunden dienen.

Achtens maßen sich mit dem Vorwurf der Weckung künstlicher Bedürfnisse im Kapitalismus Bildungsbürger und Intellektuelle an, über den Geschmack anderer Leute zu richten. Neuntens sind Kriege mit zunehmender Ausbreitung des Kapitalismus in der Welt nicht häufiger, sondern seltener geworden, können Kapitalisten als Unternehmer oder Steuerzahler im eigenen Interesse keinen Krieg wollen. Zehntens hat das Kapital auch nicht Hitler finanziert, sondern häufiger seine Rivalen, und sich erst später in opportunistischer Weise angepasst.

Wesentlich kürzer ist der zweite Teil des Buches, der aus einem einzigen, dem 11., Kapitel besteht, in dem die antikapitalistischen oder kommunistischen Gesellschaften, deren Gräueltaten und Opfer beschrieben werden. Kurz nach der Machtergreifung verhungerten in der Sowjet-Union zwischen 5 und 14 Millionen Menschen, später bei der Zwangskollektivierung noch mal vielleicht 6 Millionen, in China beim „Großen Sprung nach vorn“ vielleicht 45 Millionen und in Kambodscha unter den Roten Khmer vielleicht 2 Millionen oder zwischen einem Viertel und einem Fünftel der Bevölkerung des Landes. Dennoch haben viele westliche Intellektuelle diese Regime bewundert.

Im dritten Teil des Buches werden Umfragedaten zum Kapitalismus vorgestellt. Dabei zeigt sich, dass der Kapitalismus in Deutschland und in den meisten westlichen Ländern negativ beurteilt wird. Bei uns und in vielen anderen Ländern hängt das Ausmaß der Ablehnung von der Formulierung der Fragen ab. Das Wort Kapitalismus an sich löst negative Assoziationen aus. Vermeidet man es, dann bleibt die Einstellung zur wirtschaftlichen Freiheit zwar immer noch skeptisch, aber sie ist nicht mehr ganz so negativ.

Weil Anhänger der Linken, Grünen und Sozialdemokratie deutlich ablehnender gegenüber dem Kapitalismus sind als Anhänger von CDU, FDP oder AfD, verschiebt die Unmöglichkeit einer Rechtskoalition in Deutschland die wirtschaftspolitischen Möglichkeiten nach links. Auf der europäischen Ebene spricht die größere Kapitalismusskepsis in Lateineuropa als bei uns oder in Schweden für eine wirtschaftspolitische Linksverschiebung.

Global dürften zwei andere Befunde bedeutsamer sein. In den USA ist das Bekenntnis zum Kapitalismus in der älteren Generation viel stärker als in der jungen. Generell ist es in Ostasien, in Japan und Korea, stärker als im Westen. Chinesische Daten stehen leider nicht zur Verfügung. Aber am Ende des Buches vertritt der chinesische Ökonom Zhang Wejing  prokapitalistische Auffassungen, die in dieser Klarheit im Westen eine Minderheitsposition sind. Während die beiden ersten Teile des Buches ein für Laien gut verständliches Plädoyer für wirtschaftliche Freiheit oder Kapitalismus implizieren, belegt der letzte oder Umfrageteil des Buches die Notwendigkeit der vorgelegten Aufklärungsschrift.

 

Rainer Zitelmann. Die 10 Irrtümer der Anti-Kapitalisten. Zur Kritik der Kapitalismuskritik. München: FinanzBuchVerlag 2022, 464 Seiten, 25,- Euro.

Hier mehr auf der Website des FinanzBuch Verlages

Aus dem Vorwort

„Der Trick der Antikapitalisten: Sie vergleichen das reale System, in dem wir leben, mit dem Ideal einer perfekten Welt, die sie sich ausgedacht haben, die es jedoch nirgendwo gibt oder gab. Sie setzen zudem darauf, dass die Menschen wenig über Geschichte wissen und darüber, in welch ärmlichen und menschenunwürdigen Verhältnissen unsere Vorfahren lebten, bevor der Kapitalismus entstand. Und sie setzen darauf, dass die meisten Zeitgenossen in der Schulzeit fast nichts über die menschenunwürdigen Verhältnisse im Sozialismus erfahren haben.
Schließlich zeichnen sie die Zukunft in den schwärzesten Farben, wobei sie alle negativen Entwicklungen nicht etwa dem möglichen Staatsversagen, sondern immer nur einem angeblichen Marktversagen zuschreiben. Wenn man darauf hinweist, dass alle antikapitalistischen Systementwürfe ausnahmslos gescheitert sind, dann lassen die Anti­kapitalisten das nicht gelten: Das sei ja gar kein »wahrer« Sozialismus gewesen! Und sie insinuieren damit selbstgewiss, sie hätten nun nach über 100 Jahren das richtige Rezept gefunden, wie es das nächste Mal funktionieren kann.“

„Ich argumentiere in den folgenden Kapiteln nicht theoretisch. Gegner des Kapitalismus lieben es, über Theorien zu diskutieren, weil bei solchen Diskussionen nicht so einfach zu entscheiden ist, wer recht und wer unrecht hat, und weil sie Freude daran haben, sich in die Höhen der Abstraktion aufzuschwingen. Theorien bzw. ökonomische Modelle sind für die meisten Menschen jedoch zu abstrakt und schwer verständlich. Das ist der erste Nachteil. Der zweite Nachteil, der noch schwerer wiegt: Manche Theorien sind verführerisch, weil sie mit dem übereinstimmen, was wir zu wissen glauben, mit unseren Vorurteilen über die Welt. Wenn sie in sich stimmig sind, eingängig formuliert und gut präsentiert werden und vor allem dem entsprechen, was wir sowieso zu wissen glauben, üben sie eine große Anziehungskraft aus. Ich finde es wichtiger, sich zunächst einmal darüber zu vergewissern, ob die Fakten, auf denen eine Theorie basiert, wirklich zutreffend sind. Und das ist der wunde Punkt bei den Theorien der Antikapitalisten: Sie stimmen einfach nicht mit den historischen Fakten überein, sondern nur mit unseren Vorurteilen über die Welt.“

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