Webinar mit Gunther Schnabl und Franz Schellhorn: „Stagnation und wachsende Ungleichheit im Zeichen der Corona-Krise“

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Seit Ausbruch der Covid-19-Pandemie kündigt sich ein verstärktes Zurückdrängen der freien Marktwirtschaft an. Die Zeichen stehen auf noch mehr Geldsozialismus. Diese düstere Einschätzung teilten Gunther Schnabl, Leiter des Instituts für Wirtschaftspolitik der Universität Leipzig, und Franz Schellhorn, Leiter der Agenda Austria, beim Webinar des Austrian Institute, das am 12. Mai 2020 stattfand, und dem mehr als 150 Menschen aus dem deutschen Sprachraum beiwohnten. Unterschiedlich beurteilten die beiden Referenten die Aussichten auf einen positive Rückbesinnung hin zur freien Markt. Vor allem nannten sie verschiedene Anhaltspunkte zur Hoffnung auf mehr Markwirtschaft.

Schnabl widmete sich in seinem Vortrag vor allem den möglichen unbeabsichtigten Folgen der immensen Ausgabenprogramme und Kreditgarantien, mit denen zurzeit Regierungen die Corona-Krise überwinden wollen. Diese verstärken Schnabl zufolge vor allem Entwicklungen, die wir bereits vor der Covid-19-Pandemie eingesetzt haben. Die asymmetrischen Finanz- und Geldpolitiken bewirken nämlich schon seit längerem – nicht erst seit dem Lockdown – einen Systemwandel von der Marktwirtschaft hin zu planwirtschaftlichen Strukturen, unterstrich Schnabl. Die Folge: Es finde eine verdeckte Umverteilung mit vielen Verlierern (Kleinunternehmen, junge Menschen, ärmere Schichten) und wenigen Gewinnern (Finanzsektor, Reiche, ältere Menschen, Großunternehmen) statt. Die Verteilung von Produktivitätsgewinnen durch die Politik sei aus diesem Grund nicht mehr nachhaltig. „Das Wohlstandsversprechen gilt nicht länger für alle. Reale Löhne geraten unter Druck.“ Politische Instabilität sei eine weitere Folge. Zurzeit erlebten wir eine Dreifach-Krise (Lockdown-, Wirtschafts- und Finanzkrise) mit düsteren Aussichten. Es brauche eine mutige Rückbesinnung auf die marktwirtschaftliche Ordnung, wie sie in Deutschland in der Nachkriegszeit von dem Ökonom Walter Eucken („Grundsätze der Wirtschaftspolitik“, 1952) und dem Wirtschaftsminister Ludwig Erhard („Wohlstand für Alle“, 1957) vertreten wurde.

Eine breite Allianz links der Mitte sieht den Staat als Retter und diskreditiert ganz offen die Marktwirtschaft. (Franz Schellhorn)

Franz Schellhorn teilte, wie er gleich eingangs unterstrich, Schnabls Einschätzung: Der bisherige „Geldsozialismus“ (Roland Baader) hat zu diesen Krisen geführt, hielt Schellhorn zustimmend fest. Doch nun werde genau dieser Geldsozialismus durch die Corona-Krise weißgewaschen. In der Politik ortete Schellhorn eine „breite Allianz links der Mitte, die den Staat als Retter sieht und ganz offen die Marktwirtschaft diskreditiert“. Zwar hätten gerade die vergangenen Wochen die Wichtigkeit einer funktionierenden Marktwirtschaft gezeigt, doch leider fielen zunehmend marktkritische Botschaften auf fruchtbaren Boden. Der Staat solle alles retten und am Vermögenszugewinn teilhaben, so laute der Tenor.

„Der bisherige Geldsozialismus soll durch noch mehr Geldsozialismus ersetzt werden“, konstatierte Franz Schellhorn. Vor wenigen Jahren noch undenkbare Entwicklungen wie Helikoptergeld und Modern Monetary Theory könnten bald Realität werden. Wenn Notenbanken zu Staatseigentum werden, würden wir bald „eine Hochzeit zwischen Geld- und Fiskalpolitik“ erleben. Zuspruch für solche Ideen käme sogar aus der Wirtschaft. In Hinblick auf die gegenwärtigen Beschäftigungssituation – in Österreich sind rund 40 Prozent aller erwerbstätigen Menschen entweder arbeitslos oder in Kurzarbeit – stand für Schellhorn fest: „Wir müssen wieder auf den Wachstumspfad zurückkehren. Ohne Marktwirtschaft wird auch der Wohlfahrtsstaat nicht finanziert werden können.“

Die Staatsausgaben sind zu hoch für eine solide Geldpolitik. (Gunther Schnabl)

In der anschließenden Diskussion erinnerte Schnabl an die späten 1970er und frühen 1980er Jahre, als mit Paul Volcker als Vorsitzendem des Federal Reserve Boards und mit der britischen Premierministerin Margarete Thatcher eine Trendwende weg von noch mehr Staatsverschuldung einsetzte. Der Kern heutiger Reformen müsse eine Rückführung der Staatsausgaben sein, denn diese seien „zu hoch für eine solide Geldpolitik“. Auch der Zins werde dann wieder steigen und darüber entscheiden, welche Unternehmen überleben können oder welche nicht. Selbst insolvente Unternehmen seien noch lange nicht tot, oft müssten nur Teile eines insolventen Unternehmens restrukturiert werden.

„Die Phantasie, wie die Zinsen in der Euro-Zone wieder steigen sollen, fehlt mir“, entgegnete Schellhorn unter Verweis auf andere Euro-Staaten wie Italien. „Für diesen heterogenen Wirtschaftsraum eine gemeinsame Zinspolitik zu machen, wird schwierig.“ Zweifellos wäre es ein richtiger Schritt, sich der Zombieunternehmen zu entledigen, nur im Moment geschehe gerade das Gegenteil. Schellhorns Hoffnungen ruhen primär auf der Pharmawirtschaft und auf einem baldigen Wirkstoff, der einen Wendepunkt einleiten und „uns wieder auf Wachstumspfade bringen könnte, mit zwei blauen Augen.“ Auch der Druck aus anderen, marktwirtschaftlichen Staaten, etwa aus Ostasien, vielleicht auch aus den USA könnte steigen und Reformen anstoßen. Sollte der Euro-Raum hingegen in eine offene Transferunion umgewandelt werden, würden bald die extremen Ränder in die Regierungen der Nordländer gewählt werden.

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