Austrian Academy 2023 – Erfahrungsbericht eines Teilnehmers

Bevor ich meine Eindrücke als Teilnehmer schildere, kurz eine Antwort auf die Frage „Was ist die Austrian Academy?“.

Bei der Austrian Academy handelt es sich um ein jährlich stattfindendes Event, das vom Austrian Institute of Economics and Social Philosophy veranstaltet wird. Der thematische Fokus der viertägigen Akademie liegt auf den Bereichen freie Marktwirtschaft und individuelle Freiheit sowie den damit verbundenen philosophischen Fragen. Die Themen werden durch Vorträge anerkannter Referenten sowie anschließende Diskussionen behandelt. Das Event findet gewöhnlicherweise im September im Seminarhotel am Friedrichshof im Burgenland statt, wobei der Bewerbungsprozess auf mehreren offenen Onlinefragen basiert (mit Hoffnung, einen Einblick in das Innenleben der Bewerber zu bekommen). Die auf diese Weise auserwählten Personen dürfen sich über ein Vollstipendium (exkl. Reisekosten) für die Austrian Academy freuen.

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer an der diesjährigen Austrian Academy. Zweiter von links Tagungsleiter Gerold Rauscher, ganz rechts im Bild Austrian Institute Präsident Martin Rhonheimer, daneben Claudia Wirz und (in der hinteren Reihe von rechts nach links) Karl-Friedrich Israel, Stefan Kooths und Philip Booth.

Was mir – abgesehen von der makellosen Organisation im Vorfeld – als Erstes ins Auge stieß, war die illustre Gruppe an Tagungsteilnehmern. Schnell war klar, dass es sich keineswegs um eine gewöhnliche Durchschnittsgruppe an jungen Erwachsenen handelte. Der Begriff Crème de la Crème wäre sicherlich eine treffendere Umschreibung. Um nur ein paar Personen herauszupicken, traf man unter den Anwesenden einen designierter COO eines mittelständischen Unternehmens, mindestens einen angehenden Diplomaten sowie die Gründer einer klassisch-liberalen Jugendorganisation an – ganz zu schweigen von den vielen anderen mit beträchtlichem Einfluss im politischen oder wirtschaftlichen Bereich. Wäre dies unter gewöhnlichen Umständen schon eine außergewöhnliche Gruppe, sollte man nicht vergessen, dass zum Event nur Personen zwischen 18 und 30 Jahren zugelassen werden.

Glücklicherweise trübte die Qualität der Referenten das Bild keineswegs.

Ganz im Gegenteil, wir hatten das Vergnügen, Vorträgen von allgegenwärtigen Experten wie dem früheren Präsidenten des Kiel Instituts für Weltwirtschaft und jetzigen Direktor des WIFO, Wien, Gabriel Felbermayr, Franz Schellhorn, dem Gründer und Direktor des liberalen Wiener Think Tanks Agenda Austria oder Claudia Wirz, einer mehrfachen Buchautorin und aktiven Journalistin mit mehr als zwei Jahrzehnten Berufserfahrung bei Zeitungen wie der NZZ aufmerksam folgen zu dürfen. Der eine oder andere möge an dieser Stelle (nicht ganz zu Unrecht) in den Raum stellen, dass es auch andere Möglichkeiten gibt, diesen Experten zuzuhören.

Stefan Kooths im Gespräch mit den Teilnehmern.

Was in meinen Augen die Austrian Academy jedoch ausmacht ist die Möglichkeit, die Vortragenden auch außerhalb des formellen Rahmens des „Klassenzimmers“ kennenzulernen. Das heißt, die Vortragenden kommen nicht nur für 90 Minuten Redezeit und gehen dann wieder. Vielmehr bleiben sie über einen längeren Zeitraum – oft bis zum Ende der Akademie – mit der Teilnehmergruppe zusammen und nehmen an den Mahlzeiten und anderen Aktivitäten teil. So konnte unsere Gruppe die Dozenten besser kennenlernen, in einem informellen Rahmen zahlreiche Fragen stellen und eine persönliche Beziehung aufbauen, die von unschätzbarem Wert ist.

Mein absolutes Highlight der Akademie waren sicherlich die beiden Vortragseinheiten von Stefan Kooths (Kiel Institut für Weltwirtschaft und Vorsitzender der Friedrich A- von Hayek-Gesellschaft, Kooperationspartnerin der Austrian Academy 2023), in denen er auf geniale Weise die Konzepte der Opportunitätskosten und der komparativen Kostenvorteile zusammenführte. Seine logischen Folgerungen dazu, wie Wirtschaftswachstum auch weniger und nicht innovativen Marktteilnehmern hilft, waren atemberaubend, zumal er sie mit empirischen Daten veranschaulichen konnte. Diese Darstellung der von Ludwig von Mises entwickelten Konzepte macht schlichtweg Appetit auf mehr. Mir war – nach fünf Jahren Universität und mehreren Dutzend Wirtschaftsvorlesungen – nicht bewusst, dass Wirtschaft so logisch und intuitiv sein kann!

Besonders hervorstreichen möchte ich an dieser Stelle definitiv auch die beiden Vorträge von Karl-Friedrich Israels (Université Catholique de l’Ouest, Angers und Lehrstuhlvertreter an der Universität Saarbrücken). Seine Ausführungen zur Zins- und Geldtheorie und der entstehenden Boom- und Bustererscheinungen sind an logischer Konsistenz und Klarheit schwer zu übertreffen.

Komplementär zu diesen zeitlosen Vorträgen, lieferten Franz Schellhorn und Gabriel Felbermayr einen Überblick über die kontemporäre Wirtschaftslage. Während sich Ersterer in altbekannter Manier mit zentraleuropäischen Herausforderungen eines interventionistischen Staates sowie potenziellen Lösungen beschäftigte, fokussierte sich Felbermayr auf das Thema „Geoökonomie: Konzept, Zielsetzung, Gefahren“. Im Mittelpunkt standen Fragen des internationalen Handels im Zeitalter neuer geopolitischer Herausforderungen und das aus liberaler Sicht dornenvolle Problem des zunehmenden Protektionismus, der Einschränkung des Freihandels also aus sicherheitspolitischen Beweggründen.

Univ.-Prof. Dr. Gabriel Felbermayr, Direktor de WIFO und Professor an der WU Wien. Auf den beiden Bildern darüber ist Dr. Franz Schellhorn Direktor der Agenda Austria zu sehen.

Wer nun jedoch vermutet, dass es sich bei der Veranstaltung um ein rein ökonomisch geprägtes Event handelt, der irrt gewaltig. Neben den erwähnten Vorträgen wurde auch gesellschaftspolitischen, ethischen und geschichtlichen Punkten auf den Zahn gefühlt.

So lieferte Werner Plumpe (emeritierter Professor für Wirtschafts- und Sozialgeschichte an der Universität Frankfurt a. M.) einen äußerst interessanten Einblick in die geschichtliche Entwicklung von Wirtschafts- und Gesellschaftssystemen – der Verzicht auf den genaueren und vom Vortragenden präferierten Ausdruck „Konstellationen“ sei mir an dieser Stelle vergeben – und spannte den Bogen zum heute vorherrschenden System, und dessen idiosynkratischen und oft regressiven Elementen.

Philip Booth von der St. Mary’s University Twickenham/London und früherer Forschungsdirektor des Institute of Economic Affairs hingegen gab einen historischen Rückblick über die staatliche Einflusssphäre mit starkem Fokus auf die Staatsschuldenentwicklung und die demographische Herausforderung für den schuldenfinanzierten Sozialstaat.

Aber auch die gesellschaftspolitischen Fragestellungen im engeren Sinne wurden ausführlich behandelt. Das erste brennende Thema wurde hier dankenswerterweise von Ulrike Ackermann, Direktorin des liberalen John Stuart Mill Instituts, Bad Homburg, erläutert. Es ging um Identitätspolitik und somit um Ansichten, die unglücklicherweise auch Europa vermehrt in Geiselhaft halten. Dem Glücklichen, der unter dem Begriff (noch) nichts versteht, seien die folgenden Fragestellungen als Anhaltspunkt mitgegeben:

  • Sollte weißen Kindern schon im Kindergarten und in der Grundschule ihre historische „weiße“ Schuld eingetrichtert werden und sollten sie (ganz nach dem bereits vergessen geglaubten und eher nordkoreanisch anmutenden Konzept der Erbschuld) als Unterdrücker angesehen werden?
  • Sollten Kinder aus „unterdrückten“ Gruppen in Schulen wohlwollender benotet werden?
  • Sollten Frauen, Schwarze oder andere vermeintliche Minderheiten bei der Job- oder Berufswahl systematisch bevorzugt werden und somit die folgende systematische Diskriminierung des Restes (Nullsummenspiel!) gesetzlich erlaubt oder gar erfordert sein?
Prof. Dr. Ulrike Ackermann, Direktorin des John Stuart Mill Instituts in Bad Homburg.

Nicht weniger aktuell und spannend war der Vortrag der früheren NZZ-Redakteurin Claudia Wirz zum Thema Bevormundung und Top-down Gesellschaftsumgestaltung unter dem Vorwand des Feminismus. Dabei skizzierte die Referentin die Grundzüge eines liberalen Feminismus, der nicht Privilegien, sondern lediglich die Gleichheit vor dem Gesetz einfordert.

Dass die Austrian Academy mit diesen Themen den Sweetspot getroffen hat, war schnell klar. Dass es den Tagungsteilnehmern bei all diesen Fragestellungen unter den Fingern brannte, zeigte sich deutlich an der ausgeprägten Diskussion, die sich weit über den Vortrag und die folgende Podiumsdiskussion hinaus erstreckte.

Die Journalistin und Publizstin Claudia Wirz.

Zu guter Letzt darf an dieser Stelle auch der Vortrag des Gründers des Austrian Institutes Martin Rhonheimer zum Thema Ungleichheit und Gerechtigkeit nicht unerwähnt bleiben. Eindrücklich lieferte er philosophisch-moralische, zugleich aber auch empirisch fundierte Reflexionen über das kapitalistische System, das zwar immer wieder neue Ungleichheit schafft, dafür aber auf lange Sicht und auf globaler Ebene den Wohlstand auch der untersten Einkommensschichten vermehrt, was aus ethischer Sicht ein essenzielles Merkmal darstelle.

Alles in allem kann ich jedem neugierigen jungen Menschen nur empfehlen, seine Chance zu ergreifen und sich für eine Teilnahme an der Austrian Academy zu bewerben. Sie erweitert nicht nur den wirtschaftlichen und philosophischen Horizont, sondern ermöglicht auch den Aufbau eines großartigen Netzwerks einzigartiger Menschen. An dieser Stelle bleibt mir nur noch, mich für Organisation sowie für die Bücherschenkung zu bedanken, darunter Werner Plumpes Geschichte des Kapitalismus „Das kalte Herz“ und Ulrike Ackermanns „Die neue Schweigespirale“. Eine besondere Freude jedoch bereitet mir das schon vor der Akademie ins Auge gefasste „For God and Profit“ von Samuel Gregg, das vom Austrian Institute in deutscher Übersetzung unter dem Titel „Für Gott und den Profit“ im Herder Verlag herausgegeben wurde.

“A few lines of reasoning can change the way we see the world.” – Steven E. Landsburg

AUSTRIAN ACADEMY 2023:
Fotografische Impressionen

Teilnehmerinnen und Teilnehmer (Fotos anklicken)
Abendliche Frage- und Diskussionsrunden mit den Referenten drinnen (Freitag) und draußen (Samstag)
Social – Get together – Gespräche
Verabschiedung und Überreichung des Teinahmezertifikats (Auswahl)
Austrian Academy Team

Fotocredit: Austrian Institute of Economics and Social Philosophy, 2023

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