Damit Liberale und Sozialbewegte nie wieder streiten müssen, sind diese zehn Faktenberge zu beachten (Nichtbeachtung führt zur Kollision mit der Wirklichkeit):
1. Armut ist in den wenigsten Fällen ein Dauerzustand
In den meisten Ländern gibt es tatsächlich Arme (und Reiche), aber etwa die Hälfte der Armen steigt jedes Jahr aus diesem Zustand in die Kategorie der Nicht-Armen auf. Einer sagte mal, „die Armut“ ist wie eine Straßenbahn, die von Endstation zu Endstation fährt, immer voll ist, aber an der anderen Endstation sind nur noch die Hälfte derer drin, die anfangs zugestiegen waren. Die Lebenslagen, die arm machen, ändern sich individuell laufend. Und diese Änderung ist in den seltensten Fällen Folge der Sozialpolitik, sondern eher diejenige einer gesunden wirtschaftlichen Entwicklung.
2. Die „Ärmsten“ sind immer wieder andere
Ebenso sind die Bezüger unterer Lohngruppen nach einigen Jahren nicht die gleichen Arbeitenden – die meisten steigen auf, scheiden aus oder leben in neuen Partnerschaften. Das berühmte unterste Dezil der Statistik besteht nicht aus bestimmten, immer gleichen Individuen, sondern aus immer wieder anderen – zum Beispiel jungen Menschen ohne Einkommen und Vermögen, die im Laufe ihres Lebens ihre Situation ständig verbessern.
Viele, oft die überwiegende Zahl, der Bezüger von Mindestlöhnen sind Studenten, Wiedereinsteigende, Pensionierte, Zusatzverdienende in Haushalten mit einem Hauptverdiener – also auch hier wie bei der Armut an sich finden sich nur wenige in einem dumpfen Sumpf ohne Chancen und Perspektiven. Deshalb müssen Mindestlöhne eben nicht „eine Familie durchtragen können“. Sehr oft verschlechtern sie sogar die Arbeitsmöglichkeiten der noch völlig Unqualifizierten wie auch jener, die dringend ein Zusatzeinkommen benötigen.
3. Welche Definition der Armut soll es sein?
Das Ausmaß von Armut wird von deren Definition bestimmt. Wenn zum Beispiel immer die untersten 20% der Einkommensbezüger als arm bezeichnet werden, ändern alle Sozialhilfen nichts an der Zahl der Armen, das ist reine Mathematik. Wenn hingegen wie oftmals, „um die Armut zu beseitigen“, die Schwelle angehoben wird, bis zu der man Sozialhilfe beziehen kann, und demnach als arm gilt, wer unter dieser ständig ansteigenden Schwelle situiert ist, dann gibt es schlagartig und bei steigendem Wohlstand kontinuierlich immer mehr Arme.
4. Arbeitsmarktpolitik ist die beste Sozialpolitik
Die Erwerbsbeteiligung ist der Schlüssel, um einem Land weniger Arme zu bescheren, sowie eine gleichmäßigere Einkommensverteilung dazu. Denn wenn wie in den USA oder in Italien nur ca. 63% der Erwerbsfähigen auch wirklich arbeiten, müssen zwei erwerbstätige Personen eine passive Person dieser Jahrgänge durchtragen – privat oder mit Sozialleistungen. Wenn aber über 84% arbeiten, wie in Norwegen und der Schweiz, dann liegt eine passive Person (15%) fünfen, nicht nur zweien, auf dem Geldbeutel.
Arbeitsmarktpolitik ist also die beste Sozialpolitik: die Förderung der Berufslehre, flexible oder gar frei wählbare Arbeitszeiten und schließlich das Recht des Arbeitgebers ohne große Umstände zu kündigen, also ein minimaler Kündigungsschutz. Denn dann werden auch alle Arbeitssuchenden umstandslos eingestellt, jeder bekommt seine Chance. Die anderen lernen dazu, und die wenigen, die es auch dann nicht schaffen, die tragen wir dann mühelos mit.
5. Den Leistungswillen nicht abbauen
Niemand ist nur Opfer „der Gesellschaft“, sondern alle Menschen sind selbstbezogene Wesen und steuern sich dementsprechend. Sozialstützungen dürfen daher nicht für jeden Euro abgebaut werden, den Arme durch ihre Arbeit selbst hinzuverdienen. Sondern wie – in der hier kürzlich dargestellten – negativen Einkommenssteuer der angelsächsischen Länder sollten die Leistungen weniger abgebaut werden, als das selbstverdiente Einkommen ansteigt. So hat jeder dieser Haushalte immer mehr, wenn er sich einsetzt, er hat also einen Anreiz zur eigenen Arbeit.
Ein voraussetzungsloses Grundeinkommen hingegen bricht diesen Leistungswillen der Armen. Zudem wäre es so teuer, dass auch andere Leistungswillige übermäßig hoch besteuert würden, es gäbe den Politikern vor Wahlen einen Freipass zur Demagogie („ich biete mehr“) und unterstellt schließlich, dass die Schlaraffengesellschaft auch ohne hartes Arbeiten aller möglich ist.
6. Subjekthilfe statt Objekthilfe
Die am wenigsten intelligente Sozialpolitik ist jene, die „Objekthilfe“ bietet: also verbilligte Wohnungen, freie Tickets und Transporte, Gutscheine aller Art für Heizkosten, Winterkleider etc. Denn dies generiert Bürokratie, Antragsformulare, Warteschlangen, „Informationskosten“ der Begünstigten und brandmarkt sie damit als „Sozialhilfeempfänger“. Zudem verzerrt es die freien Gütermärkte. Insbesondere im Falle von Wohnungen steigen deren Anbieter dann aus. Das Ergebnis ist: Es werden wenige Wohnungen erstellt und am Markt angeboten, die Wohnungsknappheit steigt und damit steigen auch die Mieten. Richtige Hilfe hingegen ist „Subjekthilfe“, also Geld bar in die Hand, nach geprüften Voraussetzungen, einmal für alles, selbst zu Wählendes, indem man also die Armen als freie und selbstverantwortliche Bürger behandelt.
Noch dümmer ist nur noch die Sozialstützung in den USA gemäß „Rassenzugehörigkeit“. Doch dazu haben wir uns schon ein anderes Mal ausführlich geäußert.
7. Die Pensionssysteme durch Sparen retten
Eine schlechte Nachricht: Alle Umlage-Rentensysteme sind bankrott, und zwar von Anfang der 70er Jahre an. Sie werden also zunehmend aus Steuern finanziert. Nur eine endlos stark wachsende Bevölkerung und eine endlos rasch wachsende Volkswirtschaft könnten sie tragen – auch das ist lediglich Mathematik. Soll es anders kommen, bräuchte es kapitalunterlegte Pensionssysteme, wie in Schweden, in der Schweiz und teils in den USA. Also eine Bevölkerung, die spart. Aber Politiker wollen meist nicht rechnen, und das dafür nötige Denken in Zinseszins-Effekten überfordert sie.
8. Höhere Steuern schaffen nicht weniger Ungleichheit
Steuern „um die Ungleichheit zu beseitigen“ nützen nichts – die Unternehmen überwälzen sie an ihre Kunden. Die Privaten liefern zwar Steuern ab, jedoch folgt die Ungleichheit aus dem unterschiedlichen Besitz an Realkapital (Aktien, Immobilien) zwischen Arm und Reich. Erbschaftssteuern müssten also direkt Aktien einfordern und diese in den Vorstädten an die Armen verteilen. Doch das will der Staat nicht, denn diese Steuern kassiert er ja selbst, als Reichster von allen.
9. Selbststeuerung statt „Nudging“
Alle Fakten zeigen, wie die Menschen sich selbstselektionieren und eine entsprechend tiefere Lebenserwartung haben: Fast immer die gleichen Schichtangehörigen sind es, die sich weniger ausbilden, ungesünder, mit Süchten, Alkohol usw. leben, entsprechende Unfälle haben, wenig Sport treiben und übergewichtig sind. Das folgt aus der Selbststeuerung aller dieser Verhaltensweisen (früher Selbstdisziplin genannt), und selten nur aus „Schicksal“.
Neuere Sozialpolitik versucht nun, die Menschen zu immer „besserem“ Verhalten zu bringen, dies durch Eingriffe in die Ernährungsgewohnheiten, über Schulen, verkehrspolitische Maßnahmen und schließlich natürlich mit Steuern. Effekt eines solchen „Nudgings“ ist vor allem ein außengeleitetes Massenverhalten. Da sollte man den Politikern besser ins Stammbuch schreiben: Lasst die Leute, wie sie sind, bezahlt ihnen aber auch nicht alles…
10. Abhängigkeit der Menschen vom Staat vermeiden
Sozialstaatliche Eingriffe verändern das Verhalten der (eben selbstbezogenen) Menschen, so dass sie mit weniger Bedenken möglicherweise folgenschwere Risiken eingehen (Moral Hazard), da ja die beschützende Hand des Staates sie dann auffängt. Eine solche Sozialpolitik bewirkt damit eine verbreitete Abhängigkeit der Menschen und zudem hohe Kosten.
Ebenso wenig intelligent sind gleiche Leistungen für alle, also die berühmte Gießkanne, weil sie sogenannte Mitnahme-Effekte zeitigen: Dies und jenes, etwa Ausbildung, Wohnen, sogar die Alterssicherung hätten sich viele sowieso selbst, auch ohne Hilfen beschafft. Dann wäre halt vielleicht für anderes, nicht so Dringliches weniger übriggeblieben. Letztlich zahlt der Staat bzw. der Steuerzahler dann also einen großen Teil des Konsums, Ferienreisen usw. Sozialpolitik ist nicht Sache des guten Herzens oder der patriarchalischen Behütung des Bürgers, sondern eine Technik, knappe Güter nutzbringend für die Allgemeinheit wie auch für die besonders Bedürftigen zu verwenden.
Zum Schluss: Verzichten wir doch einfach auf das Wörtchen „sozial“
Man beschreibe einmal alle solchen Stützungen, Umverteilungen, Staatseingriffe, Absicherungen ohne das moralgeladene Allerwelts-Adjektiv „sozial“. Dann wird’s, statt gutmenschlich, ganz nüchtern und pragmatisch und dann aber auch wirklich effizient, was denen zugutekommt, die Hilfe wirklich benötigen.