Mit der nun seit 2019 bereits zum 6. Mal stattfindenden Austrian Academy – dieses Jahr dauerte sie vom 19.-22. September – ist bei uns der Sommer zu Ende gegangen. Wie schon 2020, als kurz vor Beginn wegen der damals wieder aufflackernden Corona-Pandemie gegenüber Wien eine behördliche Reisewarnung verkündet worden war, erlebten wir dieses Jahr eine Zitterpartie.
Ausgewiesene Fachleute, die meisten Hochschulprofessoren, aus Deutschland und Österreich sowie ein junger Unternehmer referierten aus ökonomischer, kulturtheoretischer, sozialphilosophischer und migrationspolitischer Perspektive über eine Vielfalt von Themen.
Infolge des Hochwassers, der Erklärung Niederösterreichs zum Katastrophengebiet und der Unterbrechung der Bahnverbindungen zwischen Deutschland und Österreich, teils aber auch innerhalb Österreichs selbst, herrschte für die anreisenden Teilnehmerinnen und Teilnehmer Verunsicherung, für uns als Veranstalter hingegen große Unsicherheit, wie viele von den 23 von uns im Bewerbungsprozess ausgewählten jungen Menschen auch tatsächlich ankommen würden. Am Ende schafften es genau 21, pünktlich zum Beginn einzutreffen. Die Erleichterung war groß.
Leitthema der Austrian Academy war dieses Jahr erneut „Marktwirtschaft, Freiheit und Unternehmertum – Fundamente einer humanen Gesellschaft“. Ausgewiesene Fachleute, die meisten Hochschulprofessoren, aus Deutschland und Österreich sowie ein junger Unternehmer aus Deutschland referierten aus ökonomischer, kulturtheoretischer, sozialphilosophischer und migrationspolitischer Perspektive über eine Vielfalt von Themen.
Der Markt – ein Koordinationssystem, das zu Wohlstand führt
Den Auftakt, gleich nach der Vorstellungsrunde und der Einführung von Tagungsleiter Gerold Rauscher, bildete Hanno Lorenz, stellvertretender Direktor der Wiener Denkfabrik „Agenda Austria“. Er zeigte, weshalb es auch in unsicheren Zeiten mehr Markt braucht. Der Staat könne zwar die Wirtschaft stabilisieren, nicht aber führen.
Eine theoretische Grundlegung für die bereits im ersten Vortrag dargelegte Überlegenheit marktwirtschaftlicher Koordination lieferte am Tag darauf Stefan Kooths vom Kiel Institut für Weltwirtschaft und Vorsitzender der Friedrich A. von Hayek-Gesellschaft, Kooperationspartner der Austrian Academy.
Wirtschaftliche System gründen, wie Kooths ausführte, auf der Logik menschlichen Handelns und darauf, dass dieses sich kreativ entfalten kann. Das führt zu Wachstum, Entwicklung und sozialem Fortschritt. Ganz besonders faszinierend war dabei die Analyse der Koordinationsmechanismen, die wohlstandschaffenden Marktprozessen zugrunde liegen. Bereits in den vergangenen Jahren glänzte Stefan Kooths mit ähnlichen Ausführungen – die Wahrheit ändert sich ja nicht von Jahr zu Jahr, aber die Zuhörer waren andere.
Gefahren für die liberale Demokratie: Identitätspolitik und sozialistische Gleichheitsideologie
Am Abend des ersten Tages sprach Susanne Schröter, Professorin der Universität Frankfurt am Main, Ethnologin und Islamspezialistin, aber auch mutige Kritikerin des gegenwärtigen identitätspolitischen „Marsches durch die Institutionen“. Die Identitätspolitik und die damit verbundene woke Cancel Culture hat, wie sie zeigte, in den Medien und an den Universitäten zu einer „neuen Kulturrevolution“ geführt (so auch der Titel ihres jüngsten, im Herder Verlag erschienenen Buches).
Eine gefährliche Liaison von Universitätsprofessoren, universitärem Mittelbau und von außen in die Universität eindringendem Aktivismus führt zu einer Situation, in der Ideologie höher gewichtet wird als fachliche Qualifikation, zu einem Klima der Angst, des Mitläufertums und der Zensur, zu der auch die Selbstzensur gehört. Es sind Zustände, wie sie Deutschlands Universitäten zuletzt nach 1933 erlebt hatten, wenn auch ohne physische Gewaltanwendung, dafür mit einem psychologisch gewalttätigen Meinungsterror, der Karrieren vernichtet und die Besten zur inneren oder gar äußeren Emigration zwingt.
Der nächste Beitrag war ein Vortrag von Martin Rhonheimer über „Gerechtigkeit, Gleichheit, Freiheit: Ist die Marktwirtschaft ungerecht?“, in dem die Frage der Beziehung zwischen Gleichheit und Gerechtigkeit – mehr als andere Jahre – aus politisch-philosophischer und ethischer Perspektive behandelt wurde. Die Thematik wurde eingeordnet in die großen Grundfragen, die zuerst von Platon und Aristoteles gestellt und in ganz verschiedener Weise beantwortet wurden und bis heute den Diskurs beherrschen.
Die Frage ist: Geht es um die gerechte Gesellschaft, die gerechte kollektive Organisation des Gemeinwesens und seine „Verteilungsgerechtigkeit“ , wie die platonische Tradition meint, oder liegt der Schlüssel im Verhalten und Handeln des Individuums, der Gerechtigkeit und der entsprechend freien Koordination ihres Handelns gemäß Regeln des Rechts und in Freiheit, wie es – vereinfacht gesagt – die aristotelische Tradition will? Kann der Markt ungerecht sein oder kann das nur der einzelne Mensch und die von ihm bewusst und absichtsvoll geschaffenen Regeln und gesetzlichen Rahmenordnungen? Was ist Ungerechtigkeit und ist Ungleichheit notwendigerweise ungerecht?
Der Sozialismus und die Umgestaltung des Kapitalismus in eine „hybride Verwaltungswirtschaft“
Im Anschluss sprach der bekannte und auch in der Öffentlichkeit präsente Wirtschafts- und Sozialhistoriker Werner Plumpe – auch er Professor der Universität Frankfurt am Main – über Kapitalismus und Sozialismus und die Zusatzfrage: Und die Gegenwart? Plumpe, der in einmaliger Weise die Kompetenzen des Historikers und des eher theoretisch orientierten Ökonomen in derselben Person kombiniert, zeigte, wie sich sozialistische Systeme aufgrund ihrer planwirtschaftlichen Organisation notwendigerweise selbst kannibalisieren, der Kapitalismus hingegen – gerade aus systemischen Gründen – erfolgreich ist und Wohlstand für die kleinen Leute und deshalb für die Massen schafft.
Doch passe der Kapitalismus den Regierungen aus politischen Gründen nicht ins Konzept. Kapitalistische Wirtschaften entwickelten sich deshalb – vor allem in Europa – zunehmend und aus einer gewissen politischen und bürokratiegetriebenen Zwangsläufigkeit in „transformative hybride Verwaltungswirtschaften“: Wirtschaftssysteme, in denen es zwar formell Privateigentum, Marktwirtschaft und Wettbewerb gibt, die aber zunehmend mit planwirtschaftlichen und entsprechend bürokratischen Elementen durchsetzt sind. Damit werden sie „hybrid“ und schließlich dysfunktional. Auch das führe, erfolgt kein Kurswechsel, infolge zunehmender Effizienzverluste am Ende zur allmählichen Selbst-Kannibalisierung des Systems. Dieses sei die Realität, in der wir heute zunehmende leben – für Deutschland trifft das wohl in ganz besonderer Wiese zu.
„Österreichische“ Geldtheorie und inflationäre Geldpolitik
Aus ganz anderer, nämlich geldpolitischer und konjunkturtheoretischer Warte zeigte auch Gunther Schnabl von der Universität Leipzig und Direktor des dortigen Instituts für Konjunkturpolitik wie auch Senior Advisor beim Flossbach von Storch Research Institute in Köln, wie die wohlstandsschaffende Kraft des Kapitalismus durch schädliche, auf falschen theoretischen Grundlagen ruhenden geld- und währungspolitischen Eingriffen beeinträchtigt werden kann.
In seinem ersten Vortrag zum „Zins, Geldpolitik und Inflation: Österreichische Schule vs. Keynesianismus“, stellte Schnabl die verschiedenen Ansätze vor, aufgrund derer Konjunkturzyklen und Finanzkrisen erklärte werden – wobei letztlich das „keynesianische“ Konzept der geldpolitischen Feinsteuerung der Konjunktur nach dem zweiten Weltkrieg Oberhand gewonnen hatte.
Die gegenwärtige sogenannte asymmetrische Geldpolitik, in der – entgegen Empfehlungen von Keynes‘ – selbst im Aufschwung nach einer Krise die Zinsen weiterhin niedrig oder gar im negativen Bereich gehalten werden, führt zu Problemen, die der Referent dann im zweiten Vortragsmodul über „Inflation in der Europäischen Währungsunion: Ursachen, Probleme, Auswege“ in ihren – für viele unerwarteten, oft auch falsch diagnostizierten – Konsequenzen aufzeigte. Wir freuen uns auf die Videos der Vorträge, weil dort dann auch die verschiedenen Grafiken zu sehen sind, mit denen der Referent seine Thesen veranschaulichte.
Wie Märkte ihre eigenen Regulierungen und die dazugehörigen Institutionen schaffen
Am Samstagnachmittag war Philipp Booth an der Reihe, auch er ein „Stammreferent“ der Austrian Academy. Er sprach – wie immer auf Englisch – über „How Markets Develop Their Own Regulatory Institutions“ („Wie Märkte ihre eigenen regulatorischen Institutionen entwickeln“). Der Ökonom und Finanzexperte war bis vor wenigen Jahren Forschungsdirektor des prononciert marktwirtschaftlich orientierten Londoner „Institute of Economic Affairs“ und lehrt jetzt an der St. Mary’s University Twickenham/London. Zugleich ist er Director of Policy and Research der Bischofskonferenz von England und Wales (es kann ja nur gut sein, wenn die Kirche von kompetenten und marktwirtschaftlich orientierten Ökonomen beraten und unterstützt wird).
Booth zeigte anhand verschiedener historischer, aber auch aktueller Beispiele aus dem zivilgesellschaftlichen Bereich, wie freie Märkte ihre eigenen Regeln entwickeln, und das auf sehr effiziente und kostengünstige Weise. Dazu schaffen sie sich mit wenig Bürokratie eigene Institutionen.
Wie Booth argumentierte, übernehmen auch Regierungen letztlich nur Regulierungen, die ursprünglich der Markt selbst entwickelt hat und profitieren damit indirekt auch von freien Märkten und deren unternehmerischen Entdeckungsleistungen. Von oben herab, durch vermeintlich allwissende Ökonomen entwickelte Regulierungen können hingegen großen Schaden anrichten. Insbesondere die neoklassische Lehre von durch angebliches Marktversagen gerechtfertigte Staatseigriffe spielt hier eine problematische Rolle.
Kluge Einwanderungspolitik und: Wie wird man ein erfolgreicher Unternehmer?
Sandra Kostner, Geschäftsführerin des Masterstudiengangs „Migration, Diversität und Teilhabe“ an der PH Schwäbisch Gmünd und mutige Initiatorin und Vorsitzende des bekannten und von Linksaktivisten stark angefeindeten „Netzwerks Wissenschaftsfreiheit e.V.“, konnte leider aus schwerwiegenden familiären Gründen nicht anreisen, hielt ihren Vortrag am späten Samstagnachmittag aber als Videokonferenz. Dank der Technik, die unser Videomann Patrick Zadrobilek (NTown Productions, Wien) dafür einrichtete, war die Kommunikation zwischen Referentin und Teilnehmern perfekt.
Frau Dr. Kostner sprach – unter dem Motto „Wer kommt, bestimmen wir!“ – über „erfolgreiche Migrationspolitik in klassischen Einwanderungsländern“, wobei vor allem Australien und Kanada zu Sprache kamen und die Referentin das höchst erfolgreiche Punktesystem Australiens im Detail erläuterte. Die Aktualität lag auf der Hand, denn das System könnte in gewissen Aspekten auch Vorbild für jene Staaten sein, die wegen Kinderarmut vielleicht bald zu echten Einwanderungsländern werden müssen, und zwar im Sinne einer Einwanderung, die für das Land und der gesamten Bevölkerung von Nutzen ist, weil sie den Wohlstand sichert und fördert.
Den Abschluss bildete dieses Jahr wiederum ein junger Unternehmer, und zwar Johannes Humpert, der sich auf die Gründung und Entwicklung von Technologieunternehmen konzentriert, mit dem Ziel, das Leben von Millionen Menschen über das Internet zu verbessern. Als Geschäftsführer von Zenfulfillment.com arbeitet er daran, – auf dem Niveau von Amazon Prime – die 1-Tages-Lieferung als Standard im E-Commerce-Paketversand zu etablieren.
Verheiratet mit einer berufstätigen Ärztin und Vater von vier Kindern wirkt er auch persönlich als Vorbild, vor allem aber begeisterte er die jungen Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit der lebendigen Darlegungen seiner eigenen unternehmerischen Erfahrungen bis hin zum Erfolg der Führung eines profitablen Unternehmens mit 120 Mitarbeitern.
Fünf Schritte brauche es zum unternehmerischen Erfolg: Große Visionen haben und sie mit kleinen Schritten umsetzen; sich mit Vorbildern umgeben; so kalkulieren, dass man sicher gewinnt; sich täglich einem Selbstcheck unterziehen: dem eingeschlagenen Weg vertrauen. Durch sein Auftreten und seine Worte verkörperte der Referent seine Ratschläge in überzeugender Weise.
Das Ambiente der Austrian Academy war auch dieses Jahr einmalig. Gespräche, Vernetzung, Sonnenschein im grünen Umfeld des Friedrichshofs, Grillabend, zwei Sessionen mit den Referenten für Fragen und Diskussionsbeiträge, eine davon im Grünen, beste Bewirtung und sogar, für jene, die das wünschten und außerhalb des Tagungsprogramms, die Gelegenheit im Hotel selbst an der Messfeier teilzunehmen oder aber in der Früh ein kühles Bad im dafür vorbereiten Teich auf dem Hotelgelände zu nehmen.
Nach den Schlussworten des Präsidenten des Austrian Institute erhielten alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer ein Teilnahme-Zertifikat, auf das sie mächtig stolz waren, wie man auch aus den Fotos ersehen kann. Ein besonderer Dank geht an den Tagungsleiter Gerold Rauscher, der erneut mit viel Einsatz und organisatorischem Geschick die Tagung leitete. Und an Lisa-Marie Müller, die im Hintergrund, aber auch im direkten Kontakt mit den Bewerbern und den aus ihrem Kreis schließlich ausgewählten Teilnehmern für das das Management der Austrian Academy zuständig war und ihre Aufgabe auf äußerst effiziente Weise erfüllte.
Die Vorträge wurden wie in den vergangenen Jahren von Patrick Zadrobilek (NTown Productions, Wien) auf Video aufgezeichnet und werden nach und nach auf unserer Website und auf unserem YouTube-Kanal veröffentlicht werden. Um auf dem Laufenden zu bleiben, abonnieren Sie am besten unseren Newsletter.
Die Alumni der Austrian Academy 2024
Dabei auch einige der Referenten und die Mitglieder des Academy-Teams.
Fotogalerie
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