Große Zeitenwenden der Gesellschaft verlaufen meist unmerklich, bauen sich langsam auf. Heute sind wir aber Zeugen eines Hau-Ruck-Verfahrens in Europa und in den USA, das Wirtschaft und Gesellschaft innert Monaten verändert hat – leider nicht zum Besten.
Denn mit noch nie gesehenen Ausgabenpaketen übernehmen die Staaten einen großen Teil des volkswirtschaftlichen Laufs, drucken die Notenbanken das Geld dafür, und streuen die Politiker dieses Geld direkt über die Haushalte.
Die Politiker verschwenden das Geld, aber sie verschwenden keinen Gedanken daran, wieviel dies an Zinsen kosten wird, wie man dies dereinst zurück zahlt.
In den USA beschlossen die siegreichen Demokraten ein erstes Programm von 1‘900 Milliarden Dollar, das voll schon läuft („American Rescue Plan“). Das nächste ist angekündigt, es schüttet für Infrastrukturen 2‘200 Milliarden aus. Die republikanische Regierung aber warf letztes Jahr schon gleichviel, fast 4‘000 Milliarden Dollar mit fünf Programmen auf (u.a. „CARES“).
Schamhaft wird übrigens nicht von diesen Tausenden von „billions“ (deutsch: Milliarden) gesprochen und geschrieben, sondern abgekürzt von 2,2 trn – „trillions“ (deutsch: Billionen). Man fühlt sich in die Heftchen zu Dagobert Duck mit seinen „Phantastillionen“ im Tresor versetzt.
Hier aber geht es nicht um Schätze, sondern um Ausgaben und neue Schulden.
Vorstellen kann man sich diese Zahlen nicht mehr, auch die Politiker nicht, sonst würden sie diese nicht beschließen. Wir sind weit weg vom Alltag in einer Bäckerei, wo das ganze Einkommen am Ladentisch häppchenweise mit „ein Euro bitte“, „macht drei Euro fünfzig“ verdient werden muss.
Unvorstellbare Summen im falschen Moment
Um diese Summen halbwegs ins Bild zu setzen, vergleiche man sie mit dem laufenden Wirtschaftsprodukt, dem Inlandprodukt (BIP). Die bisher aufgelaufenen Staatsschulden der USA stehen auf 130%, und in vier Jahren werden es 191% sein, schätzt die Notenbank. Das ist weit über dem, was die Panik um Griechenlands Zahlungsfähigkeit vor zehn Jahren auslöste. Die laufenden Ausgaben des US-Zentralstaates beschlagen dieses Jahr 35% des Wirtschaftsverlaufs, und gemessen am BIP werden so 20% mit neuen Schulden finanziert. Denn das Defizit des derart spendablen Staates macht 55% seiner Ausgaben aus, in vier Jahren zwei Drittel. Das kann man sich in den offiziellen Zahlenwülsten der US Debt Clock ansehen – und wird dann nächtens wachliegen.
Damit kommen wir zur Bewertung dieser Raserei. Der Staat drückt erstens die Ausgabenflüsse in der Wirtschaft massiv hinauf, bestellt enorme Leistungen, schüttet viel Geld in die Haushalte. Dies in einem Moment, da die Volkswirtschaft selbsttätig anzieht wie noch nie. Die Arbeitslosen nehmen nicht mehr zu, der Detailhandel explodiert, die Firmengewinne steigen massiv, die Industrie zieht überdeutlich an. Außerdem haben die Haushalte, nicht nur die reichsten, wegen der Corona-Bremsen ungefähr so viel zusätzlich angespart, wie das 1900-Milliarden-Paket zusätzlich ankurbelt. Dieses Geld kommt jetzt auch ins Rollen.
Diese Ausgabenhuberei unter Biden wirkt „prozyklisch“ – sie dreht den bereits laufenden Konjunkturzyklus unnötig auf.
Lawrence Summers, der ehemalige – demokratische – Finanzminister unter Präsident Clinton, sagt, was das bedeutet: diese Ausgabenhuberei unter Biden wirkt „prozyklisch“ – sie dreht den bereits laufenden Konjunkturzyklus unnötig auf. Viele Firmen berichten jetzt über steigende Kosten, und beginnen diese auf die Konsumenten zu überwälzen, wie Procter&Gamble mit Aufschlägen bis zu 12%. Das Zauberwort aber der Anbeter des Ankurbelungs-Ökonomen John M. Keynes heißt „Stimulus“: man gibt zu, dass man der Volkswirtschaft ihre erwiesenen selbstheilenden Kräfte nicht mehr zutraut. Das ist neu im Westen.
Corona als Vorwand für die Ausgabenraserei – und die Wall Street boomt
Die Zeitenwende zeigt sich aber in der Art der Ausgaben. Die Gelder für die Arbeitslosen, welche das US-Sozialsystem sonst billig abspeist, wurden erhöht, richtigerweise, aber das macht den kleinsten Teil aus. Das Biden-Paket der 1‘900 Milliarden renoviert Schulen, hilft den schon früher überschuldeten Einzelstaaten aus, und schüttet den größten Einzelbetrag ohne Bedürftigkeitsnachweis in bar an Haushalte aus.
Das kommende Paket der Infrastrukturen vollends hat mit Corona nichts zu tun, es geht um Autobahnen für 621 Milliarden, um Wohnbauten, um Industriesubventionen von sage und schreibe 300 Milliarden, und 180 Milliarden für Forschung und Entwicklung. Staatliche Gremien sagen künftig, was und wie produziert wird, und was erforscht wird. Die ideelle Motivation, die Entschuldigung für diese 2‘200 Milliarden wird anstelle der Corona nun die grüne, nachhaltige Gesellschaft.
Und einmal mehr heizen die Demokraten die Einkommens- und Vermögenskonzentration noch an – die Wall Street boomt vor Freude, und mit Aktien in Elektrizität aller Art, in Zement, Wasserstoff ist das große Geld privat zu machen.
Geldverschwendung – mit verheerenden Folgen für alle
Zweitens werden diese unglaublichen Summen letztlich mit der Geldpresse „finanziert“ – auch ein Novum der neueren Wirtschaftsgeschichte. Beide Notenbanken, die amerikanische wie die europäischen Zentralbank, kündigten im März 2020 an, die wegen Corona gesteigerten Staatsausgaben in Form der dazu neu ausgegebenen Schuldpapiere aufzukaufen – und in beiden Währungsräumen begannen die Politiker innert Tagen, die Pakete zu schnüren. Unterdessen aber übersteigen sie längst die coronabedingten Ausgaben, wie erwähnt, sodass jeder Ausgabenwunsch durch Gelddrucken erfüllbar scheint.
Die Politiker verschwenden das Geld, aber sie verschwenden keinen Gedanken daran, wieviel dies an Zinsen kosten wird, wie man dies dereinst zurückzahlt. Denn die Notenbanken haben die Zinsen auf oder unter null gesenkt. Der Staat hat das Tischleindeckdich neu für sich erfunden. Griechenland hatte eben keine eigene Währung, um mit der Druckerpresse die Schuldenlast „vergessen“ zu machen, wie die USA das tut, die einfach Geld drucken, sogar für Zinsen. Griechenland musste auf Befehl der EU – und weil die EZB die „emergency liquidity assistance“ abzustellen drohte – eine enorme Abmagerungskur durchführen.
Wenn aber die Inflation anziehe, sagt die Notenbank, werde sie dies kurz dulden, dann aber mit ihren Mitteln bekämpfen. Diese Mittel aber würden die angebahnte „Zeitenwende“ beenden – höhere Zinsen, kein neues Geld im Umlauf würden den Bankrott fast aller Staaten bringen, für viele Firmen ebenfalls, für Hausbesitzer weitherum, und würden die Börsenhausse beenden, mit verheerenden Folgen für Pensionskassen, Versicherungen, Private. Die Hasenfüße in den Notenbanken, die seit 2009 bei kleinsten Problemen schon den Geldhahn aufdrehen, werden also, einmal in der Sackgasse angelangt, „ihre Mittel“ nie und nimmer einsetzen. Die eingangs vorgestellten Anteile der Staatsausgaben, der Staatsdefizite, der Staatsschulden am Inlandprodukt werden es schlicht nicht mehr zulassen.
Bedingungsloses Grundeinkommen durch die Hintertür
Das dritte Element der Zeitenwende verkörpert sich in den direkten Zahlungen an die Haushalte, und zwar voraussetzungslos, ohne Bedarfsnachweis. Das Biden-Paket sponsort Erwachsene mit 1‘400 Dollar bis hinauf zu einem Einzeleinkommen von 75’000 Dollar und von 150’000 Dollar eines Paares. Das sind – gerade in den USA – bereits fürstliche Verhältnisse, und klar wird hier der „Stimulus“, der Ankurbelungsgedanke, nicht Sozialpolitik. Doch wie Umfragen zeigen, werden diese und sogar untere Schichten den „Stimulus“ nicht ausgeben, sondern sparen und allenfalls in die Börse werfen. Denn es wartet ja schon der Berg an spontan Gespartem während der Corona-Zeit, ausgegeben zu werden. Das reicht den meisten. Die ungefähr 500 Milliarden neuer Schulden des Staates für unnötige private Ausgaben fließen dieser Tage nun direkt aus der Geldpresse in die Haushaltskonten.
Die Dämme zum allgemeinen Grundeinkommen, aus der Geldpresse, sind geborsten. Denn die Idee wiederholt sich bereits – schon die Pakete der Republikaner 2020 zahlten 1‘200 Dollar direkt aus. Bereits finden einige Politiker, der Staat könnte zu regelmäßigen Ausschüttungen übergehen, da sie nichts zu kosten scheinen. Einkommen ohne Leistung für alle: die Marktwirtschaft mit ihren Anreizen endet hier.
Zeitenwende: Staaten und Politiker im Ausgabenrausch
Unglaubliche Staatsschulden und -defizite, direkter Zugang der Politiker zur Geldpresse und voraussetzungslose Zahlungen an die Bürger: diese Zeitenwende wird auch mit den paar von Präsident Biden beabsichtigten Unternehmenssteuern nicht behoben werden. Die EU ihrerseits begibt sich auf den Weg massivster neuer Staatsverschuldung von 1‘750 Milliarden Euro, und eigener EU-Verschuldung, die in den Verträgen verboten ist.
Leider wird sich nur in Italien wiederholen, was mit den letzten 80 Milliarden Hilfe dort geschah: nur 6,7% wurden tatsächlich ausgegeben, weil dieser Staat sogar unfähig ist, Geld auszugeben. In den USA und andern europäischen Staaten hingegen wird der Staat die Summen voll in Umlauf bringen, selbst oder immer öfter durch beauftragte Agenturen, Sonderhaushalte, Firmen, Consultants. Der Staat verludert nicht nur das Geld und riskiert dessen inflationäre Entwertung, er verlottert damit auch seine rechtlichen und politischen Strukturen. Eine Zeitenwende hat stattgefunden, vor unsern Augen, und innert Monaten.
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