Allmachtswahn und Kulissenschieberei: USA und EU starten Riesenprogramme zu Industriepolitik

Nach den riesigen Ausgabenspritzen zu echten oder behaupteten Covid-Schäden spenden nun die beiden großen Wirtschaftsräume erneut Hunderte von Milliarden, welche Schwächen der Industrien beider Seiten aushebeln sollen. Dazu wird auch noch alles Gute und Schöne, vor allem das Klima und seine Hilfstechniken gefördert. Wer aber genau hinsieht, macht an beiden Orten Kulissen aus, die flink hin- und hergeschoben werden, um das Publikum zu verblüffen.

Amerikanische Industriepolitik: Staatlicher Geldsegen und Sammelsurium buntester Träume

Die USA fahren auf zwei Schienen, von denen die eine ziemlich gradlinig verläuft. Ein „Chips and Science Act“ soll mit 280 Milliarden Dollar Subventionen die Entwicklung und Fabrikation neuester Chips fördern. Die Spitze dabei richtet sich gegen China: Der Support hält die amerikanische Chip-Industrie bei der Stange, weil man ihr viele Exporte nach China verbietet. Das Ganze zieht schon an, die Industrie verkündete neue Fabrikationsprojekte für 300 Milliarden Dollar. Es gibt im Moment nichts Schöneres als Boss einer solchen Firma zu sein – von der Regierung gehätschelt, mit Milliarden überhäuft.

Auf der zweiten Schiene der amerikanischen Industriepolitik, der „Inflation Reduction Act“,  fährt ein riesiger Geleitzug buntester Träume. 738 Milliarden Dollar stark soll die Zugkraft sein. Gut die Hälfte dieses Betrags geht in Subventionen aller Art für die Klimatechniken, für Energieförderung, für Spitzentechniken der Produktion und in umweltverträglichere Landwirtschaft. Darin darf die „Rassengerechtigkeit in der  Landwirtschaft“ (racial equity in farming) nicht fehlen. Nicht ganz die andere Hälfte soll das immer noch laufende riesige Budgetdefizit wundersam reduzieren helfen, mit Programmen für billigere Medikamente, Spitäler, und mit Hilfe von Steuerreformen.

Konservative Think Tanks prognostizieren Jobverluste und das Budgetbüro des Kongresses meint, es gebe „keinen erkennbaren Einfluss auf die Inflationsrate“. Das aber war doch der Sinn des Ganzen, wie der Titel Name „Inflation Reduction Act“ vorgibt!

Finanziert werden die 738 Milliarden Kosten mit wiederum günstigeren Medikamenten zu Lasten der staatlichen Stützprogramme (die wirken also auf beiden Seiten, bei Ausgaben und Einsparungen – herrlich!), mit einer 15%-Supersteuer auf Großfirmen, einer einprozentigen -Abgabe auf Aktienrückkäufe. Dazu kommt eine gewaltige Kulisse mit Einsparungen von 181 Milliarden dank effizienterer Steuererhebung. Letzteres figuriert in allen US-Programmen seit Jahren, scheint aber immer wieder neu aufs Programm gesetzt werden zu müssen, weil’s nie wirkt.

Wirken aber soll dies alles – so die Verfechter der Programme und gelehrten Studien dazu – mit gewaltigen Budgeteinsparungen auf 20 Jahre hinaus (sagen linke Studien) und 1,4 Millionen Jobs (sagen Studien von Grünen). Konservative Think Tanks hingegen prognostizieren Jobverluste und das Budgetbüro des Kongresses meint, es gebe  „keinen erkennbaren Einfluss auf die Inflationsrate“. Das aber war doch der Sinn des Ganzen, wie der Name „Inflation Reduction Act“ vorgibt!

Fiskalischer Gegenschlag der EU

Die EU holt nun, und zwar ausdrücklich als Reaktion auf die amerikanische Subventionsmaschinerie, zum fiskalischen Gegenschlag aus. Am 1. Februar verkündeten Kommissionspräsidentin von der Leyen und ein Wust von Mitteilungen aus Brüssel den „Green Deal Industrial Plan“. Dieser bedient alle Schlagwörter, die chic und English klingen. Man will die Industrie auf das Net-Zero-Ziel einrichten, mit einem enormen Regelwerk für Projekte, Strategien, Digitales. Der Zugang zum großen Geld soll beschleunigt werden, indem bisherige EU-Fonds umgeleitet werden – eine Kulissenschieberei größeren Ausmaßes. Denn die viel zu vielen Gelder aus dem früheren „Resilience and Recovery Fonds“ von vielen hundert Milliarden, die noch größerenteils auf Konten schlummern oder erst aufzunehmen sind, sollen endlich und „prioritär“ abgerufen werden – sofort, mit konkreten Plänen der Mitgliedstaaten bis 30. April 2023.

Damit der Erfolg der Programme vorgezeigt werden kann, muss das Geld jetzt fuderweise weg. Mitnahme-Effekte, Pfusch und Missbrauch sind die Folge.

Sodann wird weiter alles Schöne gefördert – die Berufsbildung, die Lieferketten, die Seltenen Erden, die nach Europa zurück zu führende Produktion, und alles soll mit internationalen Partnern innoviert werden. Aber wehe, wenn andere mit ihren Industriehilfen „unfair handeln“ – dann geht die Grenze zu. Das ist schon mal angedroht. Die EU selbst wird sich von nun an also wenig um solch protektionistische Maßnahmen scheren , denn im Gleichzug werden mit dem Milliardensegen auch die Schranken gegenüber staatlichen Beihilfen stark gelockert. Natürlich nur vorübergehend, wie es heißt.

Größenwahn und Überstürzung

Die Bewertung beider Programmserien, derjenigen der USA wie auch jener der EU,  muss vernichtend ausfallen. Zum einen herrscht der Größenwahn – diese enormen Summen können von den verteilenden Verwaltungen und von den beschenkten Firmen kaum gestemmt werden. Italien etwa hat bis Ende 2022 aus den 190 Milliarden Euro früher verheißenen Hilfen der EU gerade mal für 29 Milliarden Projekte geschafft.

Zweitens werden daher die Firmen einfach Vorhaben, die sie eh schon planen, einreichen, um dafür entsprechende Spenden aus der EU-Kasse zu bekommen. Jeder, der sich gemäß dem „methodologischen Individualismus“ der österreichischen Schule der Ökonomie vorstellt, wie ein Unternehmen auf solche Summen und Fristen reagiert, muss sich im Klaren sein, dass solche Mitnahme-Effekte zum normalen Gang der Dinge gehören werden. Denn mit der Dringlichkeit, wie etwa dem 30. April 2023 als letztem Termin für die Einreichung der modifizierten Pläne für die Umsetzung der sogenannten REPowerEU-Maßnahmen, setzen die Bürokraten nicht nur die Staaten und die Firmen unter Termindruck, sondern sich selbst: damit der Erfolg der Programme vorgezeigt werden kann, muss das Geld jetzt fuderweise weg. Mitnahme-Effekte, Pfusch und Missbrauch sind die Folge.

Nun aber verkünden die Notenbanken beider Währungsräume dauerhaft höhere Zinsen und wollen früher gekaufte Staatspapiere auf den Markt werfen. Das wird schon bald unheilvolle Verwerfungen bringen.

Drittens stecken alle westeuropäischen Staaten und die USA in schweren Budget-Defiziten. Die USA nehmen immer noch ein Viertel der Staatsausgaben als Kredite auf, dies bereits vor der neuen Ausgabenwelle; Italiens Defizit beläuft sich auf 14% der Ausgaben. Die Schulden in Südeuropa und der USA sind enorm. Nun aber verkünden die Notenbanken beider Währungsräume dauerhaft höhere Zinsen und wollen früher gekaufte Staatspapiere auf den Markt werfen. Das wird schon bald unheilvolle Verwerfungen bringen – entweder geben die Notenbanken klein bei und die Inflation wütet weiterhin, oder die Staaten gehen bankrott, oder würgen alle Ausgaben ab und werden unter dem Druck der Straße unregierbar…

Kulissenschieberei als Ausweg?

Da bleibt vielleicht wirklich nur die Kulissenschieberei als Ausweg: In beiden Währungsräumen tricksen die Politiker, am Schluss wird nur ein kleiner Teil auf die Schienen gesetzt. Nur das Chip-Programm der USA  wird wohl fahren. In Europa hingegen wird es dann viele träge Firmen geben, die sich daran gewöhnt haben werden, am Tropf des Staates zu hängen, – aber immer noch keine Spitzen-Chips.

Und alles ist schon dagewesen: Die Kulissenschieberei wurde in der EU bereits 2015 erprobt: Der groß angekündigte Juncker-Plan sollte mit seinen bloß 5 Milliarden Geld von der Investitionsbank anziehen, 16 Milliarden aus dem EU-Budget waren dafür gedacht, Investitionen in der Höhe von 315 Milliarden  auszulösen. Der EU-Rechnungshof hielt später nüchtern fest, dass insgesamt nur gut 100 Milliarden geflossen seien, es dabei jedoch auch viele Mitnahme-Effekte – also Geld für ohnehin Geplantes wie auch Unnötiges – gegeben habe.

Das Schlimmste jedoch ist, wie die westlichen Wirtschaftsräume mit ihren politischen Träumen die Marktwirtschaft aushebeln und damit privat stimulierte Innovation verhindern.

Industriepolitik machte die EU auch mit ihrem sturen Festhalten an den Postmonopolen bis 1998, während die USA schon 1982 die Telefonie freigaben und dort alle heute riesigen Firmen für Kommunikation, Chips und Netze gegründet wurden – oft von jungen Burschen in einer Garage, nicht mit Staats-Milliarden. Die EU ließ ihnen volle 16 Jahre Vorsprung. Auch das ist Industriepolitik – von Bürokraten eben.

Das Schlimmste jedoch ist, wie die westlichen Wirtschaftsräume mit ihren politischen Träumen die Marktwirtschaft aushebeln und damit privat stimulierte Innovation verhindern. Das Resultat werden nicht bessere Forschungsabteilungen sein, sondern gigantische Stäbe für „Public Affairs“ und „Regulatory Compliance“ in den Firmen, um diesen Geldsegen aufzufangen und zu verarbeiten. Dazu kommen reiche Aktionäre und der bereits erwähnte fiskalische Ruin. Auch wenn nur ein Teil dieses Szenarios Wirklichkeit wird: Allmachtswahn ist es auf jeden Fall.

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