Alle Macht den Wachstumsfeinden? „Degrowth“ ist ein Weg in die Knechtschaft

Fünfzig Sorten Joghurt im Laden, hundert Automarken im Showroom, und Geschenkboutiquen, vor deren Ramsch man sich graust – abschaffen und verbieten? Diese kleine Wut haben alle irgendwann, Ältere sowieso, wenn sie sich an die kargen früheren Jahre erinnern. Es geht doch auch ohne all dies!

Es ging. Aber die Energiekosten pro Stück waren viel höher, man heizte jedes Zimmer mit Kohle, nicht im Energieverbund, man baute quer in die Landschaft hinein, und irgendwer im Haushalt musste ganztags Konfitüre kochen, Eier einmachen, Geschenke basteln, Kleider flicken, im Hausgarten jäten – meist die Frauen. Das Wachstum, die Technik, hat vieles einfacher gemacht, hat breite Zeitblöcke von Müh’ und Plag’ befreit, hat den Eintrag an Energie, Ressourcen und Raum in den Produkten gesenkt.

Die „große Theorie“ des gesellschaftlichen Rückbaus verstößt gegen Demokratie, Eigentum, und gegen das Vertrauen in Markt und Individuen. Sie stärkt auf Kosten der Freiheit des Arbeitens die Macht angeblich allwissender Eliten.

Den erreichten Stand der Technik mit der knappen Güterwelt vor fünfzig Jahren versöhnen wollen heute Theoretiker nicht bloß des Nullwachstums, sondern nun auch jene des Rückwachstums, Schrumpfens, Degrowth geheißen. Aber damit sie den sechs Milliarden Menschen diese Güter aus den Händen winden können, greifen sie zur gesellschaftlichen Abrissbirne.

Ökonomie der Gebrauchswerte: Auf zur Herrschaft der erleuchteten Asketen

„Gebrauchswerte“ soll die Wirtschaft produzieren und anbieten und nicht das, was am meisten Umsatz und Gewinn bietet. Güter also, die Grundbedürfnisse erfüllen und deren Form, Größe nur der direkten Anwendung dienen. Kein Luxus, kein Glitter, keine Formen und Farben ohne Not, und nicht in zehn, fünfzig Varianten. Dies braucht aber eine starke Hand, welche den Firmen die Sachwerte anstatt die Marktwerte aufzwingt, Gewinn ist nicht mehr das Ziel.

Die Ökonomie der Gebrauchswerte setzt eine Liste solcher Güter und Dienste durch erleuchtete Asketen voraus, welche überdies den langfristigen Einsatz an Energie, Ressourcen und Raum solcher Güter abschätzen, ja berechnen können. Und dann kommt die starke Hand – das muss durchgesetzt werden.  Während heute die große Zahl mittelständischer Haushalte wählen kann, aber auch wählen muss zwischen Sportwagen, Fernreisen oder stets gut auswärts essen, wird eben diese Wahl schon im Angebot der Fabriken eingeschränkt. Oder aber die breite Palette darf hergestellt werden, jedoch brauchen die Haushalte die Bewilligung für das einen oder das andere, mit Voranmeldung, damit nicht Wachstum zurück kriecht. Die Welt gerät unter die Kontrolle von Kommissaren, Planern, Wartelisten, Bewilligungen. Das denkt keiner der Theoretiker durch, keiner schildert die Verfahren.

Ein zweites Ziel des Rückwärtswachstums wird durch das Tun der Menschen bedroht, nicht nur durch ihren Konsum. Sie würden in einer verfügten Mangelwirtschaft selbst Dinge herzustellen beginnen, viele würden länger, oder an zwei Orten arbeiten wie sie es heute tun. Kein Wunder, möchten die Rückwärts-Philosophen auch die Arbeitszeit stärker beschränken, sie müssten wie in Frankreich bei der Umstellung auf die 35-Stundenwoche, Kontrolleure in die Firmen, bis in die Direktionsetagen aussenden, um alle am Arbeiten zu hindern.

Im Namen der Sicherheit und der Volksgesundheit werden heute in Europa schon alle „Unselbständigen“ – welch wahrer Begriff – am freien Arbeiten gehindert. Doch der freie Arbeitsmarkt würde ganz abgeschafft. Als freier Selbständiger und Gründer zu arbeiten, sowie in „freier Assoziation der Arbeiter“, das Wunschziel Marxens, wäre abgeschafft, und dies durch Rückbau-Marxisten wie Kohei Saito oder Jason Hickel.

Innovationsverhinderung, Kontrolle, Bürokratie

Das freie Tun der Menschen blüht auch durch Erfindungen, Innovationen und deren Umsetzung. Aber eine rückwachsende Gesellschaft müsste den Daumen darauf halten, Innovationen auf ihre kargen Ziele hin überprüfen und unterbinden. Die Forschung wäre dementsprechend noch stärker als heute staatlich finanziert und entsprechend kontrolliert. Solche Entwicklungen plante die DDR, und ihre erleuchteten, aufs Sparen bedachten Kommissare wollten manche Technikschritte überspringen, um dann eine überübernächste Technik einzusetzen. Doch bis dann waren die alten Produktionsaggregate im Vergleich derart unproduktiv, dass die Kosten dafür nicht zu erwirtschaften waren, und die Fertigkeiten fehlten auch.

Ein anderes Problem steht an – wie bringt man alle Staaten auf die Reihe? Soll man deren „falschen“ Exporte nicht abkaufen, ihnen den Zugang zu Ressourcen abblocken? Durch Schiffsblockaden, durch Kriege? Die EU versucht es heute mit Abgaben bei der Einfuhr, wenn Güter die CO2-Zertifikate andernorts nicht kaufen müssen. Sie führte 2024 auch die Taxonomie ein, wonach schon kleinere Firmen 1144 Punkte jährlich erheben und berichten müssen, um ökologische, soziale Vorschriften zu erfüllen, auch bei Zulieferungen wie auf Absatzwegen. Das ist ein schönes Vorausbild auf den Rückbau, und immerhin stagniert die EU-Volkswirtschaft bereits, als unbeabsichtigte Folge. Aber die Wut wird grösser, nicht nur bei Bauern.

Die Irrtümer der Intellektuellen

Diese Rückbau-Lehren folgen der Zivilisationsverdrossenheit des Thomas Morus (Utopia), des Plato, den Ängsten des Malthus und vielen anderen. Ihr Merkmal ist immer die „Totale“, sie sehen die Gesellschaft als mit Hebeln zu lenkendes Ganzes, und von Plato, Morus bis Marx und Keynes, und zu den heutigen Notenbankern beauftragen sie notwendigerweise eine kleine Elite vollkommen informierter Lenker damit. Kritiker der „Intellektuellen“ weisen mit Hannah Arendt auf die anschmiegende Nähe solcher Theoretiker zum Autoritarismus hin, und auf deren Misstrauen gegenüber der „wisdom of crowds“ (James Surowiecki). Der „methodologische Individualismus“ jedoch ist auch der Ansatz der österreichischen Nationalökonomie.

Dass „die große Theorie“ oft irrt, immer mit desaströsen Folgen, zeigen Geschichte und Gegenwart. Die Lehren nach der Entkolonialisierung, dass entweder viel Hilfe die damals armen Länder beschleunigt nachholen lasse oder aber, dass sich die „Peripherie“ der Armen von den ausbeutenden Reichen abkoppeln solle, haben beide alles verfehlt, außer die Länder zogen sich mit relativ liberalen Methoden selbst empor, wie ganz Asien, und China bis vor kurzem. Die Wortführer zu perfekter Energie verteufelten nach dem Fukushima-Unfall 2011 den (Atom)Strom, kurz danach aber war Strom die Rettung vor den Fossilien. Der Club of Rome glaubte 1972, alle Ressourcen würden knapp, aber nur schon neue Fördertechniken, wie das Fracking, dementierten die Ängste. Nicolas Georgescu-Roegen, ein Säulenheiliger absoluter Energieknappheit auf Erden, übersah 1971 den Außenbeitrag der Sonne mit Solar- und Windenergie.

Und als 2020/21 die überall verordnete Energiewende und dann der Ukraine-Krieg den Strom verteuerten, schwenkten alle, alle Parlamente auf Kohle, Öl, Erdgas, Atom um, die noch zwei Jahre vorher Greta Thunberg mit Ovationen gefeiert hatten. Erinnern darf man auch an die apokalyptischen Voraussagen Mitte der 80er Jahre, dass Europa gänzlich von Wäldern entblößt sein werde.

Negative und positive Realien: Kinderloses Europa, ressourcenschonender Kapitalismus

Bleiben wir daher bei den Realien unserer Zeit: der Wachstumsrückgang, der wirklich ansteht,  ist „die Demographie“, wie man die Kinderlosigkeit züchtig nennt. Kinderlos sind ganz Europa, China, die USA großenteils, Lateinamerika immer stärker. Manche Demographen ohne Scheuklappen sagen, das Ende der Menschheit sei wahrscheinlicher als ein dauerhaft übervölkerter Planet. Komfort dank Wachstum rivalisiert mit Kinderkriegen. Wenn das so weitergeht, werden Stadtruinen, zerfallende Infrastrukturen, fehlende Alten- und Gesundheitspflege die Geißeln der Zeit werden. Alle Rentensysteme, die Maastricht-Kriterien, die maßlose Staatsverschuldung bauen aber auf dem Wachstum auf, auch dank Demographie.

Die zweite Realität darf hoffnungsvoll ins Auge gefasst werden: das ökonomische Prinzip – „Mehr aus Weniger“ (Andrew McAfee) – spielt überall. Der Verbrauch von Energie, Raum, Ressourcen fällt pro Stück laufend, belegbar, und oft trotz gesteigerter Stückzahlen, das zieht sich durch die gesamte Gesellschaft hindurch. Das  ökonomische Prinzip der Skalierung, also der Kostensenkung – auch an Energie, Ressourcen – durch höhere Stückzahlen, spielt voll mit. Es ist rationeller, Konfitüre in großer Stückzahl zu kochen als in jedem Haushalt. Es wird sogar heute klar, dass „lokale Produktion“ in kleiner, mühseliger Arbeit, und Transporten in kleinen Lastwägelchen überall hin oft ökologisch schlechter ist. Und die wirkliche Abhilfe, die Internalisierung durch die Kostenwahrheit steckt in ihren Anfängen.

Die CO2-Zertifikate sind zu billig und werden nicht konsequent überall erhoben. Zudem würde man gescheiter zunächst einmal die Subventionierung der fossilen Stoffe mit 123 Milliarden jährlich durch die Staaten der EU abschaffen, auch wenn die Bauern motzen, in den USA ebenso. Desgleichen haben (außer das Schweizer Parlament) alle, wirklich alle westlichen Staaten mehrere tausend Milliarden Euro oder Dollar kreditfinanziert an die Haushalte verteilt), als mit gestauten Covid-Lieferketten, mit verpatzter Energiewende und mit der Inflation der Notenbanken das Leben etwas teurer wurde. Da hätte man die Preise, also den Markt, spielen lassen sollen: es wäre weniger verbraucht worden.

Rückbau durch Geldschwemme?

Aber gegen die Geldsause des Superstaats hat sich keine grüne oder wachstumskritische Stimme erhoben. Im Gegenteil, manche – so Jason Hickel – fordern sogar, dass die zu erwartenden Engpässe des Rückbaus durch Geldschwemme (Modern Monetary Theory) überpinselt werden sollen. Hoffnungsvoll stimmt auch der Anteil des Recylings an Glas, Eisen, Papier, Elektroschrott, der nachweislich in jenen Ländern am höchsten ist, welche das höchste Pro-Kopfeinkommen genießen.

Die „große Theorie“ des gesellschaftlichen Rückbaus verstößt gegen Demokratie, Eigentum, und gegen das Vertrauen in Markt und Individuen. Sie stärkt auf Kosten der Freiheit des Arbeitens die Macht angeblich  allwissender Eliten, und zieht scheppernde leere Büchsen des bisherigen Scheiterns an ihrem Leiterwagen hinterher. Vor allem bezieht sie die Fortschritte der heutigen Gesellschaft mit Internalisierung, Rückkoppelungen und technischem Fortschritt nicht ein.

Deshalb ist Degrowth ein leeres Versprechen, vielleicht gut gemeint, letztlich aber doch wieder nur das immer Gleiche, nun in Grün: Durch eine Diktatur der Wohlmeinenden die Unterjochung der Produktiven und damit ein Weg in die Knechtschaft und Massenarmut.

Was nach zwei Jahren am Rande einer Schweizer Gemeinde von einem Gemüsegarten, der dort von links-grün bewegten Bewohnern angelegt wurde, übrig geblieben ist: Aufgewühlte Erde, Plastik, in der Erde steckende Schaufeln, herumstehende Gartenstühle, alte Kisten und drei Kürbisse: Ein Symbol für eine zukünftige Degrowth-Welt? (Bild: Beat Kappeler).

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