Wahlkampf mit Aktionismus und Peanuts, Wichtiges wird totgeschwiegen

In Deutschland stehen wichtige Weichenstellungen an. Doch der Wahlkampf plätschert mit Nebensächlichkeiten dahin. Das grenzt an Volksverdummung – und hat System.

Die deutschen Rentenkassen stehen vor dem Kollaps. Bald schon müssen weniger als zwei Beitragszahler einen Pensionär finanzieren, der auch noch deutlich länger lebt und Altersgeld bezieht. Auch bei der Kranken- und Pflegeversicherung treibt die Überalterung die Kosten nach oben, wenn die Generation der Baby-Boomer den Arbeitsmarkt verlässt und die Lohnnebenkosten auf deutlich über 40 Prozent treibt. Doch das hindert die Parteien nicht, in ihren Wahlprogrammen weitere soziale Wohltaten zu versprechen. Markus Söder und seine CSU wollen sogar die ohnehin teure Mütterrente ausweiten. In dem Buch der grünen Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock, das vor allem wegen Plagiaten für Wirbel sorgt, wird die Rentenproblematik mit keinem Wort erwähnt, obwohl das Werk doch den Anspruch erhebt, nicht weniger als ein Erneuerungskonzept für das Land zu entwerfen.

Anstatt wirkliche Debatten über die großen Herausforderungen zu führen, werden Nebenkriegsschauplätze um Banalitäten eröffnet.

Das ist typisch für den Zustand der deutschen Politik: Anstatt ernsthafte Debatten über die großen Herausforderungen zu führen, werden Nebenkriegsschauplätze um Banalitäten eröffnet. Oder die Themen werden ideologisch überhöht, so wie jetzt nach der furchtbaren Unwetterkatastrophe, die eilfertig dem Klimawandel zugeschoben wird. Ehrlicher wäre es, über Versäumnisse bei Ausbau der Kanalsysteme, verfehlter Siedlungspolitik und notwendigen Regenrückhaltesystemen nachzudenken. Also über den tatsächlichen Schutz der Bevölkerung in gefährdeten Gebieten. Noch mehr Windräder, Solarplantagen und E-Mobile helfen ihnen jedenfalls nicht. So wenig wie ein „Wahlkampf in Gummistiefeln“, der nun als Ausdruck von politischer Tatkraft zur Schau getragen und von den Medien regelrecht eingefordert wird. Selbst wenn Deutschland den CO2-Ausstoß auf Null fährt, wird dies am Weltklima wenig ändern, jedoch erhebliche ökonomische Schäden und soziale Spannungen verursachen.

Nein, in Deutschland stürzen Politiker nicht über falsche Konzepte und Weichenstellungen. Auch nicht über durchsichtigen Aktionismus. Angekreidet werden ihnen mangelnder Katastrophen-Präsenz oder fehlende Fußnoten. Plagiatsjäger brachten Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) zu Fall, nicht seine verkorkste Bundeswehrreform. Familienministerin Franziska Giffey (SPD) kostete eine halbgare Doktorarbeit das Amt, nicht die Aufblähung des Sozialstaates. Nicht die argumentative Schwäche von Baerbock wird seziert, sondern inwieweit die Co-Vorsitzende der grünen Moralpartei ihre Vita frisiert oder hat abschreiben lassen.

Themen, über die gestritten werden müsste

Dabei gäbe es doch wirklich Wichtiges über das sich zu streiten lohnt. Wie viel Energiewende kann sich das Land leisten, ohne noch weiter an industrieller Kraft zu verlieren? Was schützt also wirklich gegen die Extreme von Wetter und Klima? Wie sicher ist die Stromversorgung, wenn im kommenden Jahr auch noch die letzten sieben Atommeiler stillgelegt werden, gleichzeitig aber der Stromhunger durch die Elektromobilität weiter wächst? Wie weit will man sich der Brüsseler Regelungswut unterwerfen und nationale Hoheitsrechte bis hin zur Verfügungsgewalt über das eigene Geld aufgeben? Wie lange will man der EZB die Entwertung der Sparvermögen und das Ignorieren der Inflation noch durchgehen lassen? Schlittert Deutschland in den Öko-Sozialismus, oder gibt es noch Kräfte, die Marktwirtschaft, Eigenverantwortung und Schutz des Eigentums mit mutigen Reformen verteidigen wollen? Und wieviel Migration will man der einheimischen Bevölkerung zumuten, derweil die Nachbarn auf den wieder ansteigenden Strom von Flüchtlingen zunehmend abweisend reagieren oder die vornehmlich jungen Männer aus Arabien und Afrika nach Deutschland weiterleiten?

Gerade der letzte Punkt wird regelrecht totgeschwiegen. Selbst nach brutalen Gewaltverbrechen wie zuletzt in Würzburg mit drei Toten und mehreren Verletzten wird schon binnen kurzer Zeit auf die „psychischen Probleme eines 26-jährigen Mannes“ abgehoben, um nur ja nicht auf die dunklen Seiten der Willkommenskultur eingehen zu müssen. Der deutsche TV-Nutzer erfuhr natürlich auch nicht, dass der holländische Kriminalreporter Peter de Vries offenbar von einem marokkanischen Kokainkartell niedergestreckt wurde, das sich in den Niederlanden durch eben jene laxe Drogenpolitik festsetzen konnte, wie sie auch den linken Parteien in Deutschland vorschwebt.

An Volksverdummung grenzen die Beteuerungen, „Wohnen erschwinglich zu machen“. Dabei ist der Staat der maßgebliche Preistreiber.

So geht es geradezu fort. An Volksverdummung grenzen die Beteuerungen, „Wohnen erschwinglich zu machen“. Dabei ist der Staat der maßgebliche Preistreiber. Bei einem Einfamilienhaus für 550 000 Euro fallen allein 105 000 Euro Umsatzsteuer an, rechnet der CDU-Wirtschaftsrat vor, der allerdings in der Partei kaum Gewicht hat. Die Einnahmen der Grunderwerbsteuer haben sich seit 2014 von zehn auf 17 Milliarden fast verdoppelt. Immer strengere Energieeinspargesetze und Baulandverknappung treiben die Preise in Höhen, die sich nur noch Hochverdiener oder reiche Erben leisten können. Doch anstatt hier anzusetzen, hantiert die politische Linke, zu der auch die Grünen gehören, lieber mit Mieten-Deckeln und Enteignungsforderungen. Dass die Deutschen weltweit auch die höchsten Strompreise bezahlen müssen, ist so wenig ein Wahlkampfthema wie die mittlerweile höchste Abgabenbelastung unter allen Industrieländern. Das gilt selbst für Familien, denen doch alle Parteien in ihren Programmen so viel Gutes tun wollen.

Die „German Angst“ geht um

Der „investigative Journalismus“, den sich nun auch ARD und ZDF auf die Fahnen geschrieben haben, geht diesen Widersprüchen nur selten auf den Grund. Dies ist nicht allein mit den Sommerferien oder der Corona-Krise zu erklären, die das Land in einen permanenten Angstzustand versetzt und die Bürger narkotisiert. In Deutschland finden „Experten“, die überall Risiken sehen, traditionell besonderes viel Gehör. Wobei die „German Angst“ mittlerweile zwischen guten und schlechten Ängsten unterscheidet. Eindringlich warnen darf man vor Klimawandel, Gentechnik, Kernenergie, Kapitalismus, Globalisierung, Nationalismus, Rassismus, Antisemitismus und natürlich Rechtsextremismus.

Groß ist die Angst, „den Rechten“ in die Hände zu spielen. Dann doch lieber ein Wohlfühlwahlkampf, der die wirklichen Herausforderungen unter den Teppich kehrt.

Wer hingegen die negativen Seiten der Migration oder den politischen Islam, die Kosten der Energiewende oder den „Gender-Wahn“, oder die Fehlentwicklungen von EU und einer selbstherrlichen Europäischen Zentralbank (EZB) thematisiert, befleißigt sich „böser Phobien“ und verbreitet angeblich Verschwörungstheorien. Denn groß ist die Angst, „den Rechten“ in die Hände zu spielen. Dann doch lieber ein Wohlfühlwahlkampf, der die wirklichen Herausforderungen unter den Teppich kehrt und jedem ein gutes Leben in Deutschland verheißt. Mit diesem Slogan war Kanzlerin Merkel schließlich bereits 2015 erfolgreich, was wiederum an Konrad Adenauers Erfolgsmotto „Keine Experimente“ erinnert. Jetzt soll diese unverbindliche Schlafwagen-Strategie Unions-Kandidat Armin Laschet ins Kanzleramt tragen. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass sich der Regierungschef in dem von der Unwetterkatastrophe besonders schwer getroffenen Nordrhein-Westfalen als Krisenmanager profilieren kann, zumal er mit seinem kurzen Anflug von rheinischer Frohnatur mitten im Notstandsgebiet den Vorwurf mangelnder Professionalität auf sich zog. Wieder wird eine Nebensächlichkeit zur Grossaffäre aufgebauscht, anstatt sich der Versäumnisse des Katastrophenschutzes anzunehmen.

Die von Merkel betriebene grün gewirkte Sozialdemokratisierung der Union erklärt, warum ein Hans-Georg Maaßen bereits eine Hysterie entfacht, wenn er die Links-Orientierung der ARD-Nachrichten anprangert. Schließlich kann es der ehemalige Chef des Verfassungsschutzes heute allenfalls zum CDU-Hinterbänkler aus Thüringen bringen. Er besitzt so gut wie keine Machtbasis. Doch bis weit in die Union hinein instrumentalisieren alle Parteien einen angeblich drohenden neuen Faschismus, um alle Streitpunkte, die als rechts verortet werden, in den politischen Giftschrank zu verbannen. Dabei entsteht ein breites Bündnis gegen die AfD, wie etwa der ehemalige Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) offen einräumt. Mit der Folge, dass ausgerechnet die rechts-konservative Alternative für Deutschland insgeheim den Nicht-Diskurs wichtiger Themen bestimmt. Denn wie es keine Nicht-Kommunikation gibt, so gibt es eben auch keine Nicht-Politik. Oder wie es Hans Magnus Enzensberger bereits 1962 formuliert hat: „Die Angst vor dem Beifall von der ‚falschen Seite‘ ist nicht nur überflüssig. Sie ist ein Charakteristikum totalitären Denkens.“

Geschädigte Debattenkultur – Brodeln unter der schweigenden Mitte

Wie sehr die Debattenkultur in Deutschland bereits Schaden nimmt, haben die Demoskopen von Allensbach kürzlich ermittelt: In allen Befragungen seit 1953 hätten nie so viele Bundesbürger zu Protokoll gegeben, dass sie sich heute nicht mehr trauten, offen ihre Meinung zu sagen. Nämlich beinahe jeder zweite. Zwei von drei Bundesbürgern ist auch die Gender-Verhunzung der Sprache zuwider, weil sie die politische Agenda dahinter sehr wohl erkennen, die auf eine Umdeutung des Bestehenden hinausläuft und linken Minderheiten zur Macht verhilft. Was Annalena Baerbock jedoch lediglich zu der herablassenden Reaktion veranlasst, dass „es hier noch viel zu tun gibt“, also noch viel umzuerziehen gilt. Von Mäßigung oder Verständnis keine Spur. Selbst CDU/CSU trauen sich nicht zum Widerspruch, um nur ja nicht als konservativ zu gelten.

Probleme werden nicht durch Ignorieren und Beschweigen gelöst, sondern auf diese Weise eher verschärft.

Wie sehr es unter der zunehmend schweigenden Mitte brodelt, verdeutlicht eine weitere Allensbach-Studie vom Juni dieses Jahres. Danach bereitet einer großen Mehrheit der Befragten der Islamismus große Sorgen. 45 Prozent sind gar der Ansicht, dass der Islam nicht zu Deutschland gehöre. Doch einzig die AfD greift das Thema auf und kann die Ängste damit leicht auf ihre trüben Mühlen lenken. Mit der Folge, dass der weitgehend isolierten Rechtspartei im Kampf gegen den radikalen Islam mit 43 Prozent die höchste Kompetenz zugesprochen wird. Die Union erreicht 21 Prozent. Dass alle anderen Parteien je unter zehn Prozent bleiben, nennt der Migrationsforscher Ruud Koopmans vom Wissenschaftszentrum Berlin (WZB) „ein Armutszeugnis“.

Also auch hier: Probleme werden nicht durch Ignorieren und Beschweigen gelöst, sondern auf diese Weise eher verschärft. Was, wenn die beschriebenen Gefahrenherde zu ernsthaften Spannungen führen? Will man dann die Hälfte der Bevölkerung zu Querdenkern erklären, auf die man den Verfassungsschutz ansetzt? Dann doch besser den wahren Feinden der Demokratie den Boden mit einer offenen Debattenkultur entziehen. Diese wird nicht von der Unterscheidung in gute oder böse Gesinnung bestimmt, sondern von Argumenten. Auch von solchen die stören, weil sie angeblich die „falsche Meinung“ vertreten. Doch von dieser Erkenntnis entfernt sich das politisch-mediale Deutschland zunehmend. Frei nach dem Motto: Es kann nicht sein, was nicht sein darf.

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