Eigentlich war es eine sensationelle Nachricht: Die Europäische Zentralbank (EZB) warnt in ihrem neuesten Finanzstabilitätsbericht vor den gefährlichen Folgen ihrer Geldpolitik. Das ist kein Witz, genau so wenig wie es ein Witz ist, dass die FED, die US-Notenbank, neuerdings besorgt ist über die zunehmende Inflation, die sie selbst mit ihrer Politik antreibt.
Im Lauf der letzten Jahre wurde das Phänomen in verschiedenen Beiträgen auf unserem Blog und in diversen Austrian Institute Papers von kundiger Seite eingehend analysiert: Die Niedrigzinspolitik hält unproduktive Firmen, sogenannte Zombies, künstlich am „Leben“, und zwar auf Kosten der Produktivität der Gesamtwirtschaft, und der Reallöhne. Die Beihilfen im Laufe der Pandemie haben nun, wie die EZB einräumt, diesen Effekt nochmals verstärkt, die Risiken sind unabsehbar. Die Gefahr besteht, dass sie durch Fortführung dieser Politik und eine weitere Zunahme der Staatsverschuldung und deren Monetarisierung ins Unermessliche steigen werden.
Denn es ist wie die Abhängigkeit von einer Droge. Solange sie wirkt und weiterhin verabreicht werden kann, fühlt man sich dabei recht wohl – zumindest jene fühlen sich wohl, die davon unmittelbar profitieren. Wer profitiert, sind nicht die Bedürftigsten oder der „Mann von der Straße“, sondern Kapitaleigentümer: Leichtsinnige, Risiken ausblendende Kasino-Investoren oder Leute mit großen Aktien- und Immobilienvermögen, die sich infolge der (künstlichen) Wertsteigerung ihrer Assets nun noch mehr verschulden können und sich über die hohen Renditen freuen. Sozial ist die daraus resultierende zunehmende Ungleichheit nicht – denn wirklich produktivitäts- und damit auch reallohnsteigernde Investitionen bleiben auf der Strecke. Irgendeinmal, wann genau kann niemand wissen, wird jedoch die Rechnung präsentiert werden.
Das Hochgefühl der Droge wird jedenfalls dann verschwinden, wenn deren Konsument daran stirbt, die Droge nicht mehr wirkt oder Entzug geboten ist, um noch Schlimmeres zu verhindern – zum Beispiel, weil die Inflation zurückkommt. Die Experten sind sich nicht darüber einig, wie groß die Gefahr ist, es ist schwierig, das Geflecht der kurzfristigen und längerfristigen Inflationstreiber zu entwirren und zu gewichten. Aber nur in den durch die Pandemie angeblich stark beschädigten Lieferketten und entsprechenden Engpässen das preistreibende Element zu sehen, greift sicher zu kurz.
Gefährlich an der anziehenden Inflation wird wohl nicht in erster Linie sein, dass die Konsumentenpreise ansteigen. Wohl aber, dass wegen eines sich zunehmend verstärkenden Nach-Corona Booms, der jetzt durch eine prozyklische Fiskalpolitik – die gigantischen, schuldenfinanzierten staatlichen Ausgabenprogramme in Zeiten des Aufschwungs – zusätzlich befeuert wird, die Preise von Rohstoffen und Produktionsgütern in die Höhe schnellen.
So haben es schon Ludwig von Mises und generell die „Österreicher“ beschrieben, und es scheint, dass sie wieder einmal recht bekommen werden: In einem durch Staatsinterventionen bzw. geldpolitisch getriebenen Boom werden – so Mises‘ gegenwärtig topaktuelles Beispiel – plötzlich Baumaterialien so teuer (in den USA gegenwärtig um das Sechsfache), dass Bauprojekte, die noch zu alten Preisen geplant wurden, sich nun als unrentabel erweisen und deshalb nicht mehr zu Ende geführt werden können. Es folgt der Absturz, genannt Rezession. Lässt man diese ihren Gang gehen, folgt eine schmerzhafte und politisch riskante Bereinigung. Versucht man sie zu verhindern, wird die Grundlage für die nächste, noch schlimmere Krise gelegt. Nur: Die Verschuldung der Staaten ist so hoch, dass ihnen wohl schlicht die Instrumente fehlen werden, um die berühmte „weiche Landung“ zu schaffen.
Wir freuen uns natürlich alle auf das Licht am Ende des Pandemie-Tunnels. Aber am Ausgang des Tunnels erwarten uns mit Sicherheit einige Überraschungen. Nur eines wird ebenso bestimmt keine Überraschung sein: Die Schuld wird wieder einmal der böse Kapitalismus tragen. Und die Notenbanken und Politiker, die alles zumindest mitverursacht haben – tragischerweise oft mit den besten Absichten –, werden erneut als die Retter herbeigerufen werden und damit den Boden für die nächste Krise bereiten. Leidtragende werden einmal mehr die Schwächsten der Gesellschaft sein.
Da möchte man den Notenbanken und den politisch Verantwortlichen am liebsten zurufen: Warum lässt Ihr uns nicht einfach in Ruhe?
* * *
Wie immer finden Sie weiter unten die Highlights auf unserem Blog. Themen sind: Das Karlsruher Klimaurteil oder wie man mit Klimapolitik Milliarden scheffelt. Das nicht sehr erhebende Fazit einer „Nachkontrolle“ der Europäischen Infrastruktur- und Technologiepolitik vor 1998, die zu einem unaufholbaren Rückstand Europas gegenüber den USA geführt hat. Sowie ein spannendes Interview über die Verführungskraft des Sozialismus und weshalb er mit Freiheit und Wohlstand unvereinbar ist.
In der Rubrik Austrian Essentials finden Sie zudem einen neuen Abschnitt aus Kapitel 3 (der Wertlehre) von Carl Mengers „Grundsätze der Nationalökonomie“.
Ebenso möchte ich erneut auf die Austrian Academy 2021 im September hinweisen. Seit dem 24. Mai kann man sich bewerben, die Bewerbungsfrist läuft bis zum 30. Juni. Falls Sie junge Leute zwischen 18 und 30 kennen, die daran interessiert sein könnten, weisen Sie diese doch bitte darauf hin – oder bewerben sie sich selbst!
Mit allen guten Wünschen und sehr herzlichen Grüßen
Ihr
Martin Rhonheimer
Präsident Austrian Institute
m.rhonheimer@austrian-institute.org
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