Europäische Infrastruktur- und Technologiepolitik: Fehlschläge, Pannen und leere Versprechen

Fehlschläge, Pannen, leere Versprechen – dies ergibt eine Nachkontrolle der staatlichen Infrastruktur- und Technologiepolitik der letzten Jahrzehnte. Oder eher, ohne den Staat schlecht zu machen, die Nachkontrolle der Politik der Politiker, die eben „keinen guten Staat“ machten mit ihrem Allmachtsdünkel und ihrer Wissensanmaßung.

Im Moment, da Europas und Amerikas Politiker schon wieder, und diesmal in Tausendmilliarden-Paketen, planen, was Technik und Infrastruktur künftig hergeben sollen, ist diese Nachkontrolle ernüchternd – und alarmierend.

Flexible Netzarchitektur in den USA – staatliche Monopolschutzwälle in Europa

Die Informations- und Kommunikationstechnik ist unbestreitbar die Dominante von Wirtschaft und Gesellschaft seit 40 Jahren, und genau hier verschuldeten Europas Regierungen ganz bewusst einen Rückstand von 16 Jahren, der nicht mehr aufzuholen ist.

Die konservative Regierung Präsident Reagans zerschlug 1982 den privaten Giganten AT&T, das Monopol des Telefons und der Kabelnetze in den USA. Ob der Eingriff wettbewerbspolitisch gerechtfertigt war, ist unter Wirtschaftsliberalen umstritten. Fakt ist jedoch: Im Anschluss daran wurde die „Netzarchitektur“ erfunden, die seither auch Schiene, Strom, Gas bestimmt. Die physischen, regionalen Telefonnetze wurden an sieben Nachfolgegesellschaften vergeben (die „Baby-Bells“). AT&T selbst wurde zur Betreiberin auf den Netzen, im Wettbewerb mit andern. Sie stieg, wie andere, auch in den Mobil-Telefondienst ein. Eine Welle von Ein- und Ausgliederungen in allen Kommunikationsdiensten folgte, der Sektor zeigte eine enorme Vitalität und Kreativität, erzeugte dann auch Gewinne und moderne Arbeitsplätze.

Europas gehätschelte Volkswirtschaften haben nichts Vergleichbares hervorgebracht. Doch die Politiker wollen nun diese US-Firmen regulieren, kontrollieren, besteuern.

In Europa aber versteiften sich die Postmonopole, die auch die Telefonie betrieben, hinter ihren Schutzwällen und kassierten die enormen Gewinne. Die Tarife waren zu einem Teil reine Steuern für die Staatskassen, was Politiker immer schätzen: keine Rechenschaftspflicht gegenüber dem Publikum. Unbegreiflich – die Staaten, koordiniert und gebremst durch die EG (heute EU) hielten die Reform zurück. Erst auf den 1.1. 1998 öffneten sich in Europa die Telekom-Märkte. Erst dann begann auch die Mobil-Telefonie für die breite Öffentlichkeit.

Nicht mehr aufzuholender Vorsprung der USA

In den USA aber hatte die Liberalisierung nach 1982 die private Innovationswelle losgetreten, welche die großen Netz- und Telekommunikationsfirmen schuf, die heute Europas Politikern Angst machen und Ärger bereiten. 16 lange Jahre Vorsprung hatten die findigen Amerikaner. Es entstanden Verizon, die neue AT&T und Sprint 1983, dann 1985 Qualcomm als Lieferant der Chips für die Telecoms, Voice Stream, Netscape 1994, dann 1998 Google und alle andern – in privater Initiative.

Hinzu kamen, nicht im engeren Telecom-Bereich, die Technikwunder aus den Garagen der Youngster, oft Studienabbrecher, wie Microsoft, Apple, Hewlett-Packard, Facebook. Europas gehätschelte Volkswirtschaften haben nichts Vergleichbares hervorgebracht. Doch die Politiker wollen nun diese US-Firmen regulieren, kontrollieren, besteuern. Die EU selbst trat reichlich spät gegen Google mit dem Projekt „Quaero“ (lat. „Ich frage“) an, eine politisch gewollte Suchmaschine, die nach 400 Millionen in den Sand gesetzten Euros verstummte. Der Name musste natürlich klassisch-lateinisch sein, man hat ja Kultur. Im Moment fördert die EU hintendrein eine „Cloud“, nachdem solches schon ein Milliardengeschäft wurde bei Amazon, Microsoft und vielen andern US-Giganten. Vielleicht kommt sie dafür auf den Namen „Nephele“, das klassisch-griechische Wort für „Wolke“– „Cloud“.„“.

Grundsätzlich übten die Angelsachsen, USA wie England, seit langem die Netzarchitektur ein – die physischen Netze, also Schiene, Drähte, Röhren gehören einer Gesellschaft (und es muss nicht der Staat sein), und auf diesen Netzen liefern sich die Betreiber mit ihren Diensten und Produkten Wettbewerb.

Europäische Inkompetenz auf Soziologenchinesisch

Das setzt analytisches Denken voraus, man erkannte die materielle Grundlage und die Funktionen darauf. Längstens bekannt war in den USA auch die „positive Externalität“ der Netze: wer sie betreibt, und wer sich als Nutzer einklinkt, gewinnt immer mehr als er einschießt. Die Netzfirma Google hat zwar Aufwand für ihre Programme und Angestellten gemacht, jedoch kostet jeder neue Nutzer sie gar nichts – das Geschäft ist skalierbar ohne Kosten. Und jeder Nutzer, der sich neu einklinkt, hat zwei Milliarden bisherige Nutzer und Beitragende zur Verfügung, kostenlos.

Man glaubt es kaum – noch 2001 veröffentlichte der Kommunikationsprofessor Manfred Fassler sein Buch für Studenten „Netzwerke. Einführung in die Netzstrukturen, Netzkulturen“ (UTB) ohne den leisesten Gedanken an Externalitäten, also an die Triebfeder der Netze, zu verschwenden. Dafür erhob er viele warnende Zeigefinger im Soziologie-Chinesisch deutscher Wissenschaftler. Und Fassler war Mitglied im „Sprecherrat für Medien- und Kommunikationssoziologie der deutschen Gesellschaft für Soziologie“, also im obersten Gehirntrichter des Landes zum Thema.

Nicht besser waren die europäischen Gewerkschaften. Sie warnten seit Anfang der 80er Jahre vor den neuen Techniken. Höchstens zwei Stunden solle man vor dem Bildschirm sitzen. Millionenheere von Arbeitenden würden entlassen. In diesem Klima des „Denkens“ war ein Aufholen der Informations- und Kommunikationsrevolution der Amerikaner unmöglich. Sechzehn unaufholbare Jahre eben.

Europa: Steuermilliarden für Technologien der Vergangenheit

Hingegen trafen die europäischen Politiker gleichzeitig mit den liberalisierten, privaten Telecom-Märkten der USA ihre eigene, uninformierte Technologiewahl: Frankreich verstaatlichte die Stahlindustrie, Autoindustrie, forcierte die Atomenergie, Deutschland begünstigte die Steinkohle, Italien füllte die Milliardenlöcher seiner Stahl-, Rüstungs- und Flugindustrie mit Subventionen, auch Belgien fand Stahl und Minen förderungs- und subventionswürdig, zu Milliarden. Österreich versenkte seine Industriemilliarden in Voestalpine, die Schweiz in ihrer kleinräumigen Landwirtschaft, als geschützten Werkstätten. Überall Milliarden der Gegenwart für Technologien der Vergangenheit.

Europäische Politiker verpassten alle, und jahrzehntelang, den Haupttrend der Wirtschaft nach 1980 und zementierten den Status quo.

Im Rückblick kann man fast nur bitter lachen: Europäische Politiker verpassten alle, und dies jahrzehntelang, den Haupttrend der Wirtschaft nach 1980 und zementierten den Status quo. Dies wiegt umso schwerer, als das Vorbild des Wandels vor aller Augen in den USA lag, florierte, innovierte. Doch europäische Politiker sehen den Staat, genauer: ihre Ausgabenpakete, als Garantie für bestehende Arbeitsplätze. Dass es immer wieder neue Arbeitsplätze braucht, und nur private Firmen diese technisch schaffen, entgeht ihrem Weltbild.

Hin und wieder laufen die Milliardenprogramme buchstäblich ins Leere. Der famose „Juncker-Plan“ der EU 2015 versprach um die 500 Milliarden Euro für gigantische Infrastrukturen. Der EU-Rechnungshof kam jetzt zum Schluss, dass vieles gar nicht abgerufen und ausgegeben wurde, dass viele Projekte sowieso bezahlt worden wären („Mitnahme-Effekte“). Wenn wir richtig zählen, sind benennbar um die 125 Milliarden geflossen. Italien hat vom ersten Covid-Paket von 80 Milliarden gerade mal 6,7% ausgegeben, mehr hat die Bürokratie nicht geschafft, sagte Premier Draghi kürzlich. Leere Versprechen, leeres Imponiergehabe der Politiker.

Ineffiziente und freiheitsfeindliche Energiepolitik

Heute wird Energiepolitik mit der großen Kelle angerichtet. Die EU will Hunderte von Milliarden aufwerfen, Biden ähnliche Summen. Die Politiker wissen, wie damals beim Atom, genau, was frommt, Wasserstoff beispielsweise. Gleichzeitig machen sie Energiepolitik mit Klima-Zertifikaten gegen die fossilen Stoffe.

Doch die Zertifikate sind zu billig, würden man sie richtig einpreisen, und den Ertrag den Bürgern pro Kopf rückerstatten, wäre der Sparanreiz beim Öl da, ohne neue Milliardenausgaben, und ohne wachsenden Staatsanteil am Sozialprodukt. Der eine Hausbesitzer würde Holzschnitzel verfeuern, andere sehr sparsam Diesel, andere nach Geothermie graben, andere Wasserstoff wählen, alle würden isolieren. Doch die fiebrigen Finger der Politiker ziehen überall die Strippen, häufen Kosten an und verhindern die private Technologiewahl.

Schlusssatz: Sie lasen hier keine liberale Suada, sondern harte Fakten.

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