EU-Taxonomie: Der Weg in eine grüne Planwirtschaft

Die Europäische Union plant mit ihrer sogenannten Taxonomie eine Wirtschaftsstruktur, deren einschneidende Folgen für die Produktivität und den Wohlstand erst allmählich sichtbar werden. Die EU-Taxonomie ist ein Klassifizierungssystem, das eine Liste umweltverträglicher Wirtschaftstätigkeiten erstellt. Sie ist Teil des „Green Deal“ der EU, der Umweltziele wie die Bekämpfung des Klimawandels, die Reduktion der Umweltverschmutzung und den Schutz der Biodiversität erreichen will. Sie ist Grundlage für zahlreiche Verordnungen, die ein nachhaltiges Wirtschaften forcieren sollen. Da der Finanzierungsbedarf hoch sei, sollen nicht nur öffentliche Gelder, sondern auch privates Kapital mobilisiert werden.

Die Wahrscheinlichkeit von Fehlinvestitionen steigt, wenn nicht mehr profitorientierte Banken, sondern eine wuchernde EU-Bürokratie über Berichtspflichten und Finanzierungen entscheidet. Fallende Produktivität und steigende Preise dürften die Folge sein.

Mit der „Richtlinie zur Unternehmens-Nachhaltigkeitsberichter-stattung sollen ab dem 1. Januar 2024 (zunächst) rund 49 000 große und mittlere Unternehmen über die Auswirkungen des eigenen Geschäftsbetriebs auf Mensch und Umwelt sowie über die Auswirkungen von Nachhaltigkeitsaspekten auf die Unternehmen berichten müssen. Die Europäische Kommission lässt dafür gerade von der European Financial Reporting Advisory Group detaillierte Regeln entwickeln. Die anvisierten „European Sustainability Reporting Standards“ umfassen derzeit 1144 Angabepflichten innerhalb von 84 Berichtsanforderungen.

Ebenso sollen ab dem Jahr 2024 die Banken ihre Kredite nach Umwelt- und Klimakriterien klassifizieren sowie den Anteil der Taxonomie-konformen Bilanzpositionen offenlegen (Green Asset Ratio). Die Taxonomie soll perspektivisch auch auf Kredite für mittlere und kleine Unternehmen ausgeweitet werden, die bis anhin nicht zur Nachhaltigkeitsberichterstattung verpflichtet sind. Für die „Banking Book Alignment Ratio“ können die Banken Informationen von den Unternehmen direkt einholen bzw. – wenn das nicht möglich ist – schätzen.

Ein für Lobbyismus anfälliges Modell der Kapitalallokation

Die Taxonomie verändert damit das Modell der Kapitalallokation in der EU. Traditionell haben (oft kleine und mittlere) Banken in Deutschland die Einlagen der Haushalte als Kredite an die (kleinen und mittleren) Unternehmen in der Region vergeben. Sie hielten dazu enge Beziehungen zu den Unternehmen, um die erwarteten Renditen von Investitionen und Ausfallrisiken von Krediten gut einschätzen zu können. Da die Deutsche Bundesbank den Zins hoch hielt, um die Inflation unter Kontrolle zu halten, wurden nur Investitionsprojekte mit relativ hoher erwarteter Rendite finanziert.

Das stellte hohe Produktivitätsgewinne und Wachstum sicher. Mit der Taxonomie sollen die Ersparnisse nun in Bereiche gelenkt werden, die von der Europäischen Kommission als nachhaltig klassifiziert werden. Dabei zeichnet sich eine enge Kooperation mit der Europäischen Zentralbank (EZB) ab, die nicht nur angekündigt hat, die von ihr gehaltenen Unternehmensanleihen zu „dekarbonisieren“, sondern auch mit den großen Banken einen ersten „Klimastresstest“ gemacht hat.

Darüber hinaus ist eine grüne Kreditvergabe nach dem Muster der sogenannten gezielten längerfristigen Refinanzierungsgeschäfte denkbar, die die EZB im Verlauf der Corona-Krise gemacht hat. Die EZB-Kredite hatten negative Zinsen von minus 1 Prozent, wenn sich die Banken verpflichteten, diese an Unternehmen weiterzureichen. In Zukunft könnte es negativ verzinste Kredite von der EZB geben, wenn die Kreditvergabe Taxonomie-konform ist.

Da über die Kriterien politisch entschieden werden muss, ist die Taxonomie anfällig für Lobbyismus. So wurde der Atomenergie und dem Gas die Umweltfreundlichkeit attestiert, obwohl das umstritten war. Unter dem Eindruck des Ukraine-Kriegs wird diskutiert, ob Rüstungsunternehmen als „sozial nachhaltig“ gelten sollen. Hinzu kommen immense Berichtspflichten für Unternehmen und Banken, die extern nach Standards der Europäischen Kommission geprüft werden sollen.

Wuchernde Bürokratie und steigende Gefahr von Fehlinvestitionen

Schließlich dürften die Renditen der finanzierten Investitionen abnehmen, da für Finanzierungsentscheidungen nun andere Kriterien in den Vordergrund rücken. Es werden bereits Forderungen nach einer Sozial-Taxonomie laut, die soziale Kriterien bei der Kreditvergabe vorgibt. Die Wahrscheinlichkeit von Fehlinvestitionen steigt, wenn nicht mehr profitorientierte Banken, sondern eine wuchernde EU-Bürokratie über Berichtspflichten und Finanzierungen entscheidet. Fallende Produktivität und steigende Preise dürften die Folge sein. Der Wohlstand in der EU droht einer grünen Planwirtschaft zum Opfer zu fallen, ohne dass der Umwelt und dem Klima geholfen ist.

Für die Nachbarländer der EU wie die Schweiz und Großbritannien sind sowohl negative als auch positive Effekte zu erwarten. Da die EU ein wichtiger Wirtschaftspartner ist, dürften bei geringem oder sogar negativem Wachstum in der EU die Exporte der Schweiz und Großbritanniens abnehmen. Andererseits könnten die Schweiz und Großbritannien von Kapitalzuflüssen und der Zuwanderung von Talenten aus der EU profitieren, wenn es ihnen gelingt, den Verlockungen der grünen Planwirtschaft zu widerstehen und die Kapitalallokation freier zu halten. Die Briten haben mit dem Brexit die Taxonomie vermieden und scheinen sich mit der angestrebten Liberalisierung ihres Kapitalmarktes schon darauf vorzubereiten.

 

Vom Auor geringfügig überarbeitete Fassung eines Artikels, der zuerst in der NZZ vom 22.02.2023 unter dem Titel „Auf dem Weg in eine grüne Planwirtschaft“ erschienen ist. Auch online auf NZZ.CH.  

Weiterführende Literatur:

Schnabl, Gunther. „EU Taxonomy and ECB Monetary Policy: Moving Towards Centrally-Directed Green Capital Allocation?“ The Economists’ Voice, vol. 19, no. 2, 2022, pp. 255-261. https://doi.org/10.1515/ev-2022-0030

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