Webinar: „Nach dem Corona-Schock: Wie der Interventionismus die Wirtschaftspolitik infiziert“

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Die Covid-19-Krise hat bereits deutliche Spuren in der Wirtschaft hinterlassen, wenn auch ganz andere, als die Weltfinanzkrise von 2007. Das unterstrich Stefan Kooths, Leiter des Prognosezentrums im Institut für Weltwirtschaft (IfW) in Kiel, zu Beginn des vom Austrian Institute am 23. November organisierten Webinars „Nach dem Corona-Schock: Wie der Interventionismus die Wirtschaftspolitik infiziert“. Mehr als 50 Personen aus verschiedenen Ländern wohnten der von Stefan Beig moderierte Veranstaltung via Internet bei.

Bei Konjunkturkrisen sind normalerweise die konsumnahen Dienstleistungen das „träge“ und damit „konjunkturstützende“ Element, das von dem generellen Abwärtstrend nicht im selben Ausmaß erfasst werden, erklärte Kooths zu Beginn. Diesmal ist es umgekehrt: Die konsumnahen Bereiche sind besonders stark eingestürzt und tun sich momentan mit der Erholung schwerer als die Industrie. Das sehe man etwa am Tourismus. Doch das ist nicht der einzige Unterschied zu den Krisenjahren 2007/08.

Die Weltfinanzkrise hat die Wirtschaft generell „in einer ausgeprägten Boomphase“ erwischt. Mit der Krise setzte damals ein Abbau der vorangegangenen Überauslastung ein, was gesamtwirtschaftlich und stabilisierungspolitisch gesehen auch wünschenswert sei. Anders heute: Die deutsche Wirtschaft und mit ihr große Teile der europäischen Wirtschaft befanden sich im Frühjahr 2020, zu Beginn der Corona-Krise, in der Nähe der Normalauslastung. Deutschlands Industrie steckte sogar bereits in einer Rezession. Die Ausgangssituation war somit eine andere. Der danach einsetzende Rückgang von wirtschaftlicher Aktivität hat daher keine Überauslastung ausgemerzt wie im Zuge der Finanzkrise, sondern vielmehr die ökonomische Aktivität in die Unterauslastung gedrückt. „Das macht den Einbruch in die wirtschaftliche Aktivität noch gravierender.“

Weltweit geht mittelfristig ein Jahr weltwirtschaftlichen Wachstums verloren.

Doch Kooths überbrachte auch eine gute Nachricht: Das Vor-Krisen-Niveau werde man schneller wieder erreichen, als nach der weltweiten Finanzkrise. Der Grund: Der Finanzkrise ging eine mehrjährige Phase massiver Verzerrung der gesamtwirtschaftlichen Produktionsstrukturen voraus. Diese Übertreibungen zu korrigieren „dauert normalerweise wesentlich länger, als eine Unterbrechung von ökonomischer Aktivität, die im Großen und Ganzen marktgerecht ist.“ Tourismus, Gastronomie und Verkehr werden sich voraussichtlich rasch erholen, wie Kooths prognostizierte. Doch klein reden wollte er die Folgen der Krise auch nicht. Die fortgesetzte Aufwärtsbewegung, die ohne Corona stattgefunden hätte, bleibt aus. Deutschland verliert in diesem und im kommenden Jahr eine Wirtschaftsleistung von 300 Milliarden Euro. „Weltweit geht mittelfristig ein Jahr weltwirtschaftlichen Wachstums verloren. Das ist sehr schmerzhaft.“ Keinesfalls werde man daher „gestärkt“ aus der Krise hervorgehen, wie manche zurzeit versichern.

In noch anderer Hinsicht erwarten Europa trübe Aussichten: Die 2020er Jahre werden „das“ Jahrzehnt sein, in dem der demographischer Wandel auch volkswirtschaftlich spürbar wird. Erstmals werde die  Alterung zu deutlich weniger Erwerbsbeteiligung führen, weshalb sich das Produktionspotenziel im Sinkflug befinden werde. „Der Kuchen, den es zu verteilen gibt, wächst in den kommenden Jahren deutlich langsamer. Verteilungskonflikte im Laufe dieses Jahrzehnts werden deutlich zunehmen.“ Nun werde sich rächen, dass Wirtschafts- und Sozialpolitik über einen so langen Zeitraum die Augen vor dieser Entwicklung verschlossen haben.

Problematische Rückkehr des Protektionismus und Merkantilismus

Weder sonderlich erstaunlich noch grundsätzlich kritikwürdig seien die Rekorddefizite der Staatshaushalte, denn Staaten müssten ja gerade in solchen Krisenzeiten eine stabilisierende Funktion übernehmen. Allerdings würden die Defizite bis 2022 deutlich überschreiten, was stabilisierungspolitisch eigentlich geboten sei. Den Grund dafür sieht Kooths in industriepolitischen Eingriffen, mit denen er in der letzten Phase seines Vortrags hart ins Gericht ging. Die Vermengung von Industriepolitik mit Stabilisierungspolitik sei grundfalsch, und ebenso die protektionistischen Eingriffe in die europäische Industrie, die damit einhergingen. Der wieder aufflackernde Protektionismus verstecke sich hinter neuen Vokabeln wie „ökonomischer Souveränität“.

Zunächst wies Kooths auf die massiven Außenhandelsvorteile für Länder wie Deutschland und Österreich hin, ohne die diese Staaten ihren derzeitigen Wohlstand beeinträchtigen würden. Der Offenheitsgrad einer Wirtschaft habe keine Rolle für die Betroffenheit von der Pandemie gespielt, wie manche behaupten. Länder, die eng in die Weltwirtschaft integriert sind, schnitten nicht schlechter ab, als die weniger stark integriert. Mehr noch: Die gesamtgesellschaftliche Volatilität sinke mit der stärkeren Integration eines Landes in die Weltwirtschaft: „Nicht die Abschottung, sondern eine diversifizierte Integration in die Weltwirtschaft ist eine  Produktionsausfallversicherung auf gesamtwirtschaftlicher Ebene.“ So könnten dann Lieferengpässe aus einer Region durch Lieferungen aus anderen Regionen ausgeglichen werden.

Daher sei es unvernünftig, die Pandemie zum Anlass zu nehmen, um die weltwirtschaftliche Integration eines Landes zurückzuschrauben, wie es mit staatlichen Subventionen zurzeit geschieht. Für diese falsche Politik treten einige prominente Politiker zurzeit ein, wie EU-Ratspräsident Charles Michel, der erklärte: „Wir dürfen nicht naiv sein, und müssen die zentralen Produkte, die wir für die Gesundheit, aber auch für die Industrieproduktion brauchen, wieder in Europa produzieren.“ Und: „Wir müssen unsere Industrie neu aufstellen, unabhängiger werden, keine Protektionismus, aber mehr Produktion in Europa.“ Doch genau das ist nichts anderes als Protektionismus, wie Kooths unterstrich. So werden nun beispielsweise in Frankreich Gelder des sogenannten EU-Wiederaufbauprogramms für Subventionen an jene Unternehmen ausgegeben, die Lieferketten aus der übrigen Welt hinter die französischen Staatsgrenzen zurückziehen wollen. „Das ist der völlig falsche Weg.“

In der Folge beantwortete Kooths noch die zahlreichen Fragen der Webinar-Teilnehmer. Dabei bestritt er unter anderem den Mythos, wonach die Reichen generell von der Krise profitiert hätten, befasste sich mit den Gefährdungen für die deutsche Autoindustrie und stellte alternative wirtschaftspolitische Maßnahmen vor.

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