Sämtliche von Gewerkschaften durchgesetzte Praktiken zielen auf die Beschaffung von mehr Arbeitsplätzen, bewirken aber das Gegenteil. Das gilt nicht nur für Forderungen nach beschränktem Einsatz von Maschinen, mit der Absicht den Arbeitsprozess zu verkomplizieren (siehe Kapitel 6), sondern auch für Maßnahmen zur besseren Verteilung der bestehenden Arbeit, frei nach dem Motto: „Und wenn wir schon nicht einen umständlicheren Weg für die Arbeit finden können, so meint man, sollten wir doch wenigstens über Verfahren nachdenken, wie sie am besten auf möglichst viele Köpfe verteilt werden kann.“
Beispiele hierfür sind etwa eine strenge Aufteilung der Arbeitsbereiche zwischen verschiedenen Berufsgruppen oder die Forderung nach zusätzlicher Beschränkung der Wochenstunden per Gesetz. Beides – streng reglementierte Arbeitsbereiche und weniger Wochenstunden – soll die bestehende Arbeit auf noch mehr Menschen verteilen. Zahlreiche Gewerkschafter sehen darin wirksame Instrumente um Arbeitsplätze zu schaffen. Doch solche Praktiken basieren auf den gleichen Trugschlüssen, wie der Kampf gegen Maschinen:
Erstens stützt man sich dabei auf den Glauben, „dass die weltweit verfügbare Arbeit vom Umfang her begrenzt ist.“
Zweitens denkt man nur an bestimmte Personengruppen, die durch solche Praktiken Arbeitsplätze erhalten, nicht aber an die Auswirkungen auf die gesamte Volkswirtschaft.
Auswüchse des Bereichsdenkens
„Zwischen den Gewerkschaften werden erbitterte Zuständigkeitsfehden ausgetragen darüber, wem das ausschließliche Recht zusteht, bestimmte Arten von Arbeit im Grenzbereich zu anderen Tätigkeiten auszuüben.“ Beispiele gibt es zuhauf.
So legte etwa ein Gremium der nationalen Eisenbahngesellschaft fest, welche Tätigkeit von welcher Angestelltengruppe ausgeführt werden muss. Selbst das Führen eines Telefongesprächs oder das Lösen einer Weiche war von diesen Regelungen betroffen. „Falls ein Angestellter einer anderen Gruppe im Verlauf seiner regulären Beschäftigung solche Arbeiten vornimmt, muss diese Angestellte einen Tageslohn extra dafür bekommen. Und gleichzeitig müssen die beurlaubten oder nicht beschäftigten Mitglieder der Gruppe, denen es zusteht, diese Arbeit durchzuführen, einen vollen Tageslohn bezahlt bekommen, weil sie nicht aufgefordert worden sind, die Arbeit auszuführen.“
Die Arbeit ist von der Menge her unbegrenzt, solange noch Bedürfnisse und Wünsche der Menschen unerfüllt bleiben, die man durch Arbeit befriedigen kann.
Besonders verschrien für das Bereichsdenken ist in den USA das Baugewerbe in den Großstädten:
„Maurer dürfen keinen Kamin hochziehen; das ist ausschließlich Sache der Steinmetze. Der Elektriker darf kein Brett herausreißen, um einen Anschluss zu legen, und das Brett dann wieder einsetzen; das muss der Zimmermann machen, egal wie einfach das ist. Der Klempner baut keine Fließe aus oder ein, wenn er eine defekte Dusche zu reparieren hat; dafür ist der Fliesenleger da.“
Arbeit wird zulasten anderer umgeleitet
Unter sehr spezifischen Bedingungen profitieren einige wenige von dieser „übergenauen und willkürlichen Aufteilung der Arbeit“, allerdings auf Kosten aller Anderen. Denn „dank“ dieser Arbeitsaufteilung steigen die Produktionskosten, sinken aber Arbeitsleistung und Produktion. Wer zum Beispiel zwei statt eine Person für eine Reparatur im Badezimmer bezahlen muss, der verschafft zwar einer zusätzlichen Person Reparaturarbeit, hat nun jedoch, da ihn die Reparatur doppelt so teuer gekommen ist, im gleichen Umfang weniger Geld für andere Ausgaben übrig. Den Pullover, den er sich kaufen wollte, kann er sich nicht mehr leisten. Somit hat die Politik – wieder einmal – in Summe nicht mehr Arbeit geschaffen, sondern nur Arbeit von der Person, die Pullover herstellt, zu einem Fliesenleger, der gar nicht gebraucht wird, umgeleitet.
Leidtragender ist aber nicht nur der Hersteller von Pullovern, sondern auch der Eigentümer des Badezimmers, denn er hat nun anstellte eines reparierten Badezimmers und eines neuen Pullovers nur mehr ein repariertes Badezimmer, aber keinen neuen Pullover. „Und wenn wir den Pullover als Teil des Volkseinkommens betrachten, hat das Land einen Pullover weniger.“
Forderungen nach Arbeitszeitverkürzung per Gesetz
Besonders häufig wird zwecks besserer Verteilung von Arbeit eine gesetzliche Kürzung der wöchentlichen Arbeitszeit gefordert. „Die Überzeugung, dass dies ‚die Arbeit verteilen‘ und ‚mehr Arbeitsplätze schaffen‘ würde, stand als einer der Hauptgründe hinter den Strafbestimmungen für Überstunden bei der gesetzlichen Regelung der Arbeitszeit in den Vereinigten Staaten.“
So gründete der gesetzliche 50-prozentige Überstunden-Zuschlag bei Überschreiten der 40-stündigen Wochenarbeitszeit nicht in erster Linie auf der Sorge um die Gesundheit oder Leistungsfähigkeit der Arbeitskräfte, sondern einerseits auf der Hoffnung, so den Wochenlohn der Arbeiter zu erhöhen, andererseits in dem Verlangen, den Arbeitgeber zur Einstellung von noch mehr Arbeitern zu zwingen. Immer wieder verlangt die Gewerkschaft auch eine 30-Stunden- bzw. Vier-Tage-Woche.
Die Folgen solcher Maßnahmen werden anhand von zwei Fällen deutlich: Im ersten wird bei unverändertem Stundenlohn die Wochenarbeitszeit von 40 auf 30 Stunden gesenkt, im zweiten wird die Wochenarbeitszeit ebenfalls auf 30 Stunden reduziert, allerdings der Stundenlohn so weit angehoben, dass der Arbeiter den gleichen Wochenlohn erhält wie bisher.
Weniger Wochenstunden bei gleichem Stundenlohn heben weder Lohnaufkommen noch Kaufkraft
Falls gerade hohe Arbeitslosigkeit besteht, werden durch Reduktion der Arbeitszeit um zehn Stunden bei gleichzeitiger Beibehaltung des Stundenlohns tatsächlich zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen, sodass einzelne Personen profitieren. Dass aber das bisherige Niveau des gesamten Lohnaufkommens und der Gesamtarbeitszeit aufrechterhalten wird, ist äußerst unwahrscheinlich. Es müssten hierfür mehrere Bedingungen gleichzeitig erfüllt sein, damit in allen Branchen exakt so viele zusätzliche Arbeitsplätze wie nötig geschaffen werden. Es müsste die erforderliche Anzahl zusätzlicher Arbeitskräfte mit den jeweils gewünschten Fähigkeiten zur Verfügung stehen, in allen Branchen müsste der gleiche Prozentsatz an Arbeitslosigkeit bestehen und alle neu eingestellten Arbeitskräfte müssten ihre Aufgabe genauso gut verrichten wie die bereits Beschäftigten. Auch dürften die neuen Arbeitskräfte die Produktionskosten nicht steigern.
Doch selbst wenn dem so wäre, würden das gesamte Lohnaufkommen und die Kaufkraft bestenfalls gleichbleiben, keinesfalls aber zunehmen. Auch die Produktion könnte höchstwahrscheinlich kaum in relevantem Umfang ausgeweitet werden. Das Ergebnis wäre daher unter den günstigsten und gleichzeitig extrem unwahrscheinlichen Voraussetzungen, „dass die bisher schon Beschäftigten die bisher noch nicht Beschäftigten subventionieren“, indem sie für ein Weniger an Arbeitszeit auch einen geringeren Lohn erhalten, wodurch die neuen, ebenfalls reduzierten Gehälter finanziert werden. „Die Arbeiter hätten diese Entscheidung wahrscheinlich nicht aus eigenem Antrieb getroffen. Es ist ein Opfer, damit andere einen Arbeitsplatz bekommen.“
Bei erhöhtem Stundenlohn steigen Produktionskosten und Arbeitslosigkeit, das Angebot sinkt
Da das die Gewerkschaftsführer in der Regel wissen, fordern sie darüber hinaus auch eine Erhöhung des Stundenlohns, der die Reduktion der Wochenarbeitszeit ausgleichen soll. Beispiel: Bei einem Stundenlohn von 12 US-Dollar verdient der Arbeiter mit 40 Stunden Arbeit 480 Dollar. Damit er auch bei 30 Wochenstunden diesen Betrag erhält, muss der Stundenlohn um ein Drittel – also 4 Dollar – auf 16 Dollar erhöht werden.
Ergebnis: Die Produktionskosten steigen. Sofern die Arbeiter schon bisher so hohe Löhne erhielten, wie das Niveau der Produktionskosten, Preise und Gewinne zuließ, werden bisherige Preise, Kosten und Produktion auch nicht die 33-prozentige Lohnerhöhung auffangen können. „Die Folge der höheren Löhne ist daher eine weit größere Arbeitslosigkeit als vorher. Die am unproduktivsten arbeitenden Betriebe werden aus dem Markt gedrängt, und die unrentabelsten Beschäftigten verlieren ihren Arbeitsplatz. Die Produktion wird in voller Breite eingeschränkt.“
Das hat auch Folgen für die Konsumenten: Höhere Produktionskosten für weniger Arbeitskräfte plus Verdrängung weiterer Betriebe senken das Angebot.
Bei inflationärer Geldpolitik bleiben die Reallöhne letztlich unverändert
Das wirkt sich auf die Preise aus: Bei geringerem Angebot und höheren Produktionskosten steigen die Preise. Aufgrund der erhöhten Arbeitslosigkeit sinkt allerdings wieder die Nachfrage und mit ihr tendenziell auch wieder die Preise. „Wie sich die Warenpreise letztlich entwickeln, hängt davon ab, welche Geldpolitik verfolgt wird.“
Wenn die Politik darauf abzielt, dass die überhöhten Gehälter bezahlbar bleiben und dass die Preise steigen, wird sie eine inflationäre Geldpolitik verfolgen und die Kaufkraft des Geldes senken. Doch das erweist sich „als Irrweg. Denn das senkt die Reallöhne, deren Kaufkraft real auf den alten Stand zurückgeht. Das Ergebnis wäre dann das gleiche wie bei einer verringerten Wochenarbeitszeit ohne Erhöhung der Stundenlöhne. Und welche Folgen sich daraus ergeben, haben wir bereits erörtert.“
„Arbeit ist von der Menge her unbegrenzt“
Solche Arbeitsverteilungspläne unterliegen der immer gleichen Illusion: Sie richten den Blick nur auf eine bestimmte Personengruppe, die – freilich nur unter sehr spezifischen Umständen – dank dieser Maßnahme Arbeitsplätze erhält. „Die Auswirkungen auf die Gesamtheit werden nicht gesehen.“
Auf dem zweiten Irrtum basiert wie gesagt schon der Kampf gegen Maschinen: Es ist der Glaube, Arbeit sei nur in begrenzter Menge vorhanden. „Die Arbeit ist von der Menge her unbegrenzt, solange noch Bedürfnisse und Wünsche der Menschen unerfüllt bleiben, die man durch Arbeit befriedigen kann. In einer modernen Tauschwirtschaft wird dann am meisten Arbeit geleistet, wenn Preise, Kosten und Löhne in einem optimalen Verhältnis zueinander stehen.“
Die hier gebotene, exklusiv für die AUSTRIAN ESSENTIALS erstellte Kurzfassung von „Die 24 wichtigsten Regeln der Wirtschaft“ erscheint mit Erlaubnis des FinanzBuch Verlags, bei dem auch die deutsche Fassung der 1978 erschienenen aktualisierten Neuauflage des Klassikers erhältlich ist.