14. So funktioniert das Preissystem

Henry Hazlitt: Economics in One Lesson

Es gibt die Schule der „nutzen- und nicht profitorientierten Produktion“. Sie greift vor allem das aus ihrer Sicht verwerfliche „Preissystem“ und die gewinnorientierten Geschäftsleute an. Die Kernaussage dieser Schule: Das Produktionsproblem ist dank der Erkenntnisse von Wissenschaftlern und Ingenieuren gelöst. Diese Fachleute können alles in unbegrenzten Mengen produzieren. Doch leider beherrschen nicht Ingenieure die Welt, sondern Geschäftsleute, die nur an ihren Gewinn denken. Nicht die Ingenieure erteilen den Geschäftsleuten Aufträge, sondern umgekehrt die Geschäftsleute den Ingenieuren. Dies sei problematisch, denn: „Diese Geschäftsleute lassen jeden Gegenstand solange herstellen, wie er Profit abwirft. Aber in dem Moment, wo kein Profit mehr abfällt, stellen die bösen Geschäftsleute die Produktion dieses Artikels ein, auch wenn die Wünsche vieler noch unbefriedigt sind und alle Welt nach mehr schreit.“

Die Preise werden von Angebot und Nachfrage bestimmt, und die Nachfrage wird davon bestimmt, wie sehr die Menschen ein bestimmtes Produkt wünschen und was sie im Austausch dafür zu bieten haben.

„Diese Beurteilung enthält so viele Denkfehler, dass sie gar nicht alle auf einmal zu entwirren sind.“ Der Kardinalfehler besteht aber darin, „nur eine oder gar mehrere Branchen nacheinander zu berücksichtigen, so als existierte jede für sich.“ Das widerspricht der Realität. Wichtige Entscheidungen in einer Branche betreffen ebenso auch Entscheidungen aller anderen Wirtschaftssektoren. Deswegen geht es eben nicht nur um das Fachwissen einer bestimmten Branche. In Wahrheit hängen sie alle miteinander zusammen.

Die Wirtschaft hat die Aufgabe, tausende von Bedürfnissen zu befriedigen

Man versteht diesen Zusammenhang besser, wenn man sich das grundlegende Problem vor Augen führt, das die Wirtschaft zu lösen hat: Sie steht vor der Aufgabe, tausende von Bedürfnissen und Wünschen unterschiedlicher Dringlichkeit zu befriedigen. Zu diesem Zweck müssen Arbeit und Kapital alternativ eingesetzt werden.

Veranschaulichen lässt sich das am Beispiel des Robinson Crusoe: Auf seiner einsamen Insel leidet er unter Hunger, Durst und Kälte. Er kann nicht alle Bedürfnisse gleichzeitig befriedigen, weil ihm die Mittel dazu fehlen. Deshalb muss er mit dem dringendsten Bedürfnis – z.B. das Stillen seines Durstes – beginnen. Er bastelt sich deshalb zuerst ein Gefäß, um Regenwasser aufzufangen. Bevor er aber sein Wasserreservoir verbessert, muss er auf Nahrungssuche gehen, weshalb er ein Netz zum Fischfangen anfertigt. Alles was er tut, verzögert oder verhindert, dass er etwas anderes tut. „Er steht ständig vor dem Problem, seine Zeit und seine Arbeitskraft abwechselnd einer Tätigkeit zu widmen.“

Arbeit und Kapital müssen immer alternativ eingesetzt werden

Anders ist die Situation einer Familie auf der Insel. Zwar müssen hier die Bedürfnisse mehrerer Menschen befriedigt werden, doch gleichzeitig stehen ihnen auch mehr Arbeitskräfte zur Verfügung. „Die Familie kann zur Arbeitsteilung und Spezialisierung übergehen.“ Der Vater jagt, die Mutter kocht, die Kinder sammeln Brennholz. Auch die Familie kann es sich nicht leisten, dass jeder immer derselben Arbeit nachkommt. Irgendwann  haben die Kinder genügend Brennholz hergeholt, und ein Kind wird losgeschickt, um Wasser zu holen. Kurz: „Auch die Familie hat ständig das Problem, zwischen alternativen Anwendungsmöglichkeiten ihrer Arbeitskraft wählen zu müssen.“

Sowohl bei Robinson Crusoe wie auch bei der Familie sieht man: Eine Tätigkeit lässt sich „immer nur auf Kosten aller anderen Tätigkeiten ausweiten“. Deshalb müssen Arbeit und Kapitel immer alternativ eingesetzt werden, um Bedürfnisse unterschiedlicher Dringlichkeit zu befriedigen.

In modernen Wirtschaftsgesellschaften bestimmt das Preissystem den Einsatz von Arbeit und Kapital

Nun stellt sich die Frage, wie das Problem des alternativen Einsatzes von Arbeit und Kapital in einer modernen Wirtschaftsgesellschaft gelöst wird, in der es um die Befriedigung von nicht nur ein paar, sondern von zig tausenden Bedürfnissen geht. Die Antwort: „Die Lösung erfolgt durch das Preissystem, durch die sich ständig ändernden, wechselseitigen Beziehungen zwischen Produktionskosten, Preisen und Gewinnen.“

So werden die Preise „von Angebot und Nachfrage bestimmt, und die Nachfrage wird davon bestimmt, wie sehr die Menschen ein bestimmtes Produkt wünschen und was sie im Austausch dafür zu bieten haben.“ Dabei beeinflussen auch die Preise ihrerseits Angebot und Nachfrage:

„Wenn die Menschen mehr von einem Gut nachfragen, erhöhen ihre miteinander konkurrierenden Gebote dessen Preis. Das lässt den Gewinn der Produzenten steigen, die das Gut herstellen, und ermuntert sie, ihre Produktion auszuweiten. Es bringt andere Unternehmer dazu, einige Erzeugnisse, die sie bisher produziert haben, nicht mehr herzustellen und stattdessen das Gut zu erzeugen, das ihnen einen besseren Ertrag bringt. Doch das erhöht das Angebot dieses Gutes, während es gleichzeitig das einiger anderer Produkte sinken lässt. Der Preis dieses Gutes fällt daher im Verhältnis zu dem anderer Erzeugnisse, und der Anreiz, seine Produktion im Vergleich zu anderen Produkten zu erhöhen, fällt weg.“

Die Preise werden nicht von den Produktionskosten bestimmt (Exkurs)

Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten, wie sich Preis und Angebot nun weiterentwickeln. Fakt ist: Wenn nun die Gewinnspanne sinkt, werden irgendwann die am unrentabelsten wirtschaftenden Produzenten vom Markt verdrängt, und nur mehr die rentabel wirtschaftenden Produzenten bleiben auf dem Markt. „Dieser Vorgang ist der Ursprung des Glaubens, die Preise würden von den Produktionskosten bestimmt.“ Dieser Glaube ist aber falsch. Zwar wird das Angebot auch von den Produktionskosten bestimmt, doch die Preise werden von Angebot und Nachfrage bestimmt.

Die Produktionskosten können nicht die Preise bestimmen, denn: „Was die Produktion einer Ware in der Vergangenheit gekostet hat, kann nicht ihren Wert bestimmen. Es kommt auf das gegenwärtige Verhältnis von Angebot und Nachfrage an.“

Nun besteht die Tendenz, dass sich der Preis und die Grenzproduktionskosten eines Erzeugnisses angleichen. Das liegt aber nicht – wie man meinen könnte – daran, dass die Grenzproduktionskosten direkt den Preis bestimmen. Vielmehr bestimmen die Erwartungen der Unternehmer hinsichtlich der zukünftigen Produktionskosten eines Gutes und dessen zukünftigem Preis, wie viel davon produziert wird. Das beeinflusst daher auch das zukünftige Angebot.

Die Kritiker des Preissystems werfen ihm vor, es würde Knappheit hervorrufen

Wir haben vorher gesehen: Mit der Nachfrage steigt zunächst der Preis eines Gutes, und in weiterer Folge sein Angebot. Weil aber nun das Angebot des Gutes im Vergleich zu anderen Produkten höher wird, sinkt auch sein Preis im Verhältnis zu anderen Produkten, und damit fällt der Anreiz, die Produktion dieses Guts zu erhöhen, wieder weg. „Genauso ist es bei der Nachfrage. Wenn die Nachfrage nach irgendeinem Produkt aussetzt, sinken der Preis und der Herstellungsgewinn, und die Produktion dieses Gutes geht zurück.“

Genau über diesen Vorgang sind die Kritiker des Preissystems empört. „Warum, so fragen sie entrüstet, sollten Unternehmer die Herstellung von Schuhen an dem Punkt stoppen, wo es unrentabel wird weiterzuproduzieren? Warum sollten sie sich durch den Markt leiten lassen?“ Schließlich könnte man doch Schuhe weiterhin mit allen zur Verfügung stehenden modernen technischen Verfahren herstellen. „Das Preissystem und die Privatwirtschaft, so folgern die Verfechter der ‚nutzenorientierten Produktion’, sind nichts weiter als eine Form der ‚Knappheitswirtschaft’.“

Aus dem Rückgang der Produktion in einem Wirtschaftssektor folgt nicht zwingend ein Rückgang der Gesamtproduktion

Solche Kritiker begreifen das Preissystem nicht. Ihre falschen Schlussfolgerungen gehen auf den bereits genannten Irrtum zurück, einen Industriezweig isoliert zu betrachten. Es ist falsch „anzunehmen, dass der Rückgang der Produktion in einem Wirtschaftssektor zwangsläufig eine Verminderung der Gesamtproduktion bedeutet.“ Denn: „Der Schrumpfungsprozess in diesem Bereich der Wirtschaft hat vielleicht lediglich Arbeit und Kapital freigesetzt, damit andere Branchen expandieren können.“

Es gilt somit: „In einer Volkswirtschaft, die sich im Gleichgewicht befindet, kann eine Branche nur auf Kosten anderer Branchen expandieren. Denn die Produktionsfaktoren sind in jedem Augenblick begrenzt.“ Deshalb wäre es „schwachsinnig …, Berge von überflüssigen Schuhen zu produzieren, nur weil wir dazu in der Lage wären, während dringendere Bedürfnisse zu Hunderten unberücksichtigt blieben.“

Man kann also knapp festhalten: „Alles wird mit anderen Worten um den Preis des Verzichts auf irgendetwas anderes produziert. Die Produktionskosten selbst könnten tatsächlich als die Gegenstände definiert werden, die man aufgibt (die Freizeit und Vergnügungen, Rohstoffe mit möglichem alternativem Nutzen), um den Gegenstand zu schaffen, der hergestellt wird.“

Die Lösungen der Bürokraten würden sich nicht nach den Bedürfnissen der Verbraucher richten

Zur Gesundheit einer dynamischen Wirtschaft gehört sowohl dass man sterbende Branchen sterben lässt, als auch dass man expandierende Branchen expandieren lässt. „Denn die zugrunde gehenden Industriebetriebe binden Arbeitskräfte und Kapital, die für die aufblühenden Unternehmen freigesetzt werden sollten.“ Das Preissystem ist es, das dieses komplizierte Problem löst und festlegt, wie viel „von jedem Einzelnen Erzeugnis im Verhältnis zu allen anderen Erzeugnissen hergestellt werden sollte.“

Beim Preissystem entscheidet der Verbraucher über seine Nachfrage. Das ist der Unterschied zu bürokratischen Lösungen: „Die Bürokraten dagegen würden nach einer Lösung streben, die nicht das beinhaltet, was die Verbraucher selbst wünschen, sondern das, was die Bürokraten als gut für sie befunden hätten.“

Was die Bürokraten sonst noch mit ihren Eingriffen anrichten, wird Gegenstand der folgenden Kapitel sein.

Die hier gebotene, exklusiv für die AUSTRIAN ESSENTIALS erstellte Kurzfassung von „Die 24 wichtigsten Regeln der Wirtschaft“ erscheint mit Erlaubnis des FinanzBuch Verlags, bei dem auch die deutsche Fassung der 1978 erschienenen aktualisierten Neuauflage des Klassikers erhältlich ist.

Melden Sie sich jetzt für unseren Newsletter an.

So halten wir Sie über Neuigkeiten auf unserer Website und die Aktivitäten des Austrian Institute auf dem Laufenden.

Jetzt anmelden