Es ist ein sich permanent wiederholendes Szenario: Eine bestimmte Industrie kränkelt und siecht dahin. Lobbys fordern ihre Rettung (sei es durch Zölle, Subventionen oder höhere Preise), da andernfalls sämtliche Menschen arbeitslos würden. Wenn der Staat jetzt nicht eingreift, heißt es, drohe eine Rezession, denn angesichts der vielen Arbeitslosen würden auch Hausvermieter, Lebensmittel- und Kleidungsgeschäfte und Kinos kein Geschäft mehr machen.
„Es ist gleichermaßen notwendig, in einer dynamischen Volkswirtschaft zuzulassen, dass kranke Branchen zugrunde gehen, wie auch zuzulassen, dass expandierende Industrien sich weiterentwickeln.“
Das Ziel dieses Kapitels ist es, „nur einige der wichtigsten Ergebnisse zu untersuchen, die sich zwangsläufig ergeben, wenn man einen Wirtschaftszweig zu retten versucht.“
Zwei Beispiele in den USA
Geschichtliche Beispiele, auch abseits der Landwirtschaft (siehe voriges Kapitel), gibt es zuhauf. So versuchte der amerikanische Kongress schon einmal die Silberindustrie „zu retten“, um dem Osten zu helfen. Dafür wählte er einen besonders teuren Weg, mit dem er gleichzeitig unermesslichen Schaden anrichtete: „Das Schatzamt der Vereinigten Staaten musste zu grotesken Preisen, die weit über denen des Marktes lagen, Unmengen Silber aufkaufen, mit dem man gar nichts anfangen konnte, und es in Tresoren lagern“. Eines der Resultate war Deflation in China, „das auf der Grundlage des Silbers wirtschaftete und zur Umstellung gezwungen wurde.“
Ein andermal verabschiedete der Kongress den Guffey Act zur Rettung der Kohlenindustrie. Er zwang die Besitzer der Kohlebergwerke regelrecht, „sich zusammenzutun und nicht unter bestimmten Mindestpreisen zu verkaufen, die von den Regierungen festgesetzt wurden“. Wegen der Vielzahl an Größen, Bergwerken und Bestimmungsorten legte die Regierung 350.000 einzelne Kohlepreise fest! Das Ergebnis: Die Verbraucher wechselten zunehmend von der Kohle auf andere Energiequellen, wie Öl, Erdgas und Strom aus Wasserkraftwerken.
Zahlreiche Argumente werden für die Rettung von Industrien vorgebracht. Dieses Kapitel befasst sich mit einem einzigen davon: „wenn man zulässt, dass der Industriezweig schrumpft oder durch die Kräfte des freien Wettbewerbs zugrunde geht, reißt er auch die übrige Wirtschaft mit in die Tiefe“. Näher besehen zeigt sich: Das Gegenteil ist der Fall.
Wer Firmen und Arbeitern den Zugang zu Branchen verwehrt, senkt Produktion und Wohlstand
Man kann eine Branche auf unterschiedliche Arten retten. Zwei davon sind besonders häufig. Die erste besteht darin, anderen Firmen und Arbeitern den Zugang zu einer Branche zu verwehren. Begründet wird das damit, dass diese Branche ohnehin schon überlaufen sei.
„Wenn nun die Branche XYZ tatsächlich im Vergleich zu anderen überlaufen ist, sind keine Zwangsmaßnahmen des Staates erforderlich, neues Kapital oder neue Arbeiter fernzuhalten.“ Investoren reißen sich nicht um Anlagen in Branchen, mit denen es bergab geht. Und Arbeiter gehen, wenn sie die Wahl haben, nicht dort arbeiten, wo die Löhne besonders niedrig und die Zukunftsaussichten besonders düster sind.
Doch die Zwangsmaßnahmen beschränkt gerade diese Freiheit: „Wenn neues Kapital und neue Arbeitskräfte jedoch durch Monopole, Kartelle, Gewerkschaftspolitik oder den Gesetzgeber mit Nachdruck von einem bestimmten Industriezweig ferngehalten werden, nimmt das dem Kapital und der Arbeit die Möglichkeit der freien Wahl.“ Investoren und Arbeiter werden gezwungen dort ihr Geld anzulegen bzw. zu arbeiten, wo die Zukunftsaussichten weniger vielversprechend sind. Ergebnis: Kapital und Arbeit werden nicht so gut eingesetzt, wie wenn sie ihren Einsatz frei wählen könnten. Die Produktion sinkt.
Ebenso wird dadurch auch der durchschnittliche Lebensstandard geringer, entweder in Folge geringerer Durchschnittslöhne, höherer durchschnittlicher Lebenshaltungskosten oder einer Kombination aus beidem. (Das hängt von der jeweiligen Geldpolitik ab.) In der subventionierten Branche könnten Löhne und Kapitalerträge zwar steigen, doch in den übrigen Industriezweigen würden sie auf ein niedrigeres Niveau gezwungen.
Subventionen für kranke Branchen verringern ebenfalls den Wohlstand
Die andere häufig angewandte Art, Branchen zu retten, besteht in direkten staatlichen Subventionen. Das ist nichts weiter „als die Verlagerung von Wohlstand oder Einkommen zum betreffenden Industriezweig.“ Die Steuerzahler verlieren genau jenen Betrag, den die Menschen in den subventionierten Betrieben gewinnen. Immerhin tritt dieser Zusammenhang hier deutlicher zutage als bei anderen Maßnahmen. Es ist ja offenkundig: Die Steuerzahler und die anderen Branchen verlieren genauso viel, wie die subventionierte Branche gewinnt. Die Folgen: Die Bürger können um genau diesen Beitrag weniger Waren kaufen, was ebenfalls andere Branchen belastet.
Wie so oft geschieht auch hierbei mehr als „nur“ ein Transfer von Wohlstand und Einkommen zu einer bestimmten Branche hin. Da Arbeit und Kapital nämlich aus jenen Branchen verdrängt werden, in denen sie wirtschaftlicher eingesetzt würden, und in Industrien umgeleitet werden, wo sie weniger rentabel sind, wird insgesamt weniger Wohlstand geschaffen. Die Maßnahme bedeutet am Ende einen Nettoverlust für das Land als Ganzes.
Gerade in einer expandierenden Volkswirtschaft muss man kranke Branchen sterben lassen
Es gibt ein falsches Bild von einer prosperierenden Volkswirtschaft, dem einige hier anhängen: „Die Vorstellung, dass in einer expandierenden Volkswirtschaft alle Branchen gleichzeitig expandieren müssen, ist rundweg falsch.“ Es erscheint einigen als paradox, aber gerade in einer dynamischen Volkswirtschaft ist es notwendig, kranke Branchen schrumpfen oder sterben zu lassen. Ein Beispiel: „Wenn wir versucht hätten, künstlich den Handel mit Pferd und Wagen am Leben zu erhalten, hätten wir die Entwicklung der Automobilindustrie und aller von ihr abhängenden Branchen verzögert. Wir hätten weniger Wohlstand geschaffen und den wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Fortschritt behindert.“
Nur so lässt man auch zu, dass sich expandierende Industrien weiterentwickeln. Dafür muss man nämlich das notwendige Kapital und die erforderlichen Arbeitskräfte freisetzen. Genau das wird verhindert, wenn man versucht, irgendeinen verkümmernden Industriezweig am Leben zu erhalten, um Facharbeiter und investiertes Kapital dort zu schützen.
„Es ist töricht, veraltete Industrien erhalten zu wollen, und ebenso töricht ist es, sich an veraltete Produktionsverfahren zu klammern. Das sind oft nur zwei unterschiedliche Arten, den gleichen Sachverhalt zu beschreiben. Veraltete Produktionsmethoden müssen ständig durch verbesserte Verfahren ersetzt werden, wenn sowohl die alten Bedürfnisse wie auch die neuen Wünsche durch bessere Erzeugnisse und bessere Mittel befriedigt werden sollen.“
Die hier gebotene, exklusiv für die AUSTRIAN ESSENTIALS erstellte Kurzfassung von „Die 24 wichtigsten Regeln der Wirtschaft“ erscheint mit Erlaubnis des FinanzBuch Verlags, bei dem auch die deutsche Fassung der 1978 erschienenen aktualisierten Neuauflage des Klassikers erhältlich ist.