Was kommt nach Corona – mehr Sozialismus oder mehr Kapitalismus?

Im Zeichen der Eindämmungsmaßnahmen gegen die Covid-19-Pandemie hat nun weltweit die Stunde des Staates geschlagen. Etatistische Ideologen aller Couleur wittern Morgenluft: Die Reichen sollen mit einer massiven Vermögensabgabe zur Kasse gebeten werden, auch für ein allgemeines Grundeinkommen scheint jetzt die Stunde gekommen zu sein. Andere fordern die Verstaatlichung wichtiger Wirtschaftszweige.

Im Namen der Solidarität wird eine Schuldengemeinschaft auf europäischer Ebene gefordert, und generell wird eine noch exorbitantere Überschuldung zur Patentlösung hochstilisiert. Die Geldpolitik, die für so viele Verzerrungen der Wirtschaft verantwortlich ist, geht aufs Ganze: Die Notenpresse soll auf Hochtouren laufen, direkte Staatsfinanzierung ist kein Tabu mehr – man scheint sämtliche Lehren der Geschichte zu vergessen.

Wer hat genau versagt?

Die von linker Seite stammende Forderung, nun die Kapitaleigentümer zur Kasse zu bitten, beruht auf der Prämisse, dass sie, als „Kapitalisten“, ja eigentlich an allem schuld seien und jetzt die Zeche zu bezahlen hätten. Der Kapitalismus habe sich schließlich als unfähig erwiesen, uns gegen eine Pandemie zu schützen, ja er sei wegen seines Globalisierungswahns daran sogar mitschuldig. Die Diagnose könnte irreführender nicht sein.

Eigentlich sollte angesichts des Lockdowns eines großen Teils der produktiven Wirtschaftstätigkeit spätestens jetzt deutlich werden, woher eigentlich unser Wohlstand kommt. Die jetzt anlaufenden, enorm teuren staatlichen Unterstützungsprogramme manifestieren ja nicht eine Schwäche des kapitalistischen Systems, sondern zeugen ganz im Gegenteil von dessen ungeheurem Wertschöpfungspotenzial.

Die gegenwärtige Pandemie ist keine Frucht der Globalisierung, sondern ein Verhängnis der Natur und Folge eines Versagens der Politik.

Wir erleben keine Wirtschaftskrise, sondern einen aus gesundheitspolitischen Gründen gesetzlich – also von der Politik – verordneten Stillstand der Wirtschaft. Ob das in diesem Ausmaß wirklich notwendig war, werden wir erst später einmal wissen. Dass jetzt aber Kapitalismuskritiker und Globalisierungsgegner triumphieren, grenzt an Irrsinn.

Die gegenwärtige Pandemie ist keine Frucht der Globalisierung, sondern ein Verhängnis der Natur und Folge eines Versagens der Politik. Globalisierung ist kein modernes Phänomen. Auch frühere Epidemien konnten sich nur deshalb ausbreiten, weil die Welt, vor allem die Wirtschaft, über Handelswege zu Lande und zur See vernetzt war. Eine vernetzte Welt, das wusste man bereits im Mittelalter, braucht Sicherungsstrukturen, Regeln der Vorsorge auch, die das öffentliche Wohl, die Sicherheit, die Volksgesundheit schützen.

Das Wort „Quarantäne“ kommt von „quarantena“: den vierzig Tagen. Während dieser Zeit hatten venezianische Schiffe, die im Verdacht standen, Pestkranke an Bord zu haben, weit auf See vor Anker zu bleiben. Mittelalterliche Städte verfügten nahe den Stadtmauern über ein Quartier, um in Zeiten von Seuchen ankommende Reisende zunächst einmal zu isolieren.

Wer ist wofür zuständig?

Es ist ein ungeheures Versäumnis, dass es in den letzten Jahrzehnten vernachlässigt wurde, solche Strukturen aufzubauen, und dass wir Fortgeschrittenen und Aufgeklärten für den Fall einer Pandemie keine großflächigen Testmöglichkeiten und zu wenig Schutzmaterial für das medizinische Personal haben. Als der Staat noch kein ausufernder Sozialstaat zur Bedienung von Sonderinteressen war, stand solche Vorsorge im Dienst des Gemeinwohls noch ganz oben auf der politischen Agenda – man denke an die erfolgreiche Bekämpfung des Pockenvirus.

Westliche Regierungen waren aber in den letzten Jahren trotz wiederholten Warnungen und durchaus vorhandenem Wissen mit anderem beschäftigt. Die unmittelbaren Gefahren zu benennen, war politisch nicht einträglich. Hätte man auf sie aufmerksam gemacht und entsprechend gehandelt, wäre das von der Öffentlichkeit wohl kaum verstanden worden – insofern sind wir aufgrund unserer Leichtfertigkeit alle mitschuldig am gegenwärtigen Desaster.

Gouverner, c’est prévoir“: Das wollte man zwar mit der Klimapolitik, aber die Regierungen waren hier nicht die eigentlich Vorausschauenden, sondern die von der Straße und den Medien Getriebenen – entsprechend waren trotz der Berechtigung des Anliegens Übertreibungen und Irrationalitäten an der Tagesordnung. Wissenschaftliche Gewissheiten, die noch bis vor kurzem diese Politik legitimierten, sind jedoch bereits wieder ins Wanken geraten – man denke an die neuesten Erkenntnisse zur angeblich drohenden Methanbombe infolge Auftauens des Permafrostes.

Die Corona-Krise könnte uns helfen, wieder zu verstehen, was die zentrale Aufgabe des Staates ist und dass er sich nicht von der Straße und den Medien treiben lassen sollte.

Wissenschaft ist ein fortschreitender Diskurs. Wer sich auf sie beruft, muss bereit sein, ständig seine Meinung zu ändern – keine gute Grundlage für eine Krisenpolitik, die auf einem Katastrophenszenarium in Jahrhundertdimensionen gründet.

Die Corona-Krise könnte uns helfen, wieder zu verstehen, was die zentrale Aufgabe des Staates ist und dass er sich nicht von der Straße und den Medien treiben lassen sollte. Er sollte ernsthafte Vorsorge für die Sicherheit seiner Bürger treffen, und dies in Bereichen, die überschaubar und für die Politik auch unmittelbar gestaltbar sind – dazu gehören auch die militärische Verteidigung und der Schutz von Grenzen, nicht unbedingt der nationalen, sondern im jetzigen Fall derjenigen des Schengenraumes. Auch das haben wir nicht geschafft.

Das für die Bekämpfung der Pandemie viel besser vorbereitete demokratische Südkorea, dessen Krankenhäuser sich zu über neunzig Prozent in privater Hand befinden, könnte uns hier auf innovative Ideen bringen. Vielleicht hilft das Geschehene, ein Umdenken im Sinne eines Rückzugs des Staates aus der Rundumbetreuung der Bürger einzuleiten und unsere – berechtigten – Klimasorgen auf ein rationales Maß zu reduzieren. Das gäbe Raum für freiheitliche Politik, für die für alle wohlstandsfördernde Entfaltung der Marktkräfte und die damit verbundene Innovation, den globalen Austausch von Kapital, Gütern und Dienstleistungen und eine möglichst großzügige Freiheit des Personenverkehrs.

Woher stammt der Wohlstand?

Klar sollte jetzt werden, dass unser Wohlstand nicht vom Staat und seinen Bürokratien kommt, die ja nur die Früchte der produktiven Arbeit der Bürger in der Form von Steuern in ihre eigenen, teilweise notwendigen, aber naturgemäß unproduktiven Verwendungen umlenken. Selbst die Gehälter der Staatsangestellten und die darauf erhobenen – eigentlich fiktiven – Steuern werden aus Steuergeldern bezahlt.

Hier wäre jetzt eigentlich Solidarität gefragt: Warum verlangt kaum jemand, dass nun die Privilegiertesten der Gesellschaft, Staatsangestellte aller Art, die gerade in Krisenzeiten die oft einträglichsten und sichersten Arbeitsplätze haben, auf einen Teil ihres Lohns verzichten? Warum eigentlich geht man auf die Produktivsten los, die unseren Wohlstand hart erarbeiten?

Ein echter Neustart kann erst beginnen, wenn Staat und Politik sich nach erfolgter Notstandshilfe spürbar zurückhalten – mehr als vor der Krise.

Politiker und Beamte lieben das Aufsetzen von Programmen zur „Ankurbelung“ der Wirtschaft, und sie suchen immer neu nach Gelegenheiten, das große Geld in die Hand nehmen zu können. Das verschafft ihnen – kurzfristig – Arbeit, Einkommen und Ansehen. Was uns jedoch allein aus der Misere führen wird, sind jene Kräfte, die seit je für unseren Wohlstand verantwortlich waren, jedoch dauernd an den Pranger gestellt werden: Unternehmer, Investoren, gewinnorientiertes und damit innovatives Handeln, kurz: Kapitalismus und Marktwirtschaft. Ein echter Neustart kann erst beginnen, wenn Staat und Politik sich nach erfolgter Notstandshilfe spürbar zurückhalten – mehr als vor der Krise. Genau dann dürfen wir auch wieder optimistisch sein.

Gewiss: Der Lockdown der Wirtschaft kostet uns Unsummen, und der Nettosteuerzahler wird letztlich dafür geradestehen müssen. Es wird für alle zu Wohlfahrtseinbußen kommen. Zu erwarten ist aber, dass die Corona-Krise einen enormen Innovationsschub verursacht, etwa im Bereich der Digitalisierung, der Nutzung von Internetplattformen, bei Home-Working, E-Learning – natürlich durch die Dynamik des Kapitalismus.

Die Post-Corona-Welt wird eine andere als die bisherige sein, hoffen wir: kapitalistischer, unternehmerfreundlicher, innovativer. Sicherlich wird sie nicht ein Mehr an Gleichheit in dieser Welt bringen, wohl aber ein Weniger an Armut, und sie wird immer mehr Menschen einen angemessenen Wohlstand ermöglichen. Dies jedenfalls dann, wenn es Ideologen und Staatsgläubigen nicht gelingt, mit ihren moralisch wohlklingenden Umverteilungsrezepten genau das zu verhindern.

 

Dieser Artikel ist ursprünglich in der Neuen Zürcher Zeitung vom 15. 4. 2020, S. 28 unter dem Titel „Der Neustart ist eine echte Chance“
erschienen. Hier die online Version bei nzz.ch.

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