Nun auch konservativer Fiskal-Populismus – doch die Zukunft gehört der Sparpolitik

Besten Dank, Liz Truss – bereits ihre ersten drei Tage in Downing Street No. 10 haben der ganzen Welt zwei wertvolle Erkenntnisse gebracht: erstens, dass neuerdings nicht nur linke, sondern auch konservative Politiker maßlose Defizite veranstalten und zweitens, dass die Finanzmärkte dies plötzlich nicht mehr schlucken. Am Ende hat dies auch die Tory-Fraktion im Parlament gemerkt, und Prime Minister Liz Truss ist nach nur 45 Tagen im Amt bereits Geschichte.

Die konservativen Politiker aller Länder sind nicht mehr liberal, haben kein Fadenkreuz solider Budgetpolitik mehr im Kopf. Sonst waren immer die Linken die „big spenders“, nun sind es alle.

Die Wende konservativer Regierungen zu offenem Fiskal-Populismus ist nun drei Jahre her. Präsident Trump öffnete die Schleusen in den USA zu Beginn seiner Präsidentschaft mit massiven Steuererleichterungen trotz bereits laufender hoher Defizite. In der Covid-Krise kannten er, die Demokraten und die Republikaner im Kongress kein Halten mehr, insgesamt wurden sechstausend Milliarden Dollar unter diesem Titel Covid, jedoch für tausend Verwendungen des „nice-to-have“ ausgeschüttet.

Die konservativen europäischen Parteien, die vielerorts an der Macht sind, spendeten ihrerseits unerhörte Summen, fast wahllos, für die akuten Probleme, für die Infrastrukturen des Gesundheitssystems, für direkte Zuschüsse an die Haushalte, wie in den USA.

„Inflationsbekämpfung“ durch Geldverteilen?

Das alles scheint im Rückblick wie eine Hauptprobe für die erneuten Milliardenflüsse gegen die Energiekrise, gegen die Teuerung im Allgemeinen gewesen zu sein. Es dürfte erstmals in der Geschichte in Politikerhirnen zu einer Höchstpreisgarantie gegen inflationäre Spitzen in Oel, Gas, Strom gekommen sein, mittels direkter Ausschüttungen an Haushalte, mit Steuerabzügen der Firmen für ihre Energieaufwendungen, mit gesenkten Lenkungssteuern auf fossilen Energien.

Insgesamt haben die europäischen Regierungen bisher 375 Milliarden unter diesem Titel „Inflationsbekämpfung“ ausgegeben, rechnet der Brüsseler Think Tank Bruegel. Die Summen beschlagen in Griechenland 3,7% des Inlandprodukts, in Italien 2,8%, in Spanien 2,3% und in Frankreich 1,8%, und England wie Österreich gaben ebenso viel aus. In Deutschland werden, mit den bereits laufenden 65 Milliarden Kosten erneut 200 Milliarden Euro, angekündigt durch Kanzler Scholz, also etwa 6% des Inlandprodukts gespendet werden.

Konservative, bürgerliche Politiker wie Mario Draghi, Emmanuel Macron, die Tories mit der Rekordbrecherin Truss, die CDU und die FDP in der deutschen Koalition, und die US-Republikaner zahlten, ohne zu zählen. Alle ihre Länder steckten in massiven Budgetdefiziten und in bereits untragbaren Schuldenlasten vor der Ausgabenwelle.

Das also war die erste, ernüchternde Lehre, welche Liberale ziehen müssen: die konservativen Politiker aller Länder sind nicht mehr liberal, haben kein Fadenkreuz solider Budgetpolitik mehr im Kopfe. Sonst waren immer die Linken die „big spenders“, nun sind es alle. Außerdem sind diese Politiker ökonomisch unbelehrbar geworden: Hohe Preise bekämpft man doch nicht mit Subventionen, damit alle die verknappten, teuren Sachen weiterkaufen können, sondern durch „demand destruction“ durch die Amputation der Nachfrage aller gerade wegen der hohen Preise. Dann kuriert sich vieles selbst.

Widerstand der Finanzmärkte und Belastung der Steuerzahler

Die zweite Lehre aus London der letzten zwei Wochen – die Finanzmärkte machen nicht mit. Denn überall haben die Notenbanken jetzt die Geldpresse angehalten, wegen der massiven von ihrer eigenen Politik erzeugten hohen Inflation, und deshalb müssen die Riesenschulden, die Riesendefizite künftig durch Anleihen auf den Märkten verzinst und abgezahlt werden.

Die verschwenderischen „Hilfs“-Maßnahmen werden eins-zu-eins von den Steuerzahlern zurück bezahlt werden müssen. Die Zinsen dafür steigen an, in den USA machen die eben erst angelaufenen Zinserhöhungen auf 4% für Staatsschulden bereits anderthalbmal so viel Kosten aus wie das ganze Militärbudget des Imperiums. Mit 4% Zinsen wären alle europäischen Länder in Zahlungsschwierigkeiten, Deutschland inbegriffen.

In London machten die Investoren nach den Plänen der Liz Truss solche Berechnungen – und verkauften, was immer zu liquidieren war. Die Zinsen schossen hoch, die Marktwerte von Staatspapieren tauchten. Ohne die bisherigen Garantien der Notenbanken streiken die Anleger. „Marked to market“ sind nun die Politikerphantasien: bewertet vom Markt. Liberale haben die Konservativen als Freunde verloren, die Märkte aber neu gewonnen.

Die Zukunft heißt: Drastische Sparpolitik und weg von der Gießkanne – oder argentinische Verhältnisse

Die weitere Zukunft haben die Ereignisse in London ebenfalls vorgezeigt: die Bank of England hatte zwar vorher ihrerseits hohe Zinsen und den Halt der Geldpresse angekündigt, doch angesichts einer echten Finanzkrise, insbesondere seitens der Pensionskassen, knickte sie sofort ein und versprach wieder hohe Aufkäufe der Staatspapiere aus Liz Truss spendablen Händen.

Doch das beruhigte die Märkte erst, als der Vorbote künftiger Zeiten der ganzen westlichen Welt sich einstellte: der neue britische Finanzminister Jeremy Hunt kündigte alle Steuersenkungen, auch bisherige, und mahnte ernsthafte, Dutzendmilliarden-Sparprogramme an. In der Sozial- und Stützungspolitik der Regierung sollen wieder die drei „T“ gelten: mit targeted, temporary, tailored soll den Schwächsten, und nur diesen geholfen werden: gezielt, zeitlich begrenzt und nach Bedürftigkeit maßgeschneidert. Das wird die kopernikanische Wende dieser konservativen Politik zurück (oder vorwärts) sein, hin zu normaler Sozialpolitik.

Wenn die Notenbanken dicht halten, wie jetzt die englische in Übereinstimmung mit dem neuen Finanzminister der drei „T“, dann wird Strategie und Alltag aller Regierungen, links wie rechts, in den nächsten zehn Jahren eine drastische Sparpolitik sein. Viele Länder könnten durch die Proteste, und die ewigen Forderungen nach mehr, unregierbar werden, Regierungen fallen im Halbjahresrhythmus, die Zinsen zwingen zu dramatischen Rückbauten an Sozialprogrammen, Rüstungen (?), Beamtenheeren, sie veranlassen Reihenkonkurse der Hausbesitzer, sie lassen Pensionskapitalien schwanken, sie werden vermutlich den Euroraum endgültig erschüttern. Denn wo nichts ist, hat der Kaiser selbst sein Recht verloren. Nur Politiker mit kantigem Zuschnitt, Ehrlichkeit und Standvermögen werden dies überdauern. Der neue englische Finanzminister hätte dies. Vielleicht kündigt sich auch hier die Zukunft bereits in England an.

Falls aber die Notenbanken, wie die Bank of England zuerst, einknicken, ihrerseits aber endgültig, und wieder mit Geldschöpfung alles bezahlen, um die Verwerfungen abzuwenden, dann treten wir alle in ein Zeitalter argentinischer Inflation ein, und nach deren Vollauf  in drei Jahren kommen dennoch in die erwähnten politischen Verwerfungen, allerdings viel schlimmer und weniger steuerbar.

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