„Methodologischer Individualismus“: Subjekt der Wirtschaft ist der handelnde Mensch

Großartige Subventionsprogramme für Elektroautos boten die meisten Regierungen an – aber die Nachfrage darnach schwächelt, fällt wieder, die kleinen Leute wollen nicht. Die Autokonzerne fahren die Produktion zurück, der Lithiumpreis für Batterien ist im Keller.

Wirtschaftsbürger lesen die verfügbaren Signale anders als die großen Strategen in den Ministerien. Sie interpretieren diese Signale im ureigensten Interesse, nicht von den verkündeten Zielen her. In der Österreichischen Schule der Ökonomik bildete sich für diese Sicht des Handelns der Begriff „methodologischer Individualismus“ heraus.

„Von zentraler Wichtigkeit ist, die unternehmerische Funktion aller nicht zu übersehen. Selbst die einfachsten Leute, jene der untersten sozialen Schicht, Menschen mit der geringsten Bildung besitzen zumindest kleine Bruchstücke von exklusivem Wissen und von Information, die für den Lauf der gesellschaftlichen Entwicklung von entscheidendem Wert sein können“, schrieb Jesús Huerta de Soto, prominenter Vertreter der Österreichischen Schule der Nationalökonomie. Dies gilt als Kontrapunkt zu den Keynesianern, welche unermüdlich mit den großen Aggregaten hebeln –  aggregate consumption, investment, savings, liquidity, interest, employment – natürlich bewegt von der Hand des Staates, mittels seiner Ausgaben, Defizite, mit Kreditschöpfung. Formalisiert wurde diese Lehre in der unsäglichen IS/LM-Kurve für Lehrbücher – die ganze Ökonomie in vier Buchstaben zusammengefasst, und dazu noch dies alles im Gleichgewicht…

Ausbleibende Multiplikator-Wirkung und kontraproduktive politische Maßnahmen

Doch die Wirtschaftsbürger, kleine, große, die Arbeitnehmer und Unternehmer funktionieren anders. Wenn die Behördenpläne nicht gerade Gebote oder Verbote sind, dann wollen sie mit Anreizen den Konsum, die Investitionen treiben. Immer hoffen die Regierungen, ihre Hebel hätten multiplikative Wirkung, und schon sei das Ziel erreicht. Weit daneben, das zeigen die letzten vier Jahre mit den mehrtausendfachen Milliarden-Anreizpaketen in Europa und in den USA.

Der Energiekonsum ging nicht zurück, trotz „Net Zero“-Zielen, sondern er nahm weiter zu. Wie sollen die einfachen Leute auch davon abgebracht werden, wenn sie aus den Milliarden gar Heizungssubventionen erhalten, wenn die Mieter, also die Hälfte der Einwohner, gar nicht selbst isolieren können? Keynesianische Ankurbelung der Nachfrage ist blind für Strukturen, für die angebotsseitigen Hemmungen oder Möglichkeiten.

Bei den Elektroautos etwa fragt sich der einfache Nutzer, was denn das solle, wenn Zapfpunkte noch rar sind, wenn diese Wagen teurer als andere sind? Oder, seit Jahren, fast schon seit Jahrzehnten wollen die Regierungen mit teuer ausgebautem öffentlichen Verkehr die Nutzer von der Straße wegbringen. Der Privatverkehr nimmt aber nicht ab, und gerade jetzt mit dem Schnee auf den Straßen oder im Sommer mit verstopften Pässen, bleibt der bald letzte Schuss Abenteuer für viele noch der Wagen mit seinen Gefährdungen – und der fehlt, wenn man brav im öV in Reihen sitzt.

Oder man versuchte es mit einer anderen Politik: während Covid wollten die Regierungen, um den Arbeitsmarkt zu stützen, vorübergehend jene entschädigen, die zuhause blieben. Das nahmen viele Arbeitende so ernst, dass Millionen im ganzen Westen nicht mehr ins Erwerbsleben zurückkehrten. Die Erwerbsquoten sanken, der Arbeitsmarkt lief aus dem Ruder, dauerhaft.

Ebenfalls während der Covid-Jahre sollten die erwähnten Tausend-Milliardenpakete das Inlandprodukt am Laufen halten, „Resilienz“ wurde versprochen, indem der Konsum, die Investitionen wieder aufgedreht würden. Im Saldo jedoch hat ein Euro, ein Dollar aus den Taschen des Staates weniger als einen Euro oder Dollar an Wachstum gebracht. Der Grenznutzen war unter eins gefallen, ein teurer Schuss ins Leere.

„Methodologischer Individualismus“: Der handelnde Mensch im Mittelpunkt

In allen diesen Fällen handelten die Wirtschaftsbürger anders als die großen Hebel der Steuerungsprogramme es wollten. Man kann diese Unbotmäßigkeit mit der „Theorie des Handelns“ (Praxeologie) des Ökonomen Ludwig von Mises erklären. Wie Huerta de Soto heute war Mises überzeugt, dass sich ökonomische Trends aus Millionen von Entscheiden, des Handelns der einzelnen Konsumenten, vor allem aber der Unternehmer ergeben.

„Die Konsumenten bevorzugen die Geschäfte, in denen sie das Gewünschte zum günstigsten Preis kaufen können. Ihr Kauf oder ihre Enthaltung vom Kauf entscheidet darüber, wer die Fabriken und das Land besitzen und verwalten soll. Sie machen arme Menschen reich und reiche Menschen arm.“


Ludwig von Mises, Human Action. A Treatise on Economics,  New York 1949, reprint 1998, S. 270.

Diese Wirtschaftsbürger „lesen“ die verfügbaren Signale anders als die großen Strategen in den Ministerien. Sie interpretieren diese Signale im ureigensten Interesse, nicht von den verkündeten Zielen her. In der Österreichischen Schule der Ökonomik bildete sich für diese Sicht des Handelns der Begriff „methodologischer Individualismus“ heraus: Methodische wirtschaftswissenschaftliche Erkenntnis muss vom Handeln der Individuen ausgehen und dieses stets im Fokus behalten. Das war die indirekte Antwort auf die Jünger des John M. Keynes, die mit staatlicher Ausgabenpolitik, möglichst kreditfinanziert, diese großen Hebel im Konsum, Investieren, Sparen zu bewegen hofften.

Keynes selbst war allerdings vorsichtiger als seine späteren Anhänger. Er soll nach dem Tiefpunkt der Weltwirtschaftskrise bei „nur noch“ 12% Arbeitslosen von weiteren Ankurbelungen abgeraten haben und in Konjunkturflauten sollte „Deficit spending“ nicht mit Schulden, sondern mit den Überschüssen vorheriger Boomjahre bezahlt werden.

Vulgär-Keynesianismus und die Verkennung der Funktion des Unternehmers

Heute aber verficht jede Regierung einen Vulgär-Keynesianismus, der kleinste Dellen der Konjunktur ausbügeln und ins Gleichgewicht bringen soll und bereits ist, sich dafür zunehmend zu verschulden. Die „Österreicher“ lehnen übrigens gerade diese Fata Morgana eines angeblich ideal Gleichgewichts klar ab: die Volkswirtschaft ist kaum je im Gleichgewicht, und ein solches zu definieren fällt schwer, geschweige denn, es mit Regierungsmilliarden hinzufinanzieren.

Es ist ja geradezu die Funktion des unternehmerischen Handelns, in mikroökonomischen Ungleichgewichten Gewinnchancen zu aufzuspüren und diese durch innovative Lösungen zu nutzen. Auch Konsumenten passen sich an und bewegen damit die Wirtschaft immer wieder in Richtung Gleichgewicht, ohne dass dieses je erreicht würde. Denn dann würde die Wirtschaft stagnieren.

„Jeder staatliche Eingriff in die Wirtschaft muss sich indirekt auf den Konsum auswirken. Da der staatliche Eingriff die Marktdaten verändert, führt er zwangsläufig auch zu einer Veränderung der Bewertungen und des Verhaltens der Verbraucher. … Wenn man dem Menschen die Freiheit nimmt, seinen eigenen Konsum zu bestimmen, nimmt man ihm schließlich alle Freiheiten.“


Ludwig von Mises, Human Action. A Treatise on Economics,  New York 1949, reprint 1998, S. 727.

Die Wirtschaft immer wieder zum Gleichgewicht hinzubewegen, das tun eben die Unternehmer spontan, und die kleinen Leute als „Unternehmer ihrer selbst“ ebenfalls, indem sie mit ihrem Handeln ihre Interessen verfolgen.

Eine Test-Überlegung gefällig? Hätte man 2020 und 2021 die Energiepreise einfach laufen lassen und die Verbraucher nicht flächendeckend subventioniert, wäre der Verbrauch deutlich gefallen, ohne Hebel, ohne Milliardenkosten, nur durch die „unsichtbare Hand“ des Marktes. Manchmal wird diese Hand eben auch zur unsichtbaren Faust, mit Hochpreisen, Engpässen, kühlerer Stube, keinen Wochenend-Fahrten. Doch in unserem heutigen, verluderten und flächendeckend abgefederten Kapitalismus dürfen niemandem mehr Einschränkungen des Konsums zugemutet werden. So meinen es zumindest unsere Politiker.

Würde man den Bürgern jedoch reinen Wein einschenken, könnten vielleicht sogar Politiker ihren Wählern härtere Maßnahmen verkaufen und damit sogar punkten. Denn die Wähler „lesen“ auch die anderen Signale, nämlich die Ausweglosigkeiten von Staatsschulden, Defiziten, fehlgeleiteten Riesenprogrammen, überbordenden Stützungen an alle – sie wissen, dass sie das dereinst bezahlen müssen.

 

Das Zitat im zweiten Abschnitt ist aus: Jesús Huerta de Soto, The Austrian School. Market Order and Entrepreneurial Creativity, Edward Elgar, Cheltenham 2008, S. 25.

Melden Sie sich jetzt für unseren Newsletter an.

So halten wir Sie über Neuigkeiten auf unserer Website und die Aktivitäten des Austrian Institute auf dem Laufenden.

Jetzt anmelden