Libra – eine private Währung, im Wettbewerb gegen andere, vor allem gegen staatliche Notenmonopole, das hätte Friedrich August von Hayek gefallen. Den Notenbanken gefällt es weniger und hinter den Kulissen wird heftig gestritten. Vornedurch ist es ruhiger geworden. Doch die Einsätze sind happig und folgenreich.
Libra, von Facebook – bis Anfang Oktober 2019 auch von PayPal, Visa, Mastecard, Ebay – angedacht, wird sozusagen die Blockchain-Technik von künstlichen Währungen wie Bitcoin mit dem Notenbankgeld und den Wertschriften der großen Währungsräume verbinden. Im Gegensatz zu den auf rein elektronischem Wege ausgegebenen Bitcoin und anderen solchen „Währungen“, wird Libra einen Währungskorb zusammen kaufen, nämlich 50% Dollar, 18% Euro, 14% japanischen Yen, 11% englisches Pfund und 7% Singapurer Dollar. Wenn auch diese Notenbank-Emissionen durch deren schamlose Geldvermehrung und Nullzinspolitik eigentlich auch nur noch Elektronenbündel ohne viel Gegenwert (außer Papieren überschuldeter Staaten) sind, so fingiert Libra doch mehrere Gegenparteien, nämlich diese Notenbanken und die Staaten dahinter. Kürzlich sind jedoch die großen Namen der Co-Sponsoren aus dem Projekt ausgestiegen. Facebook allerdings zählt weiterhin auf seine zwei Milliarden Nutzer.
Wie steigt der Bürger in Libra um?
Die Ersteinlage der Gründer, wie auch alle späteren Käufe von Libra durch Nutzer, werden in dem erwähnten Verhältnis in den bestehenden Währungen angelegt. Damit sollen auch kurzfristige Staatsanleihen und Bankeinlagen erworben werden. Diese wiederum sollen an verschiedenen Punkten der Welt deponiert sein.
Wenn Libra einmal funktioniert, würde ein Europäer also seine Euro gegen Libra-Einheiten eintauschen, Libra würde diese Euro wie erwähnt anlegen. Der Nutzer hielte den Gegenwert des Währungskorbes und könnte nun dank Blockchain sein Guthaben bequem dort speichern oder Zahlungen vornehmen. Über eine Milliarde Menschen sollen so neu ins Währungs- und Zahlungssystem eintreten können, ohne eine teure Bankverbindung zu haben. Die Zinserträge auf den Anlagen kommen den Gründern zu und bezahlen die Kosten des Systems.
Der Wert der Libra-Stücke ergibt sich aus den Schwankungen der eingeschlossenen Währungen des Korbes, wäre also stabiler als eine einzelne davon.
Neid und Angst – die Notenbanken sind dagegen
Warum aber nun der ziemlich wütende Widerstand von Notenbanken und Regierungen? Mit dem Währungskorb könnten die Bürger Notenbankgeld angesehener Staaten halten, welches den Manipulationen dieser Notenbanken nur wenig folgt. Nur wenn alle Notenbanken – wie im Moment – Geldvermehrung betreiben, bewegt sich der Währungskorb kaum. Wenn aber eine einzelne Notenbank inflationiert oder die Geldmenge einzieht, dann verändert sich deren Wert im Korb, der Korb aber schwankt nur minimal. Die Bürger können einer Notenbank entkommen. Die Autonomie der einzelnen Notenbank sinkt dadurch, sie wird an den andern direkt gemessen. Ebenso können die Bürger herunter gewirtschafteter Staaten wie Venezuela, Zimbabwe, Syrien, Türkei ihr Geld besser in Sicherheit bringen. Kapitalverkehrskontrollen der Diktaturen laufen eher ins Leere. Libra könnte sich als Parallelwährung einrichten – ein Händler in Syrien, Venezuela macht seine Geschäfte und rechnet in Libra, warum sollte das nicht auch ein Händler in Italien tun? Daher kommt ein wütender Verriss des Libra aus dem französischen Wirtschaftsministerium: die im Euro leidenden Staaten und ihre Bürger könnten diese Parallelwährung nutzen, die Staaten allenfalls dem Euro entfliehen.
Libra entflieht der Systemüberwachung kaum
Libra selbst ist noch nicht aus den Geburtswehen heraus. So will man zwar später als Blockchain-Währung „bewilligungsfrei“ werden. Doch mit den „realen“ Notenbankgeldern und Staatspapieren als Gegenwert braucht Libra Depotbanken, müssen Käufe und Verkäufe der Währungen stattfinden, um den Währungskorb stets den Kaufkraftverhältnissen anzupassen. Damit aber kommt wohl das übliche Banken- und Transaktionssystem ins Spiel. Dessen Transaktionen werden jeden Abend in New York durch zwei Clearing-Stellen saldiert. Die Banken teilen sich die anstehenden Überweisungen mit und führen nur gerade die überschießenden Spitzen tatsächlich aus. Doch die Behörden der USA wachen darüber. Wenn sie eine Bank, die mit Libra zusammenarbeitet, vom Clearing ausschließen, kann diese kaum mehr ernsthafte Geschäfte machen, wo auch immer in der Welt. Dies scheint das US-Finanzministerium der Libra-Association deutlich klar gemacht zu haben.
Libra als Währungskorb entkommt so den klassischen Notenbanken und den Bankaufsichten nicht. Eine Zuflucht in exotische Finanzplätze stattdessen ist undenkbar, denn das Ansehen des Währungskorbes würde leiden.
Das Wort hybrid kommt in den Sinn: Libra könnte weder Fisch noch Vogel sein. Oder es bleibt bei einem Maulesel, aus Esel und Pferd. Pflanzt sich aber nicht fort.
Lichtblicke am Horizont
Doch es gibt auch Lichtblicke: Libra hat, im Gegensatz zu den elektronischen Kunstwährungen, mehrere benennbare Sponsoren, die eben notfalls vor Gerichten geradestehen müssen. Außerdem soll der Korb immer voll mit den Währungen unterlegt sein, Libra betreibt also selbst keine Geldschöpfung.
Hingegen nähme die Geldversorgung der Welt zu, wenn Libra Riesenmilliardensummen einbezahlt bekäme, mit diesen Staatspapiere kaufte, und die verkaufenden Banken damit Spielraum für neue Kreditschöpfungen gewännen.
Ausgebremst wäre wohl die frivole Idee vieler Notenbanken und des Internationalen Währungsfonds, Bargeld nur noch zu weniger als 100% anzunehmen, um hohe Negativzinsen auf den Konten festlegen zu können. Kein Wunder, dass die Notenbanken Libra bekämpfen, weil deren Existenz die Möglichkeiten, ihre inflationäre Geldpolitik weiterzuführen, drastisch vermindern würde.
Libra mit kühnen Aussichten
Später könnten sich eigentliche Bankdienste oder bilaterale Kreditgewährungen über das Libra-Netz aufstellen. Dann würde sich vielleicht wieder ein weltweiter, realer Zinssatz ergeben. Auch aus diesem Grund wären die Notenbanken dann weniger autonom.
Hingegen könnten sie Libra abwürgen, wenn sie selbst wieder reale Zinsen durch den Markt zuließen. Dann würden die Libra-Nutzer ihr Geld wieder in zinstragende Notenbank-Währungen zurück wechseln. Denn Libra zahlt gemäß heutigen Vorstellungen keine Zinsen.
Eine weitere künftige Entwicklung – warum nicht Aktien, Wertpapiere selbst über dieses System handeln? Dann wären Börsen unnötig, die vielen Vorschriften auch, und es ginge im 24-Stunden-Betrieb, sieben Tage die Woche so. Vielleicht eher eine beängstigende Aussicht.
Die Ängste hingegen, welche die erschrockenen Behörden verbreiten, sind die üblichen – Geldwäscherei, Kriminalität, Steuerhinterziehung, Hackerangriffe, alles wird angeführt. Wie gegen Bargeld. Und gibt es heute mit dem üblichen Geldsystem diese lässlichen bis furchtbaren Verbrechen etwa nicht?
Das sind viele Unsicherheiten, viele Konjunktive, das System ist nicht fertig gebaut. Die Reaktionen der etablierten Geldbehörden sind noch offen, vielleicht auch zum Scheitern verurteilt. Hayek hätte dies sehr gewünscht.
Zum Thema:
Friedrich A. Hayek, Entnationalisierung des Geldes. Mohr-Siebeck, Tübingen 1977
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