Freihandel ist Menschenrecht

Eine seltsame Gedankenlosigkeit hat die europäischen und amerikanischen „chattering classes“, die Medien- und Meinungsindustrie, ergriffen. Man ist weitherum gegen Freihandelsabkommen, man kritisiert deren Schiedsgerichte, und man erklärt die Proteste der Wähler in den verschiedenen Ländern mit deren Angst vor dem globalen Handel. Gleichzeitig treten diese Kreise für Zuwanderung, für lockere Asylpolitik ohne weitere Überlegungen ein. Nun lenkt dies aber von den wirklichen Widerständen des Volkes (populus, populistisch) ab, nämlich den Bedenken gegen die hohe Zuwanderung.

Ursache der Migration ist fehlende Globalisierung

Logischer und menschlicher ist es, für den Freihandel und den dadurch möglichen Verbleib der Menschen zuhause einzutreten. Denn der Handel zwischen Ländern erlaubt diesen, sich zu spezialisieren. Damit gewinnen sie Wohlstand, kleine wie große, arme wie reiche Länder. Internationaler Austausch ist nämlich kein Nullsummenspiel, bei dem das eine Land gewinnt, was das andere notwendigerweise verliert. Sondern alle gewinnen. Sie geben Exporte her, die sie mit weniger Arbeit herstellen für Importe, die ihnen viel mehr Aufwand kosten würden. Damit gewinnen alle beteiligten Länder. Das sagt die Außenhandelslehre David Ricardos seit 150 Jahren, das belegen aber auch alle wirklich handeltreibenden, offenen Volkswirtschaften heute wie seit je. Es sind Fakten.

Logisch aber, dass die Menschen in Ländern, die nicht diese Exportmöglichkeiten haben, ihre Wohnstätten verlassen und auswandern müssen um zu arbeiten. Denn der Freihandel der Güter und Dienste ersetzt das Wandern der Arbeitskräfte. Globalisierung verhindert Migration. Freier Handel ist ein Menschenrecht.

Fehlender Freihandel bedeutet, dass Zolltarife, Mengenbeschränkungen oder falsch gesetzte Währungen den Austausch behindern dürfen. Liberale sehen, was viele linke Freihandelskritiker verdrängen – solche Behinderungen erlauben den geschützten Produzenten viel höhere Gewinne, weniger Innovationen. Die Einkommens- und Vermögensverteilung wird schiefer. Und das Niveau aller liegt tiefer, als wenn innoviert würde. Unverständlicherweise bekämpfen die lautstarken Gegner der atlantischen Freihandelsgespräche auch Schiedsgerichte. Wenn ein Konflikt im Handel auftritt, ist es ein Konflikt zwischen Nationen, da sind nationale Gerichte keine unverdächtigen Instanzen. Internationale Gerichtshöfe aber sind langsam, selten überall anerkannt, sodass Schiedsgerichte aus Experten, einvernehmlich ad hoc zusammengesetzt, schnell und unabhängig urteilen. Das funktioniert übrigens in der Welthandelsorganisation seit zwei Jahrzehnten bestens. Aber das kennen die plötzlich aufgetretenen Kritiker nicht, denn da haben sie nie protestiert.

Währungspolitische Barrieren

Falsche Währungskurse sind ein weiteres, schikanöses Handelshemmnis, das zu Migration zwingt. Der Euro hat das weniger konkurrenzfähige Südeuropa und Frankreich im Außenhandel behindert, Defizite anhäufen lassen, die Arbeitslosenheere haben sich verdoppelt. Bei den Jungen stieg sie auf 25 bis 40%, je nach Land. Abwerten können diese Länder nicht, der Euro ist ein Völkergefängnis, außer man bricht aus der Armut aus. Die Jungen, insbesondere gut Ausgebildete, wandern vom Süden nach Nordeuropa aus. Auch Bulgarien hat innert zehn Jahren eine Million von gut 8 Millionen Einwohnern verloren, Rumänien 2,6 Millionen von gut 20 Millionen. Beide Länder haben ihre Währung an den Euro angehängt.

Hinzu kommt die weitgehend unbekannte Mitgliedschaft der 14 westafrikanischen Länder im Euro/CFA-Franc, überschwemmt durch zu billige Importe, und ohne Exportchancen. Daher entleeren sich Mali, Senegal, Togo, Kamerun und die meisten anderen Länder Westafrikas in endloser Migration übers Mittelmeer.

Daraus ergibt sich: Den Gegnern des Freihandels ist intellektuelle Unterentwicklung vorzuwerfen. Denn gleichzeitig sind sie meistens vermeintlich großzügig und offen für Migranten. Sie praktizieren damit eine unheimliche Konsequenz – diese Menschen sollen zuhause keine genügenden Arbeitschancen haben, dafür sollen sie auswandern und hier als Unterschicht Nachttöpfe leeren und Straßen wischen.

Sozialstaaten vertragen keine unbeschränkte Einwanderung

Eine weitere Gedankenlosigkeit fügt sich an – ein ausgebauter Sozialstaat kann nicht die unbeschränkte Einwanderung dulden. Dennoch weiteten die europäischen Behörden die ursprüngliche Freizügigkeit laufend aus. Galt zuerst, ein Europäer müsse in einem anderen Land eine Stelle haben, oder mit Erfolg eine solche suchen, oder genügend Geld an sich haben, so verwässerten Revisionen und EuGH-Entscheide diese Bedingungen. Bürger konnten plötzlich direkt auf Europa-Ebene klagen, sie konnten immer mehr Sozialleistungen einklagen, die Unionsbürgerschaft kam. Heute zieht man voraussetzungslos um. Mit den einsamen Entscheiden der Kanzlerin 2015 gerieten sodann die Abkommen von Schengen und Dublin außer Kurs.

Auch hier der Vorwurf an die „chattering classes“: wenn die Briten nachweislich gegen diese immer weiter ausgelatschte Freizügigkeit entschieden, wenn in Osteuropa, in Frankreich, Italien, Deutschland die Oppositionsparteien rechts der Mitte zunehmen, dann soll man nicht „der Globalisierung“ die Schuld geben. Nein, die Bürger sind gegen diese laufend erweiterte Freizügigkeit und einseitige Zuwanderung, und sie merken, dass der Nationalstaat nicht mehr Herr über sein Territorium und dessen Bewohner ist. So war es nicht abgemacht.

Wenn hingegen die Nationen als die seit je wirklichen Garanten der Bürgerrechte, der Sozialleistungen und des Rechtsstaats intakt bleiben, aber offene Grenzen für Güter und Dienste haben, dann können die Menschen dort leben und arbeiten, wo sie sind.

Dieser Beitrag ist eine von Beat Kappeler angefertigte Neufassung zweier der 144 kurzen Kapitel aus seinem Buch „Leidenschaftlich nüchtern. Für eine freie und vitale Gesellschaft“, NZZ-Verlag, Zürich 2014.

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