Die Liste an schweren Fehlern, die der bekannte Ökonom Daniel Stelter in seinem neuen Buch „Das Märchen vom reichen Land. Wie die Politik uns ruiniert“ der deutschen Politik vorhält, ist lang. Der Kern seiner Kritik: Es wird an den falschen Stellen gespart – bei Infrastruktur, Digitalisierung, Bildungssystem, Bundeswehr und Industriepolitik – und gleichzeitig rein Konsum-orientiert Geld ausgegeben, was laufend zu Mehrkosten führt. Stelter nennt hier die Eurorettung, den ausufernden Sozialstaat, die fehlgeleitete Migrationspolitik, die Rentenpolitik, die teure Energiewende und unzählige Subventionen. Hier geschehe Wohlstandsvernichtung, die unweigerlich den wirtschaftlichen Abstieg Deutschlands einleiten wird: „Überschlägig addieren sich die offenen und verdeckten Lasten auf mehrere hundert Prozent des deutschen BIP. Dies kann sich kein Staat der Welt leisten.“ Kurz: „Wie man ein Land ruiniert, kann man an Deutschland studieren.“
Deutschlands Wirtschaftsdaten sind an sich nicht schlecht. Die von 2003 bis 2005 durchgeführte Agenda 2010 zur Reform des Sozialsystems hat nach Ansicht der meisten Ökonomen gefruchtet, wie die Folgejahre zeigen. Doch das heutige Wachstum basiert auf Faktoren, die nicht nachhaltig sind, wie Daniel Stelter im Interview mit dem Austrian Institute unterstreicht. Einige der von ihm genannten Faktoren, wie die anhaltende Euro-Krise und die weltweit wachsende Verschuldung betreffen sämtliche Länder, nicht nur Deutschland.
Daniel Stelter, geboren 1964 in Berlin, zählt laut der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zu den 100 einflussreichsten Ökonomen Deutschlands. Auf seinem Blog „Beyond the Obvious“ stellt er makroökonomisch denkbare Szenarien und Lösungsvorschläge für die großen Herausforderungen vor. Er hat mehrere erfolgreiche Sachbücher zu aktuellen Wirtschaftsfragen verfasst, darunter „Eiszeit in der Weltwirtschaft“, „Die Billionen-Schuldenbombe“, „Die Schulden im 21. Jahrhundert“ und „Die Krise … ist vorbei … macht Pause … kommt erst richtig: Was passiert mit unserem Geld“. Stelter war von 1990 bis 2013 Unternehmensberater bei der Boston Consulting Group (BCG). Von 2003 bis 2011 verantwortete er weltweit das Geschäft der BCG-Praxisgruppe Corporate Development. Seit 2007 berät er internationale Unternehmen bei der Vorbereitung auf die Herausforderungen der fortschreitenden Finanzkrise.
Austrian Institute: Vor 15 Jahren galt Deutschland als der kranke Mann der Europäischen Union. Heute sind die Wirtschaftsdaten, das Bruttoinlandsprodukt und die Arbeitslosenzahlen vergleichweise erfreulich. Alles falsch gemacht hat Deutschland dann wohl nicht?
Daniel Stelter: Vordergründig ja. Die Frage ist nur: Warum haben wir diese gute wirtschaftliche Entwicklung? Die Antwort: Aufgrund einiger Sonderfaktoren, die in Wahrheit auf unsere Untätigkeit in der Krise der Euro-Zone zurückzuführen sind. Um das zu erklären: Deutschland war zunächst mit einem zu hohen Wechselkurs dem Euro beigetreten, was zum Verlust der Wettbewerbsfähigkeit geführt hat. Hinzu kam, dass sich die Europäische Zentralbank (EZB) bei der Geldpolitik immer am Durchschnitt orientieren musste. Deshalb war das Geld für Deutschland damals zu teuer. Mit der D-Mark hätten wir sicher tiefere Zinsen gehabt. Umgekehrt war das Geld für die heutigen Krisenländer Portugal, Spanien, Griechenland und auch Italien zu billig. Dann haben wir unsere Hausaufgaben gemacht und über die Hartz-IV-Reformen und die Senkung der Lohnstückkosten wieder Wettbewerbsfähigkeit erzielt. Dann kam es zur Euro-Krise, die ausgelöst wurde durch das zu billige Geld für die heutigen Krisenländer, die vorwiegend in unproduktive Dinge wie Immobilien investiert haben.
In der Folge senkte die EZB die Zinsen um Rezession und drohenden Eurozerfall abzuwenden. Dies belebte die Nachfrage in Deutschland und die Schwäche des Euro begünstigt die deutsche Export-Wirtschaft. Darüber hinaus erleben wir weltweit eine Industrialisierung, wovon Deutschland, das Maschinen und Autos verkauft, besonders profitiert.
Diese Faktoren sind nicht nachhaltig. Geld bleibt nicht ewig billig. Auch ob der Euro in dieser Form erhalten bleibt, ist offen. Hinzu kommt, dass hinter dem weltweiten Aufschwung eine gigantische Verschuldung steckt. Seit der Finanzkrise 2009 ist die private und staatliche Verschuldung um ungefähr 50.000 Milliarden Euro gestiegen. Deutschland erlebt daher einen Schein-Boom.
Die Hartz-IV-Reformen und die Agenda 2010 nützen Deutschland aber bis heute?
Sicher. Eine Folge ist aber auch, dass wir eine schlechtere Binnennachfrage hatten, weshalb sich die Wirtschaft noch mehr auf den Export orientiert hat. Diese einseitige Exportorientierung macht uns anfällig für Schwankungen in der Weltkonjunktur und für Probleme der Euro-Zone. Und in einer Welt, die unter Nachfrageschwäche leidet, macht man sich mit großen Überschüssen unbeliebt. Was noch hinzukommt: Jeder Handelsüberschuss ist mit einem Export von Kapital verbunden. Wir haben also unsere Ersparnisse im Ausland angelegt. Schon in der Vergangenheit waren die Deutschen keine guten Finanzanleger. Allein bei der Finanzkrise 2009 haben wir rund 400 Milliarden Euro verloren. Und jetzt bauen wir wieder Forderungen gegenüber dem Ausland auf. Ist es klug in einer Welt der Überschuldung Gläubiger zu sein? Ich sage nein. Im übrigen machen die Target2-Forderungen von mittlerweile rund 1.000 Milliarden Euro einen erheblichen Teil des deutschen Auslandsvermögens aus.
Deutschland finanziert seine Exporte selbst
Deutschland dürfte 2018 neuerlich Export-Weltmeister werden. Die Exportindustrie profitiert davon. Kommt dieser Leistungsbilanzüberschuss auch dem Durchschnittsbürger zugute?
Die Hauptprofiteure sind Export-Unternehmen und ihre Eigentümer. Bei jenen Unternehmen, die börsennotiert sind, sitzen die Eigentümer freilich großteils im Ausland. Natürlich: Die Mitarbeiter dieser Firmen bekommen ein höheres Gehalt und durch den Strahlungseffekt profitieren indirekt alle davon, denn die Mitarbeiter gehen dann mehr essen, renovieren ihr Haus et cetera und stimulieren so die Binnenwirtschaft. Aber letztlich finanzieren wir die Exporte selbst: Wir geben Kredite ins Ausland, haben die Target2-Forderungen und werden zunehmend in die europäische Solidarität gezwungen – siehe die aktuelle Diskussion über die Transferunion. Das ist ein von uns selbst bezahltes Subventionsprogramm für unsere eigene Industrie. Die damit einhergehenden Risiken und steuerlichen Belastungen treffen alle Bürger. Diese Verteilungswirkung innerhalb der Gesellschaft wird unter den Teppich gekehrt. Was man auch nicht vergessen darf: Zur Zeit der Lira, die alle paar Jahre abgewertet hat, konnte man billig in Italien Urlaub machen und dort günstig einkaufen. Dieser Wohlstandseffekt fällt heute weg.
Sie haben mehrfach unterstrichen, dass der Außenhandelsüberschuss vor allem mit dem Euro verbunden ist. Wird dieser Überschuss bestehen bleiben, solange der Euro bleibt?
Die anderen Länder im Euro-Raum werden sich das auf Dauer nicht gefallen lassen. Im übrigen geben wir aber anderen Ländern faktisch das Geld, damit sie unsere Waren kaufen. Man muss sich fragen, ob so ein selbst finanziertes Subventionsprogramm vernünftig ist.
Halten Sie den Euro für stabil?
Wie sich gezeigt hat, ist der Wille der Politik, den Euro zu erhalten, sehr ausgeprägt. Deshalb wird die EZB im Zweifelsfall immer intervenieren. Allerdings greifen alle Überlegungen, die Euro-Zone zu stabilisieren, zu kurz, denn die Transfer-Union kann dafür gar nicht so groß sein, wie der Internationale Währungsfonds nun vorgerechnet hat. Wir können somit wenig machen. Die Länder müssten ihre Hausaufgaben selber machen, nur bin ich da zunehmend skeptisch, denn es ist für Politiker attraktiv, dem Euro oder Deutschland die Schuld an der eigenen wirtschaftlichen Misere zu geben – siehe Italien. Wie lange das gut geht, ist eine Frage der Zeit. Die Spannungen bauen sich weiter auf. Deshalb denke ich nicht, dass der Euro in dieser Form nachhaltig überleben wird. Er wird nicht auf einmal untergehen. Über viele Interventionen wird man versuchen ihn zu erhalten.
Target2 ist ein Zahlungsverkehrssystem über das nationale und grenzüberschreitende Zahlungen in Zentralbankgeld abgewickelt werden. Die dabei entstehenden Target2-Forderungen veranschaulicht Stelter in seinem Buch mit einem Bild: „Jeden Abend kommen Gäste in die Kneipe und schreiben Bier und Korn beim Wirt an. Der Wirt reicht die Forderungen gegen seine Gäste bei der Bank ein und bekommt dafür Geld. Zahlen die Gäste später nicht, so ist es nicht mehr das Problem des Wirtes, sondern der Bank, die die Forderungen angekauft hat. Im Target2-System sind die Exportindustrie und die Banken, denen die Fluchtgelder aus den Krisenländern zufließen, die Wirte. Die Bank, bei der die Forderung über Umwege landet, ist die deutsche Bundesbank, die innerhalb des Eurosystems die Kredite gewähren muss. … Zins-und tilgungsfrei gewährt so die Bank, deren Eigentümer wir alle sind, Kredit an schwache Schuldner, ohne Sicherheit und ohne Aussicht, jemals wieder das Geld zurückzubekommen.“
Sollte der Euro-Raum brüchig werden – etwa wenn Italien austritt – wird Deutschland erhebliche Probleme kriegen, auch im Hinblick auf die von Ihnen genannten Target2-Forderungen Deutschlands von mittlerweile 1.000 Milliarden Euro. Italien hat hingegen einen negativen Saldo von rund 500 Milliarden Euro. Die Deutsche Bundesbank würde auf ihren Forderungen also sitzen bleiben.
Zweifelsohne. Die 1.000 Milliarden Euro sind dann weg; wir hätten genauso gut unsere Autos verschenken können. Allerdings wären die Target-Forderungen dann nur eines von vielen Problemen. Eine massive Wirtschaftskrise verbunden mit einem Einbruch der Exporte und hoher Arbeitslosigkeit wäre die Folge.
Es gebe für Deutschland Möglichkeiten, die Target2-Salden abzubauen, nur werden die nicht genützt.
Wir könnten mit Fonds gezielt in andere Assetklassen investieren und zum Beispiel in Italien, Spanien oder Frankreich Autobahnen aufkaufen. Andere Länder mit Exportüberschüssen wie Singapur und Norwegen machen das sehr erfolgreich. Das muss auch nicht alles der Staat machen. Er kann so etwas organisieren, damit es privatwirtschaftlich exekutiert wird und die Target2-Salden gezielt abgebaut werden. Dass die deutsche Politik hier untätig bleibt, anstatt das zu tun, was eigentlich auf der Hand liegt, ist einer meiner Hauptvorwürfe.
Hohe Einkommen, niedrige Vermögen
Ein anderes Thema: Das durchschnittliche deutsche Haushaltsvermögen ist im EU-Vergleich niedrig. Wie kommt es, dass die Deutschen im Schnitt viel verdienen, viel sparen, aber nur wenig Vermögen aufbauen?
Zunächst haben wir einmal eine sehr hohe Abgabenlast, die zweithöchste nach Belgien. Natürlich haben auch zwei Weltkriege viel Vermögen vernichtet. Drittens verfolgen wir – und das ist ein Hauptfaktor – eine falsche Anlagestrategie: Wir haben eine geringere Aktien- und Immobilienquote als andere Länder. Die Deutschen sparen gerne auf Sparbuch und Konto. Damit kann man langfristig bestenfalls einen Blumentopf gewinnen; die Renditen betragen höchstens ein Prozent, bei Immobilien und Aktien aber sechs Prozent. Das alles kommt zusammen.
Sehen Sie beim letzten Punkt auch den Staat in der Pflicht?
Der Staat hat alles getan, um die deutschen Sparer in Lebensversicherungen und ähnliche Anlageformen zu treiben, auch mit dem Hintergedanken, die eigene Finanzierung zu sichern, weil diese vor allem in Staatsanleihen investieren. Die Regierung hätte andere Anreize setzen sollen um unser Geld nicht in Geldvermögensformen des Sparens zu treiben sondern eben in Produktivvermögen wie Immobilien und Aktien.
Wie ist es um die Staatsverschuldung bestellt, angesichts der vielen Versprechungen, die die Politik den Bürgern gemacht hat?
(lacht) Kurz gesagt: schlimm. Die schwarze Null des deutschen Bundeshaushalts ist eine große Lüge. Zum einen ist sie keine große Leistung, weil die Zinsen so stark gefallen sind. Dann hat der Staat an der falschen Stelle gespart, nämlich bei Investitionen in Infrastruktur, Digitalisierung und Bildung. Wir haben fast keine Glasfaser-Verbindungen. Man schätzt, dass allein aufgrund unserer veralteten Infrastruktur kurzfristig 120 Milliarden Euro erforderlich sind. Und schließlich hat die Politik die verdeckten Verbindlichkeiten erhöht, etwa durch Wahlgeschenke wie die Rente mit 63. Seit Jahren sinkt die offizielle Verschuldung, aber die verdeckte steigt. Eine massive Fehlentwicklung.
Asien auf der Überholspur
In puncto Bildung und Digitalisierung ist Ostasien mittlerweile sehr erfolgreich.
Innovation und Wachstum werden künftig aus Asien kommen, nicht aus Europa. Zu dem Wachstum an Arbeitskräften gesellt sich bei den Asiaten auch der enorme Zuwachs an Bildung hinzu. Bei den Pisa-Ratings und besonders bei den mathematischen Fähigkeiten – einem ganz wichtigen Frühindikator für die Innovationsfähigkeit einer Gesellschaft – liegen sie im Spitzenfeld. Bei uns gibt es gleichzeitig einen Rückgang der akademischen und schulischen Leistungen, speziell in den MINT-Fächern.
Ebenfalls ein ganz Europa betreffendes Problem: Qualifizierte Zuwanderer gehen vor allem nach Australien und Kanada, unqualifizierte nach Europa.
Das ist im Prinzip logisch: Kanada setzt bei der Zuwanderung auf Qualifikation, bei uns werden hingegen durch den Sozialstaat falsche Anreize gesetzt. Deshalb bezahlen die Migranten auch nicht unsere Renten, wie die Politiker fälschlicherweise annehmen. Sie wandern viel mehr in unsere Sozialsysteme ein, sodass wir den jungen Leute eine weitere Last aufbürden: Sie müssen nun abgesehen von den Rentnern auch noch die Zuwanderer, die keinen produktiven Beitrag leisten, bezahlen. Das führt zu einer finanziellen Überforderung. Was dabei immer vergessen wird: So fördern wir auch die Abwanderung aus Deutschland. Jährlich verlassen rund 200.000 Deutsche das Land.
Sie sind auch bei den gegenwärtigen Plänen zur Verbesserung der Zuwanderungspolitik skeptisch.
Wir diskutieren gerade in Deutschland ein Zuwanderungsgesetz, um qualifizierte Fachkräfte ins Land zu holen. Nachdem das Gesetz beschlossen sein wird, werden wir feststellen, dass qualifizierte Zuwanderer bei uns nicht Schlange stehen werden. Die suchen sich zunächst nämlich Länder, in denen die Sprache kein so großes Problem ist. Diesen Vorteil haben die angelsächsischen Länder. Darüber hinaus gehen sie in ein Land, in dem die Abgabenbelastung nicht so hoch ist und in dem die Menschen nett zu Ausländern sind. Deutschland ist hier auf dem falschen Weg. Nicht nur haben wir die zweithöchste Abgabenbelastung, wir haben auch durch die falsche Zuwanderungspolitik der vergangenen Jahre und Jahrzehnte, die überwiegend im Niedriglohn-Sektor erfolgte, eine wachsende Unzufriedenheit der Bevölkerung mit den Zuwanderern gefördert. Das wirkt abschreckend, denn die Bevölkerung unterscheidet nicht zwischen Zuwanderern, die in unser Sozialsystem einwandern, und solchen, die einen wichtigen Beitrag zur Sicherung des Wohlstands leisten. Das neue Gesetz wird belegen: Wir sind attraktiv für jene Zuwanderer, die wir nicht gerne hätten, aber unattraktiv für jene, die wir gerne hätten.
2025 wird die Babyboom-Generation in Rente gehen. Das umlagebasierte Rentensystem müsste bis dahin reformiert werden.
Sie haben heute gute Chancen 20, 30 Jahre lang die Rente zu beziehen. Mathematisch geht sich das aber nicht mehr aus. Man kann nicht einen höheren Anteil des Lebens Leistungsbezieher sein als Einzahler. Das Rentenalter müsste erhöht werden. Man sieht daran, wie ungerecht die jetzige Politik ist: Sie billigt heutigen Rentnern Zahlungen und Leistungen zu, die spätere Rentner nicht kriegen werden. Das geht zulasten des Großteils der Bevölkerung, die noch immer in der trügerischen Hoffnung auf diese Renten lebt. Die Enttäuschung wird entsprechend heftig sein und in der Politik populistische Tendenzen befördern.
Was werden die populistischen Stimmen fordern?
Zum Beispiel eine Besteuerung der Reichen. Wir werden dann noch viel mehr Staat, viel mehr Umverteilung, viel mehr Eingriffe in die Wirtschaft sehen und uns in Richtung Staatswirtschaft bewegen. So wird man das Problem aber nur verschärfen und den Mittelstand noch mehr belasten. Mit der stärkeren Umverteilung und der höheren Abgabenlast wird die Abwanderung zunehmen.
Nur mehr wenig Zeit für einen Neustart
Kommen wir zu den Lösungsvorschlägen: Wie könnte der Staat private Investitionen im Inland fördern?
Der Staat muss zunächst dringend bessere Rahmenbedingungen schaffen und Deutschland als Standort attraktiver machen, indem er selber investiert, etwa bei Glasfaser, Bildung, digitaler Infrastruktur und Straßen. Zum anderen sollte man das Steuersystem ändern. Ich denke, wir müssen die privaten Haushalte entlassen. Für Unternehmen sollte man das Steuersystem so umbauen, dass ein höherer Anreiz zu Investitionen im Inland besteht. Wer nicht investiert, wird dafür höher besteuert.
Bis wann müsste Deutschland die Reformen umsetzen, um wieder auf Erfolgskurs zu kommen?
Viel Zeit haben wir nicht mehr. Wenn die Babyboomer im Jahr 2025 in Rente gehen ist es zu spät. Was wir unbedingt brauchen ist ein Umbau des Rentensystems, eine Reduktion der verdeckten Verschuldung, die Förderung von Investitionen im Inland, eine Begrenzung und Steuerung der Zuwanderung und stärkere Anreize für Zuwanderer erwerbstätig zu sein.
Ihr Buch heißt: „Das Märchen vom reichen Land“. Viele Maßnahmen wurden genau damit begründet: „Wir sind ein reiches Land, deshalb können wir auch…..“
Ja klar. Mit solchen Begründungen konnten wir die Rente mit 63 einführen, Migration in das Sozialsystem zulassen, uns die zweithöchste Abgabenquote in Europa leisten und eine überstürzte Energiewende einleiten, die zu den höchsten Energiepreisen in Europa geführt hat. Einzelne dieser Dinge können wir vielleicht machen, aber alle zusammen führen zu einer Überforderung.