Die Wahlen in den USA brachten Verwirrendes hervor: Konservative Republikaner, die sich eines linken Jargons bedienen, mit dem sie sich als Vertreter der Arbeiter und Kämpfer gegen das Großkapital gerieren. Einen dissidenten Robert F. Kennedy Jr., der gegen Big Pharma wettert und nun Gesundheitsminister wird, unter einem Präsidenten, der vielen als dermaßen weit rechts stehend gilt, dass sie ihn als Faschisten bezeichneten. Dennoch wählten ihn zunehmend auch Schwarze, Latinos, Frauen und junge Menschen. Eine schwarze Trump-Wählerin aus Giorgia, von Beruf Ärztin, erklärte, sie wolle nicht mehr einfach als Schwarze oder als Frau, sondern als Ärztin wahrgenommen werden. Die sich als progressiv“ verstehende woke Demokratische Partei sei ihr fremd geworden.
Wir sollten über Inhalte, Ideen, Zusammenhänge und Lösungen sprechen. Und danach trachten, politische und wirtschaftliche Positionen, ohne den Gegner zu verteufeln, mit möglichst klaren Argumenten zu begründen, um im Wettbewerb der Ideen den besten zum Durchbruch zu verhelfen.
Das klassische Links-rechts-Schema scheint also nicht mehr zu funktionieren, die Positionen vermischen sich. Überlagert werden die Gegensätze vom sogenannten Populismus. Dieser ist schlecht einzuordnen. Typisch für ihn ist, dass er aus unmittelbaren Krisenphänomenen lebt und sich direkt an das „Volk“ und gegen die staatstragenden „Eliten“ wendet, ja diesen gegenüber Verachtung zelebriert. Inhaltlich jedoch kann Populismus rechts oder links sein.
Populismus und Antikapitalismus: links oder rechts?
Die uns bekannten „populistischen“ Parteien scheinen allerdings allesamt rechts zu sein. Des „Linkspopulismus“ wird deshalb kaum eine bezichtigt, was eigentlich erstaunen muss. Ist doch gerade die antikapitalistisch-marxistische Utopie, wenn sie zur politischen Tat schreitet, ein klassischer Fall von Populismus, denn als politische Bewegung fordert sie zur Mobilisierung der Arbeiterklasse gegen die herrschenden bürgerlichen Eliten auf. Diese, so das marxistische Narrativ, beuten die Arbeiterklasse aus, um damit ihre eigene Macht und ihren Reichtum auf Kosten der Massen zu sichern. Eine antikapitalistische Politik der „Expropriation der Expropriateure“ entspricht ganz dem populistischen Muster. Aktuelles Beispiel: Venezuela. Aber auch der argentinische Peronismus war fast durchwegs populistisch und links, vor allem in der Zeit des sogenannten Kirchnerismus, also bis zum Wahlsieg von Javier Milei.
So wie der Populismus nicht unbedingt rechts ist, ist auch der Antikapitalismus nicht nur immer links. Schon immer gab es einen Antikapitalismus von rechts: Den Antikapitalismus der Konservativen, der deutschen Junker, Landbesitzer, den Antikapitalismus der kleinen Gewerbetreibenden und Handwerker, die sich im Wien des späteren 19. Jahrhunderts gegen die Industrialisierung wehrten und sich dem Antisemitismus verschrieben. Nicht zuletzt daraus ging dann die Christlichsoziale Partei unter dem Wiener Bürgermeister Karl Lueger hervor.
Antikapitalismus und Antisemitismus: Rechts und Links im Gleichschritt
Es gab aber noch prominentere und vor allem extremere rechte Antikapitalisten: Adolf Hitler war vom Antikapitalismus besessen. Sein Hass gegen das „internationale Finanzkapital“ war auch entscheidender Nährstoff seines Antisemitismus. Doch war auch der sowjetrussische Sozialismus antisemitisch. Im Rahmen von Stalins Säuberungen, die Millionen von Menschen das Leben kosteten, gab es vor allem Massenmorde an Juden. War deshalb Stalin ein „Rechter“ – oder gar ein „Nazi“?
Der linke Antisemitismus wurde lange übersehen oder verschwiegen. Heute äußert er sich deutlich und in peinlichster Weise im Unisono mit dem islamischen Antisemitismus, der allerdings nicht antikapitalistisch, sondern religiös begründet ist.
Der linke Antisemitismus wurde lange übersehen oder verschwiegen. Heute äußert er sich deutlich und in peinlichster Weise im Unisono mit dem islamischen Antisemitismus, der allerdings nicht antikapitalistisch, sondern religiös begründet ist. Islamischer Judenhass war immer schon die Ursache des arabischen bzw. palästinensischen Kampfes gegen den Staat Israel – sprich: gegen die Juden. Die progressive westliche Linke hat sich diesem Kampf seit 1967 (Sechstagekrieg) angeschlossen, nicht aus religiösen, sondern aus ideologischen Gründen. Dass hinter Antizionismus und Israelkritik – die es ja ebenfalls auf jüdischer Seite gibt – auch Antisemitismus stehen kann, wurde spätestens klar, als Linke das Existenzrecht des Staates Israel negierten, das Hamas-Massaker vom 7. Oktober 2023 als legitime Befreiungstat feierten und, Seite an Seite mit den exterminatorischen arabischen Judenhassern, Parolen wie „From the river to the sea, Palestine shall be free“ skandierten.
Auch der Sozialstaat ist nicht nur links
Nicht nur Antikapitalismus und Antisemitismus gibt es sowohl rechts wie auch links, auch die Forderung nach einem beschützenden und fürsorglichen Sozialstaat ist auf beiden Seiten des politischen Spektrums anzutreffen. Die linke Version des Sozialstaats ist der Staat, der alle Lebensrisiken abzusichern sucht, von Reich nach weniger Reich umverteilt und die Bürgerinnen und Bürger zum Zwecke ihrer Wohlfahrt und Vorsorge gänzlich vom Staat abhängig macht. Für den linken Sozialstaat ist soziale Ungleichheit als solche ungerecht, ja ein Skandal. Zu ihrer Überwindung erscheint ihm jeder Eingriff in die individuelle Freiheit und jegliche Beschränkung von Eigentumsrechten legitim.
Vom Sozialstaat gibt es aber auch eine „rechte“ Variante. Frankreichs populistische Rechte unter Marine le Pen will selbstverständlich einen starken Sozialstaat, der sich um seine Bürger, die Franzosen, fürsorglich kümmert. So auch die österreichische FPÖ: Sie ist eine soziale Partei und will der österreichischen Bevölkerung ein sicheres Zuhause bieten. Sie glaubt dabei an die wohltuende und fürsorgliche Hand des Staates und wehrt sich deshalb dagegen, als rechte Partei wahrgenommen zu werden. Doch hat der deutsche Historiker Götz Aly – sehr zur Verärgerung der Linken – in seinem Buch „Hitlers Volksstaat“ gezeigt, was der „nationale Sozialismus“ eigentlich war: Eine soziale Versorgungsmaschinerie für das deutsche Volk. War das nun also auch nicht rechts, sondern links?
Allerdings ist der linke Sozialstaat egalitär und inklusiv, bis hin zu seiner Selbstzerstörung will er niemanden ausschließen. Der Sozialstaat von rechts hingegen macht sozialstaatliche Leistungen von nationalen Zugehörigkeitsmerkmalen abhängig, er bekämpft die „Immigration in das Sozialsystem“, will also nicht alle einschließen und wird deshalb gar als „rassistisch“ wahrgenommen. Egalitarismus und Anti-Egalitarismus wären als doch eindeutige Unterschiede zwischen links und rechts.
Linke sind weniger egalitär als es scheint
Doch auch der linke Sozialstaat hat hier seine Tücken. Auch er muss sich auf Kosten einer bestimmten gesellschaftlichen Gruppe finanzieren. Er enteignet dafür nicht die Juden, sondern teilweise die Superreichen und Reichen. Sie werden nicht durch rassische Merkmale, sondern aufgrund ihrer Steuerdaten identifiziert. Beidem liegen Umverteilungsmotive und grobe Missachtung von Eigentumsrechten zugrunde.
Das linke Rechtsverständnis ist in Wirklichkeit insofern diskriminierend, weil wirtschaftlicher, unternehmerischer Erfolg, der zu Reichtum führt, diskriminiert wird. Eigentumsschutz gilt für Linke nicht für alle in gleicher Weise.
Trotz aller Unterschiede gibt es hier strukturell eine Parallele. Ist das eine rechts, das andere links, nur weil sich das eine „völkisch“, das andere „sozial“ bzw. „egalitär“ begründet? Ist nicht auch in gewisser Hinsicht der exterminatorische Rassismus egalitär, wie er eine Gesellschaft rassisch gleicher Volksgenossen schaffen will und darin das Heil erblickt? Entscheidend ist letztlich: beides ist kollektivistisch – und Kollektivismus ist weder links noch rechts, es gibt ihn auf beiden Seiten, die eben in dieser Hinsicht – der Missachtung von Freiheit und Rechtsgleichheit – gar nicht zwei entgegengesetzte „Seiten“ sind.
Das linke Rechtsverständnis ist in Wirklichkeit insofern diskriminierend, weil wirtschaftlicher, unternehmerischer Erfolg, der zu Reichtum führt, diskriminiert wird. Eigentumsschutz gilt für Linke nicht für alle in gleicher Weise. Der 1919 von den Sozialdemokraten in die Weimarer Verfassung eingebrachte Grundsatz „Eigentum verpflichtet“ war nie als moralischer Apell gemeint, sondern begründete einen Freipass für den Staat, die Reichen mit Polizeigewalt zu zwingen, dieser – in ihrem konkreten Umfang von der jeweiligen Politik definierten – „gesellschaftlichen Verpflichtung“ nachzukommen.
Auch im linken Sozialstaat gibt es also Diskriminierung, die zudem volkswirtschaftlich – und in der Konsequenz auch sozial – deshalb schädlich ist, weil sie direkt auf jene losgeht, die für wirtschaftliche Wertschöpfung, Wachstum und allgemeinen Wohlstand entscheidend sind. So wie es halt auch die Juden einmal waren, weshalb sie immer wieder privilegierte Opfer privater und staatlicher Raffgier wurden.
Überspitzt gesagt: Man kann aus einem Land, wenn man es schädigen will, die Juden vertreiben; man kann daraus aber auch die Reichen und Produktiven vertreiben. Zumindest ökonomisch betrachtet ist der Effekt ähnlich, auch wenn die Sache selbst ganz unterschiedlich ist.
Überspitzt gesagt: Man kann aus einem Land, wenn man es schädigen will, die Juden vertreiben; man kann daraus aber auch die Reichen und Produktiven vertreiben. Zumindest ökonomisch betrachtet ist der Effekt ähnlich, auch wenn die Sache selbst ganz unterschiedlich ist: Das erste ist ein verbrecherischer, exterminatorischer Akt aufgrund der Zugehörigkeit zur einer „Rasse“; das zweite eine – im Vergleich dazu harmlose – Verletzung von Eigentumsrechten ohne Vertreibungs- und Vernichtungsabsicht.
Strukturelle Parallelen – moralische Unterschiede
Doch geht es hier um eine strukturelle Analyse zum Zwecke, den gordischen Knoten der Paradoxien des Links-rechts-Schemas aufzulösen. Die eigentlichen Unterschiede liegen eher auf der moralischen Ebene. Bekanntlich attestierte der unerbittliche Sozialismuskritiker und -gegner Friedrich A. von Hayek vielen Sozialisten – vielleicht weil er selbst in früher Jugend einer gewesen war – gute und löbliche Absichten. Er kritisierte sie nur für ihr ökonomisches Unverständnis und ihre politische Naivität, die in der Konsequenz ein „Weg in die Knechtschaft“ sind.
Der exterminatorische Antisemitismus der Anhänger der NS-Ideologie hingegen ist bereits aufgrund seiner Absicht pervers. Es ist ein „böser Sozialismus“. Es gibt gutmeinende echte Sozialisten, gutmeinende Nazis kann man sich nicht vorstellen. Der linke Sozialismus, auch in seiner sozialdemokratischen Form, hatte berechtigte Anliegen, die hingegen dem „National-Sozialismus“ nie innewohnten. Allerdings war ein Motiv für Antisemitismus auch der Sozialneid. Dieser bewegt auch den linken Antikapitalismus, heute allerdings auch den Populismus von rechts. Deshalb auch hier: Unschärfen und Überschneidungen.
Wie die Geschichte zeigt, ist jedoch jeder Kollektivismus – und deshalb auch der Sozialismus – anfällig für das Böse und kann sogar mörderisch werden, genau dann nämlich, wenn er ideologisch verblendet, bis hin zur fanatischen Blindheit, selbst die Welt in Gute und Böse einzuteilen beginnt.
Wie die Geschichte zeigt, ist jedoch jeder Kollektivismus – und deshalb auch der Sozialismus – anfällig für das Böse und kann sogar mörderisch werden – man erinnere sich, abgesehen von Stalinismus, Maoismus und Co., an die RAF oder die „Brigate Rosse“ –, genau dann nämlich, wenn er ideologisch verblendet bis hin zur fanatischen Blindheit, selbst die Welt in Gute und Böse einzuteilen beginnt: die Herrschenden und die Unterdrückten, die Reichen und die Armen, die Ausbeuter und die Ausgebeuteten, schließlich: die Kapitalisten und die Arbeiter. Und in seiner heutigen Transformation dann auch: Weiße und Schwarze, bis hin zum woken antikolonialistischen und identitätspolitischen Diskurs, der zurückfällt auf einen vor- und antiliberalen Partikularismus, der auch nicht besser als der Nationalismus von rechts ist, weil er die Zugehörigkeit zu einer ethnischen oder kulturellen Gruppe über den liberalen Universalismus der Würde des Individuums stellt – also wiederum kollektivistisch ist. Auch hier demnach wieder Verwirrung: was ist nun links, was rechts?
Nationalismus war ursprünglich links
Um Verwirrung und Unübersichtlichkeit nochmals zu steigern: Es gibt nicht nur den Nationalismus von rechts, sondern auch einen linken Nationalismus. Ja mehr noch: Der Nationalismus war ursprünglich links. Er entstand in einer Zeit, als die „Rechte“ – die damaligen Konservativen und Anhänger der überkommenen aristokratischen Ordnung – der herrschende Adel war, der seine Standesprivilegien verteidigte.
Ähnlich in den Städten des späten 18. Jahrhunderts, wo noch die mächtigen Zünfte und Gilden den Ton angaben, ihre eigenen Interessen protektionistisch abschirmten und das Nationale keine Rolle spielte: Sie verteidigten die alte Ordnung gegen die liberale – damals eben „linke“ – Forderung nach Gewerbefreiheit. Das „Nationale“ und die Identifizierung mit der „Nation“ wurde zum Kampfbegriff jener progressiven Kräfte, die für Freiheit und bürgerliche Gleichheit eintraten. Erst später wurde er zur Domäne der Rechten, auch gegen den sozialistischen Internationalismus.
Im Namen von Liberalismus formierten sich die bürgerlichen Revolutionen mit ihrem nationalen Charakter, formten sich nationale Einigungsbewegungen, entstand der Nationalstaat des 19. Jahrhunderts, der den aristokratischen Partikularismus der alten Ordnung zu überwinden suchte. Erst allmählich verband sich die nationale Idee mit einem Etatismus, in seiner monarchistischen Form in Deutschland und anderswo heute als „rechts“ wahrgenommen wird.
Die Unterscheidung „links-rechts“ mag zu gewissen Zeiten eindeutige Zuordnungen erlaubt haben, entzieht sich aber einer klaren theoretischen Begründung. Sie stammt ja ursprünglich aus der Sitzordnung in der französischen verfassungsgebenden Nationalversammlung von 1789.
Ebenso verband sich im Laufe des 19. Jahrhunderts der Nationalismus mit dem Antisemitismus. Voraussetzung war die Emanzipation der Juden, ihre bürgerrechtliche Gleichstellung durch den liberalen Staat. Die plötzlich „gleichen“ Juden wurden nun plötzlich als „Bürger ohne Vaterland“ diffamiert und als „unechte“ Deutsche, Österreicher oder Franzosen ausgegrenzt und als Sündenböcke abgestempelt. Deshalb wandten sich überproportional viele intellektuelle Juden dem internationalistischen Sozialismus zu.
Eher zufälliger historischer Ursprung des Links-rechts-Schemas
Die Unterscheidung „links-rechts“ mag zu gewissen Zeiten eindeutige Zuordnungen erlaubt haben, entzieht sich aber einer klaren theoretischen Begründung. Sie stammt ja ursprünglich aus der Sitzordnung in der französischen verfassungsgebenden Nationalversammlung von 1789. Rechts (vom König) saßen die Anhänger der alten Ordnung, links davon die Liberalen und Radikalen, die gegen die Privilegien des Adels und des höheren Klerus kämpften. „Rechts“ blieben auch später die Anhänger der alten Ordnung, des „Ancien Régime“, die Gegner der Revolution, links die Liberalen und Radikalen, später waren dann logischerweise auch die Sozialisten links. Die Liberalen und Radikalen rückten damit allmählich in die „Mitte“ – also etwas nach rechts.
Je nach Radikalität bzw. Grad der „Progressivität“ war man also mehr oder weniger links bzw. rechts. Vertreter der Restauration waren aber nicht einfach „konservativ“, sie konnten, wie Napoleon III. bewies, auch revolutionär agieren. Rechts waren auch jene, die die Interessen der Landbesitzer vertraten, in Deutschland die sogenannten Junker – Otto von Bismarck war einer von ihnen. Doch bereits Bismarck sprengt die Kategorien: Er war „links“, insofern er national – und damit anti-aristokratisch – dachte, agierte aber „rechts“, weil er konservative Standesinteressen vertrat. Zudem war er der Schöpfer der deutschen Sozialversicherung und damit des deutschen Sozialstaats, eine Forderung der Linken und der katholischen Zentrumspartei – wenn auch nur, um den Sozialisten das Wasser abzugraben, was wiederum den Liberalen nur recht sein konnte.
War Hitler ein Linker?
So neu ist die Unübersichtlichkeit also nicht. Deshalb gab es auch immer wieder Versuche, durch eine eindeutige Theorie, was nun links und was rechts sei, Ordnung zu schaffen. So hat man als links alles Kollektivistische, das Eintreten für die Gleichheit, den Staat (Etatismus) und den Antikapitalismus eingeordnet, aber auch Nationalismus, Protektionismus und Antisemitismus. „Rechts“ hingegen wäre das Eintreten für individuelle Freiheitsrechte, Eigenverantwortung, Individualismus usw. Die Konsequenz: Die Nazis wären – gemäß dieser Theorie – in Wirklichkeit Linke gewesen.
So behauptete es der österreichische Publizist Erik von Kuehnelt-Leddihn, selbst ein erbitterter Gegner der Nazis. Doch hat das den Geruch einer etwas billigen Diffamierungsstrategie gegen die Linke. Es überzeugt nicht ganz, da die NSDAP damals eben als rechte Partei wahrgenommen wurde und auch mit der Rechten, den monarchistischen Gegnern der Demokratie, den Deutschnationalen und Konservativen koalierte, ja von ihnen an die Macht getragen wurde.
Links und rechts sind letztlich rein historische Kategorien, die sich zwar verschiedenen historischen Kontexten anpassten, letztlich aber immer nur in Bezug auf ihren historischen Ursprung und innerhalb bestimmter zeitgeschichtlicher Konstellationen verstanden werden können.
Witzig ist, dass der exzentrische monarchistische Demokratieverächter Kuehnelt-Leddihn, der sich selbst als „katholischen rechtsradikalen Liberalen“ bezeichnete, in dieser Frage heute eine Referenz für amerikanische Libertäre und Anarchokapitalisten ist. Diesen passt es gut ins Konzept, Hitler als Linken zu bezeichnen. Denn für sie ist alles Schlechte und Falsche links, sie selbst sehen sich – als Anwälte der Freiheit, des Kapitalismus und des Fortschritts – als rechts. Und sie sind natürlich keine Nazis. Folglich war der Kollektivist Hitler ein Linker. Ganz falsch ist das nicht, aber haben wir damit etwas an Orientierung gewonnen?
Ich denke nicht, denn so können wir schlicht und einfach die Geschichte nicht verstehen. Warum denn sollten die rechten Antidemokaten und Deutschnationalen der Weimarer Zeit mit einem Linken koaliert haben? Zudem wird das Problem auf diese Weise nur verschoben. Wir müssen ja, um zu wissen, wer rechts und wer links ist, trotzdem weiterhin über Inhalte sprechen. Wir wissen: Hitler war Antisemit, Antikapitalist, großdeutscher Nationalist auf rassischer Grundlage – aber er hat das Privateigentum formell respektiert, was seine Demokratiefeindlichkeit für die damalige nationale Rechte attraktiv machte. Was gewinnen wir also, wenn wir aus seinem Antiliberalismus, Antikapitalismus und Antisemitismus schließen, dass er eigentlich ein „Linker“ war? Nichts – außer die Möglichkeit nun klarzustellen, dass er eigentlich in die gleiche Schublade wie Sozialisten und andere Arten von Etatisten und Kollektivisten gehört. Doch was bringt das den Gegnern des Sozialismus – außer der Befriedigung, seinen Anhängern eins auswischen zu können?
Berühren sich die Extreme?
In einem gewissen Sinne sind solche Gleichsetzungen auch nicht neu. Es gibt ja die Formel, les extrêmes se touchent – die Extreme berühren sich –, aber auch hier muss man sich fragen, ob sie nicht eher eine Verlegenheitsformel ist. Das wenig Zielführende liegt darin begründet, dass links und rechts letztlich eben rein historische Kategorien sind, die sich zwar verschiedenen historischen Kontexten anpassten, letztlich aber immer nur in Bezug auf ihren historischen Ursprung und innerhalb bestimmter zeitgeschichtlicher Konstellationen verstanden werden können.
Das Links-rechts-Schema kann auch heute nur noch sehr eingeschränkt Orientierung bieten. Wir müssen auf die Inhalte schauen. Genauer: Auf die jeweiligen Priorisierungen.
Während des 20. Jahrhunderts war es relativ eindeutig, was links und was rechts war, weil auch der historische Bezug klar war: Der Sozialismus ging aus der Geschichte als linke Bewegung hervor, der Konservatismus war rechts, dazwischen gab es die liberale Mitte und die zwischen links und oszillierenden Christdemokraten. Die Unterscheidung bot Orientierung, doch auch damals war natürlich die Frage nach den Inhalten wichtiger als jene nach links oder rechts. Und man bemerkte deshalb auch, dass Links und Rechts sich oft überschnitten oder sich teilweise ähnlich war. Aber eben immer nur teilweise.
Etikettierung bringt nichts, wir müssen über Inhalte sprechen
Das Links-rechts-Schema kann auch heute nur noch sehr eingeschränkt Orientierung bieten. Wir müssen auf die Inhalte schauen. Genauer: Auf die jeweiligen Priorisierungen. Ob links oder rechts: die Frage ist, für wen die Freiheit des Individuums wichtiger als die Wohlfahrt oder die „Rechte“ des Kollektivs ist, auch weil er überzeugt ist, dass die Wohlfahrt des Kollektivs – besser: die allgemeine Wohlfahrt – nur durch den prioritären Schutz der Freiheit und der Rechte des Individuums, ganz besonders auch seiner Eigentumsrechte, gefördert und erhalten werden kann.
Das war einmal eindeutig links. Heute wird es als „rechts“ wahrgenommen, weil Linke ohne Ausnahme Anwälte des Staates, Befürworter von immer mehr Regulierung und Bürokratie, der Bewahrung des Status quo zur Absicherung von Privilegien sind. Doch genau das galt früher, in den Zeiten des liberalen Kampfes gegen den monarchischen Wohlfahrtsstaat und sein merkantilistisches Wirtschaftssystem, als rechts oder „konservativ“ bis reaktionär. Heute ist es die heilige Kuh der „Linken“, die in der Tat, sobald von liberaler Seite Reformen verlangt werden, wie Reaktionäre reagieren: „Ja keinen Sozialabbau!“, so das Mantra. Gemeint ist damit natürlich immer auch kein Bürokratieabbau, denn die Sozialbürokratie ist die mächtigste von allen.
Deshalb: Lassen wir uns von der Etikettierung „links-rechts“ nicht ablenken oder gar verwirren! Wir werden zwar um sie nicht herumkommen, sollten aber über Inhalte, über Ideen, Zusammenhänge und Lösungen sprechen. Und danach trachten, politische und wirtschaftliche Positionen, ohne den Gegner zu verteufeln, mit möglichst klaren Argumenten zu begründen, um im Wettbewerb der Ideen den besten zum Durchbruch zu verhelfen!
Dieser Artikel ist zuerst unter dem gleichen Titel am 13. Dezember 2024 im österreichischen online Wirtschaftsmedium Selektiv erschienen.
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