70 Jahre Soziale Marktwirtschaft – von den Grundprinzipien Erhards ist wenig übrig geblieben

Am 20. Juni 1948 bildete die Währungsreform in den drei westdeutschen Besatzungszonen die Grundlage für das deutsche Wirtschaftswunder. Bis dahin hatten Monopolisierung, Staatskommandowirtschaft, Preiskontrollen und Warenzuteilung die Lebensverhältnisse der Deutschen bestimmt.  Die Währungsreform wurde zu einem der „markantesten positiven kollektiven Erlebnisse der Deutschen“ (Ludwig Erhard). „Auf einmal gab es alles!“ Die hohe Nachfrage ließ schnell die Produktion auf Vorkriegsniveau steigen. Die Preise wurden schrittweise freigegeben. Die Lohnstopps wurden aufgelöst. 1958 trat das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen in Kraft, das die Konzentration wirtschaftlicher Macht verhinderte.

Lesen Sie das ausführliche und dokumentierte Paper von Gunther Schnabl zu diesem Thema: Die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion im Lichte der deutschen Währungs- und Wirtschafts­reform des Jahres 1948 (Austrian Institute Paper 22/2018). DOWNLOAD HIER.


Erhards Konzept „Wohlstand für alle“ (so der Titel seines Buches von 1957) basierte auf Wettbewerb und einer harten Währung. Die stabilitätsorientierte Geldpolitik der Deutschen Bundesbank stellte sicher, dass die Preise die Präferenzen der Konsumenten signalisierten. Die Unternehmen buhlten um die Gunst der Verbraucher. Die Ressourcen wurden effizient eingesetzt und die Löhne stiegen stetig. Die soziale Sicherung konnte stetig ausgebaut werden.

Die europäischen Nachbarn profitierten von einer starken Importnachfrage und wachsenden deutschen Transferzahlungen an die gemeinsamen europäischen Institutionen. Das hohe Wachstum in Europa schuf ein Klima der Kooperation, das den Abbau von Schranken für Güter, Dienstleistungen, Arbeit und Kapital erleichterte. Von der Integration der Märkte profitierte ganz Europa.

70 Jahre später ist wenig von den Grundprinzipien der Sozialen Marktwirtschaft übrig. Im Gegensatz zu Ludwig Erhard verteidigen wenige die freien Kräfte des Marktes. Führende Politiker begrüßen die Schaffung nationaler Champions (Zypries), eine strategische Industriepolitik (Kramp-Karrenbauer) und das Küren von Finanzgiganten (Scholz). Preiskontrollen in Form von Mindestlöhnen und Mietpreisbremsen wurden eingeführt. Auf den Finanzmärkten greift wachsende Regulierung um sich. Umverteilung und Solidarität dominieren die politische Agenda, weshalb die umfangreichen Ausgabenverpflichtungen nur noch mit Hilfe der Notenpresse finanzierbar sind.

Die Zinssenkungen der Europäischen Zentralbank gegen null und die sehr umfangreichen Ankaufprogramme für Staats- und Unternehmensanleihen haben die Wirtschaftsordnung gestört. Rasant steigende Vermögenspreise auf den Finanzmärkten münden in einschneidende Finanzkrisen, die das Wachstum schwächen. Das billige Geld begünstigt vor allem große Unternehmen und Investmentbanken, während kleine und mittlere Unternehmen und Banken in wirtschaftliche Bedrängnis geraten.  Die Produktivitätsgewinne sind stark abgefallen, so dass die wirtschaftliche Grundlage für reale Lohnerhöhungen und für die großzügige soziale Sicherung verloren ist.

Der gesellschaftliche Zusammenhalt ist gestört. Während steil steigende Vermögenspreise die reichen Menschen immer reicher machen, sind die Löhne wachsender Bevölkerungsgruppen, insbesondere junger Menschen unter Druck. Eine wachsende Unzufriedenheit verschafft in ganz Europa den extremen Parteien am linken und rechten Rand des politischen Spektrums Zulauf. Diese fordern oft weitere Einschnitte in Erhards (1957) marktwirtschaftliches Gefüge.

Da all dies den Wohlstand, den sozialen Zusammenhalt und die politische Stabilität in Europa gefährdet, sollte die ultra-lockere Geldpolitik der Europäischen Zentralbank schnell ein Ende finden. Nur so können die Errungenschaften des europäischen Integrationsprozesses gesichert werden.

Literatur:

Ludwig Erhard: Wohlstand für Alle. Econ-Verlag, Düsseldorf, 1957 (8. Auflage 1964, Neuauflage 2009.

Gunther Schnabl, Die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion im Lichte der deutschen Währungs- und Wirtschafts­reform des Jahres 1948 (Austrian Institute Paper 22/2018). Download als PDF hier.

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