Aufzeichnung des Webinars: „Droht eine wirtschaftlich abgehängte Generation Corona?“

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Als „The unluckiest generation in US-history“ bezeichnete die Washington Post kürzlich jene Generation, die nun in das Erwerbsleben eintritt. Dabei bezog sich die US-Tageszeitung nicht primär auf die an sich schon dramatischen Arbeitslosenzahlen, sondern vor allem auf die Einkommensentwicklung. In den westlichen Industriestaatenstagnieren stagnieren oder sinken nämlich die Realeinkommen der Millennials, und zwar seit der Finanzkrise. Auf das Los dieser Generation hat der Wiener Ökonom Lukas Sustala in seinem Buch „Zu spät zur Party“ aufmerksam gemacht, das Anfang dieses Jahres erschienen ist. Im Rahmen unseres Webinars befasste er sich ebenfalls mit der Lage der Millennials und widmete sich dabei besonders den Auswirkungen der Corona-Krise.

Rezessionen hinterlassen Spuren. Sustala sprach von „Vernarbungen“, einem Begriff, der in der Ökonomie verwendet wird, wenn eine Generation während einer Rezession auf den Arbeitsmarkt kommt. Denn noch zehn Jahre später sind die Folgen dieses missglückten Berufseinstiegs sichtbar – und messbar in Hinblick auf das durchschnittliche Haushaltseinkommen, atypische Beschäftigungsverhältnisse, Arbeitslosigkeit und Vermögensaufbau. Solches geschah nach der Finanzkrise, und eben dieses Szenario droht auch jetzt, als Folge der Covid-19-Pandemie.

Die junge Generation war bereits von der Finanzkrise stärker betroffen

Bereits die Rezession von 2008 wirkte sich sehr unterschiedlich auf die verschiedenen Altersgruppen aus, wie Sustala mit Zahlen belegte. Für ältere Menschen waren die Folgen dank stabiler Transferleistungen und Pensionen deutlicher geringer, als für die junge Generation, die etwa mit unsicheren Einstiegsgehältern zu kämpfen hatte. Auch die Armutsgefährdungsquote ist bei den Jungen deutlich stärker gestiegen als bei Älteren. „Sozialstaaten sind stark altersorientiert“, unterstrich Lukas Sustala. Schließlich gehe es seit Otto von Bismarck vor allem um die Frage: Wie kann man jene absichern, die nicht mehr im Erwerbsalter stehen? „Das war die Geburtsstunde der Pensionssysteme.“

Demografie und Demokratie bezeichnete Sustala als „kommunizierende Gefäße“. Die politische Bedeutung der Pensionsempfänger wächst. Der deutsche Ökonom Hans-Werner Sinn spricht daher von einer „Gerontokratie“: Jene Wähler, die hinreichend alt sind, um von Renten- und Beitragserhöhungen zu profitieren, haben mittlerweile mehr Stimmen als diejenigen, die dabei per saldo, über das ganze Leben gerechnet, verlieren.

Die neuen Schulden werden künftige Generationen bedienen müssen.

Durch die nun zusätzlich anwachsenden Schulden geraten die öffentlichen Haushalte zunehmend in eine Schieflage. „Netto-Schulden sind nichts anderes als die Steuern, die man heute noch nicht einhebt, um die Ausgaben zu finanzieren“, bemerkte Sustala. „Diese Schulden werden künftige Generationen bedienen müssen.“ Der fiskalische Spielraum schrumpft. Die impliziten Schulden steigen ebenfalls, vor allem aufgrund der Pensionen. In Österreich werden in diesem Jahr die Pensionseinzahlungen um drei bis vier Prozent sinken, gleichzeitig aber die Auszahlungen aus demografischen Gründen steigen.

Von „dualen Märkten für Jung und Alt“ sprach Sustala auch angesichts des stark regulierten Wohnungsmarkts. Der Grund sind die stark ansteigenden Mietkosten. Bei alten Mietverträgen kann man sich über vergleichsweise niedrige Mietkosten freuen. Anders sieht es bei neuen Mietverträgen aus.

Der staatliche Sektor ist von der Krise kaum betroffen, der private hingegen massiv

Die „Vernarbung“ der jungen Generation aufgrund der Corona-Krise ist Sustala zufolge bereits signifikant: „Viele Jüngere werden eher gekündigt.“ Das belegen auch eindeutig die Arbeitslosenzahlen: Je jünger die Generation, desto stärker war der Anstieg der Arbeitslosigkeit seit der Corona-Krise. Auch die Herausforderungen durch bzw. für den Sozialstaat werden wachsen, denn die Staatsschulden steigen, das Produktionspotenzial sinkt. In der Corona-Krise wurden die Einkommen von Transferempfängern relativ aufgewertet, ebenso jene von Beamten und Vertragsbediensteten gegenüber Selbständigen, Angestellten und Arbeitern. Kurz: Der staatliche Sektor ist von der Krise kaum betroffen, der private hingegen massiv.

Ausdrücklich warnte Sustala vor der „Entwertung der wirtschaftspolitischen Debatte“. In der Wirtschaftspolitik muss man immer abwägen. So könnte man etwa das Geld, das die Kurzarbeit kostet, auch anders ausgeben. Aber darüber wird nicht einmal diskutiert. Die gegenwärtige politische Debatte bildet die Zielkonflikte noch überhaupt nicht ab, die auf unsere Gesellschaft zukommen werden, wie etwa die zu erwartenden Steuererhöhungen und Ausgabensenkungen.

Die Krise kann auch zum Impetus für neue Dynamik werden

Auch mit Anregungen, was jetzt zu tun ist, wartete Sustala auf. Künftig gelte es Digitalisierungschancen maximal zu nützen, denn die Digitalisierung ermögliche das Entstehen von Jobs, über regionale Grenzen und Sprachbarrieren hinweg. Auch unternehmerisches Risiko werde sich stärker lohnen. „Entrepreneurship wird wichtiger sein denn je.“ Darüber hinaus legte Sustala jedem einen disziplinierten Weg zu finanzieller Unabhängigkeit ans Herz. Die Zeit kurzfristig motivierter wirtschaftspolitischer Geschenke sei an ihr Ende gekommen. Nun werde es darum gehen, selber Substanz aufzubauen.

Sustala ist davon überzeugt: Gesamtgesellschaftlich stehen wir am Beginn einer Debatte um Sinn und Aufgabe des Staates. Auch der demografische Wandel müsse antizipiert werden: „Wie bilden wir den im Sozialstaat ab?“ Die Staatsquote beträgt mittlerweile um die 55 Prozent. Ludwig Erhard zufolge muss man bei einer Staatsquote von mehr als 50 Prozent eigentlich schon von Sozialismus reden. Kleinere Steuerstaaten wie die Schweiz haben gezeigt, dass sie besser, schneller und unbürokratischer helfen können, unterstrich Sustala. Der Staat müsse auf jeden Fall mehr Entrepreneurship zulassen, statt immer neue Förderköpfe und Steuergeschenke zu schnüren. In Österreich gehöre etwa die jahrhundertealte Gewerbeordnung entrümpelt.

Dass wir kurzfristig mit erheblichen negativen Folgen der Corona-Krise rechnen müssen, ist sicher. Sollten aber gesamtgesellschaftlich und von der Politik die richtigen Schlüsse gezogen werden, dann könnte die Corona-Krise – wie Lukas Sustala festiehlt – in der Zukunft noch als „Impetus für mehr und neue Dynamik“ angesehen werden.

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