Überschuldete Staaten und steigende Zinsen: Die Realität schlägt zurück

Höchst Ungewohntes spielt sich ab, eine überwunden geglaubte Welt kehrt zurück: Geld und Kredite kosten wieder reale Prozente, das Inflationswunder Schuldenschmelze schwindet, und auf den Kapitalmärkten rivalisieren plötzlich Schuldenstaaten und Privat- oder Firmenschuldner um knapperes Geld.

Staatliche Kreditschöpfung im Sinne der Schüler Keynes‘ ist kein Perpetuum mobile. Die Zinskosten auf den mutwillig seit der Finanzkrise geschöpften Staatsschulden fressen nun in den meisten Staaten schmerzliche Anteile der Staatseinnahmen weg.

Die Fakten tröpfeln langsam in die Köpfe – statt gratis geschöpftes Geld gibt es Ausleihungen bei den Notenbanken in den USA nur gegen 5,25 bis 5,5 Prozent, bei der EZB nur gegen 4,5 Prozent. Wer als Souverän, als Staat, auf den Märkten eine Obligationenschuld aufnehmen will, muss so viel oder mehr hinlegen.

Für Anhänger von F. A. Hayek und der Österreichischen Schule der Nationalökonomie ist damit eine erste Ebene der Realitäten zurückgewonnen – staatliche Kreditschöpfung im Sinne der Jünger von Keynes ist kein Perpetuum mobile. Die Zinskosten auf den mutwillig seit der Finanzkrise geschöpften Staatsschulden fressen nun in den meisten Staaten schmerzliche Anteile der Staatseinnahmen weg – meist mehr als die Bildungskosten, in den USA nun auch so viel wie die gesamte Rüstung des Imperiums.

Bis jetzt wurden diese Zinskosten mittels der Staatsdefizite neu als Kredite aufgenommen, ein Schneeballsystem, das private Geschäftsleute ins Gefängnis brächte. Doch diese Defizite müssen nun gesenkt werden, weil die Notenbanken nicht mehr als Gratis-Sponsoren zur Seite stehen, weil nächstens hohe Schuldanteile in den meisten Ländern fällig werden und diese dann zu den hohen Zinsen wieder aufgenommen und weiter gewälzt werden müssen.

Sinkende Inflationsraten sind für überschuldete Staaten eine schlechte Nachricht

Eine zweite Ebene der Realität meldet sich unerwarteterweise zurück: Die Inflationsraten sinken – endlich. Doch damit nehmen die Staatseinnahmen nicht im noch vor Kurzem erhofften Maße zu, inflationär aufgedreht und damit als kaschierter Schuldenabbau. Denn andernfalls wären die Staatsbudgets, auch die Defizite, als Prozentanteile des Inlandprodukts weniger hoch ausgefallen. Allerdings, auch diese Hoffnung ist nicht nur zu Ende, sondern sie war auch falsch.

Nach dem Zweiten Weltkrieg hatte man diese Staatsschulden – sie waren übrigens geringer als die heutigen – mit Inflation ausradieren können. Aber damals war der Staatsanteil am Inlandsprodukt viel kleiner, und wenn letzteres inflationär aufdrehte, senkte sich der Staatsanteil. Nunmehr aber gilt, was den meisten Politikern entging: der Staat ist das Inlandsprodukt, wenn er wie in Frankreich und Österreich 55% und im EU-Durchschnitt 51% davon konsumiert. Das treibt seine eigenen Ausgaben ebenso inflationär hoch, wie seine Einnahmen wachsen. Die Zahlungen für Renten, Gesundheit, Bildung, Staatsbeamte, Bauten, Unterhalt wuchsen mit, die Ausgaben für Schuldzinsen weit überproportional, wie erwähnt. Die neue Realität heißt also: Inflation senkt die Schulden nicht, und wenn sie zurück geht, hilft es auch nicht, denn der Staat ist das Inlandsprodukt.

Keynes am Ende: Zinsen fressen die Staatseinnahmen auf

Damit meldet sich eine weitere, auf den ersten Blick sehr keynesianische Realität zurück: Wenn der Staat überschuldet ist, wenn also die Zinsen andere Ausgaben wie diejenigen für Erziehung, Soziales, Rüstung aushebeln, wenn zudem der Staat das Inlandprodukt ist, er zwar sparen will, dies jedoch bei den Zinsen nun nicht kann, da diese ohne die Notenbanksponsoren vom Markt diktiert werden, –  dann geht es nur über drastisch tieferen Staatskonsum, also weniger Renten, Rüstung, Bildung, Energiesubventionen oder Musikakademien. Das aber würgt das Inlandprodukt ab, die Staatseinnahmen sinken, Unterstützungszahlungen werden noch größer, die Zinsen drücken relativ noch mehr.

Die unbekehrten Keynesianer – deutlich vernehmbar in den USA, in Großbritannien, Frankreich und unter besorgten Beobachtern Italiens (das schon seit 20 Jahren nicht wächst) –, haben nur eine Idee: Wachstum fördern, aufdrehen, wie die abgesägte britische Premierministerin Liz Truss es wollte, Ausgaben hoch, Steuern runter – reinster Keynes. Da aber der Markt nach dem Ende der Notenbankintervention nicht mitspielte, sausten die Zinsen sofort hoch, Schuldtitel waren kaum mehr verkäuflich. Die Ausgabenkomponente „Zinsen“ hätte die vermeintlich gesteigerten Staatseinnahmen sofort aufgefressen. Keynes ist tot. Seine Jünger müssen den Offenbarungseid leisten. Es geht nur noch anders. Aber wie?

Neue Realitäten: Mögliche Szenarien

Damit tastet sich der überschuldete Westen in die neuen Realitäten vor, von denen noch keine sicher ist:

  • Entweder werden Sparmaßnahmen und knappere Budgets notrechtähnlich durchgepeitscht, wie es Präsident Macron mit dem berüchtigten Art. 49 der Verfassung bei Renten und Budget ohne Parlament tat. Es frägt sich dann, ob die Polizei „Herr der Lage“ bleibt, wenn sich dies häuft, in allen Ländern.
  • Oder die Regierungen/Notenbanken kehren zu neuer Inflation zurück, aber immer sind „die letzten Dinge schlimmer als die ersten“, wie Petrus vorhersagte (2 Petr. 20).
  • Oder die Regierungen verfügen „financial repression“, finanzielle Repression, mit Höchstzinsvorschriften und Zwangsanleihen bei Banken, Versicherungen, Pensionskassen. Höchstzinsvorschriften verfügten die USA nach 1945 (Staatstitel durften nur 1% über der Inflationsrate verzinst werden). Zwangsanleihen sind ohne Aufsehen oder Mühe den Banken, Versicherungen und Pensionskassen wie bei Mastgänsen anzuhängen, indem ein, zwei Zeilen der einschlägigen Regulierungen einen Prozentsatz vorschreiben, zu welchem deren Anlagen, Reserven, eben Staatsanleihen enthalten müssen. Ebenso kann eine Umschuldung auf 30, 50, 100 Jahre etwa diktiert werden. Auf die Länge erodiert so aber die Bonität von Banken und anderer Finanzinstitute; sie geraten – zusammen mit Staat bzw. den Notenbanken – in den „doom loop“, in die Schleife des gemeinsamen Untergangs, der dann angebahnt ist.
  • Von diesem verschleierten Staatsbankrott, schließlich hebt sich als letzte Lösung der eigentliche Bankrott ab, die direkte Leugnung, Nichtbedienung und schließlich Annullierung der Schulden.

Von der Zahlungsunfähigkeit zur finanziellen Repression.

Zum Schluss sei diese letzte Variante noch aus der Geschichte belegt. Der Souverän hat noch immer in auswegloser Lage seine Verpflichtungen abgestritten. Die englischen Könige bezahlten im 14. Jh. ihre enormen Schulden an die italienischen Bankiers nicht und ruinierten sie nachhaltig. Die gewaltige Medici-Bank stellte ihre Zahlungen 1478, definitiv 1494 ein, nachdem sie Karl dem Kühnen den Angriff auf die Eidgenossen vorgeschossen hatten, sein Töchterchen aber, nun Königsgattin Deutschlands, nicht zahlte. Die Souveräne aller Zeiten stritten ihre Schulden gegenüber Juden ab, wenn es unbequem wurde. Das europäische Bürgertum war nach 1914 ruiniert, weil die Kriegsanleihen annulliert oder weginflationiert wurden, Wiederholung nach 1945.

Man sieht – der Souverän war und ist immer gleichzeitig Schuldner und Gesetzgeber. Wer aber Kredite mit Gesetz Nr. 1 garantiert, kann sie dann auch durch Gesetz Nr. 2 verleugnen. Deutschland haftet „zur gesamten Hand“ für Hunderte Milliarden EU-Kredite an Südeuropa, für die hundert Milliarden des Europäischen Stabilitätsmechanismus. Die EU will – gegen den Lissabonner Vertrag – 1.000 Milliarden Schulden machen, garantiert von den Mitgliedern, letztlich von Deutschland. Das ist Gesetz Nr. 1. Doch „financial repression“ oder Schlimmeres kann in Gesetz Nr. 2 kommen. „Souverän ist, wer über den Ausnahmezustand entscheidet“ (Carl Schmitt).

So weicht denn auch der Vulgärkeynesianismus der letzten 15 Jahre solchen Realitäten. Er hat nie mit der Wehleidigkeit der Bürger gerechnet, die er heranzüchtete, und nie mit dem Wettbewerb der politischen Parteien, die seine „Wohltaten“ zur Bestechung solcher Wähler nutzten. So konnten die Nachfolger Keynes‘ ihren Wählern jede Verschwendung als legitim verkaufen. Sie übersahen jedoch, dass bei einem Staatsanteil am Inlandprodukt von 50% und mehr (Österreich, Frankreich: 56%) die Dosis einer Stimulierung immer massiver sein müsste, um zu wirken – doch dann wird sie inflationär. F. A. Hayek sah dies zu Beginn schon voraus: Diese Staatsgefräßigkeit wird böse enden.

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