Die deutsche Regierung will die Renten mit Aktienanlagen „unterfüttern“ – herauskommt aber wie immer in Deutschland nur mehr Staatskapitalismus. Der liberale Finanzminister Lindner will ein „Generationenkapital“ ansammeln, einen Kapitalstock, gebildet aus jährlichen Staatszuschüssen. Dieser Fonds soll dann mit den Erträgen die sonst nur umlagefinanzierte Rente aufbessern helfen.
Grundsätzlich hat Deutschland in den 1950er Jahren die Weichen falsch gestellt – anstelle einer selbstverantworteten, angesparten Kapitalrente jedes Bürgers wurde nur die Umlagerente eingeführt.
Denn im Umlagesystem zahlen die heute Aktiven für die Rentner, es wird kein Kapitalvorrat für die heute Zahlenden angelegt. Da aber „der demographische Wandel“ eine Herausforderung solcher Systeme ist, sind sie hochgefährdet – oder die Bundeszuschüsse steigen über die schon heute gewaltigen, jährlichen 100 Milliarden Euro weiter an. „Demographischer Wandel“ ist ein Euphemismus zur Begründung des Projekts, im Klartext heißt das: die Deutschen – und nicht nur die Deutschen – wollen kaum mehr Kinder.
Verdeckte Besteuerung und Ungleichbehandlung
Nach dem Euphemismus dann die Schönfärberei: „Die Beitragszahler werden nicht belangt“. Aber sie bezahlen es über die Mehrwertsteuer und die direkten Steuern aller Arten. Das ist in den Augen der Fiskalisten aller Länder völlig schmerzlos, denn Steuern sind für sie ein Naturgesetz. Der Spötter Gilbert K. Chesterton fand allerdings vor 100 Jahren, Steuern seien wie eine Buße, nur viel höher. Der Bürger ist auch in diesem steuerlichen Umweg der „Beitragszahler“.
Drittens schließlich: Etikettenzauber. Dieser beschwört den Leser und Bürger, das Generationenkapital wirke für „Gerechtigkeit und solide Staatsfinanzen“. Dazu muss man sich die Dimensionen vor Augen halten – im Endausbau 2035 soll das Generationenkapital 200 Milliarden Euro betragen, und mit seinen Erträgen von vielleicht 12 Milliarden die Renten aufbessern, also die dannzumal weit über 100 Milliarden Staatszuschüsse erleichtern.
Solide Finanzen, entlastete Finanzen sehen anders aus. Und die Gerechtigkeit? Diese Frage kommt ja bei einem Regierungsprogramm unweigerlich – doch hier läuft das Gegenteil ab, wenn – wie in Deutschland immer unterstellt – Gerechtigkeit Gleichheit meint. Denn der Normalverbraucher zahlt mit jedem Kauf, mit jeder Steuer ein, die Zuschüsse aber stützen die sehr ungleichen Renten der Deutschen. Diese gehen von null bis 3.500 Euro, sodass die oberen Rentenränge dann auch mehr erhalten.
Private Vorsorge seit 70 Jahren verdrängt
Doch lassen wir die Rechnerei. Grundsätzlich hat Deutschland in den 1950er Jahren die Weichen falsch gestellt – anstelle einer selbstverantworteten, angesparten Kapitalrente jedes Bürgers wurde nur die Umlagerente eingeführt. Der damals einflussreiche Professor Gerhard Mackenrodt fand, im ökonomischen Kreislauf müssten immer die jungen Aktiven die Renten der Älteren aufbringen, ob mit Rente oder mit Kapitalerträgen. Das war eingleisig und provinziell gedacht, denn die Kapitalerträge zweigen auch Erträge aus den Firmen ab. Die bessere Kapitalausstattung eines ansparenden Landes schafft mehr Reichtum, aber privat gut gestreut, und anlegen kann man den Kapitalstock auch im Ausland, das die Erträge beisteuert.
Deutsche Regierungen haben seither nie mehr um sich geblickt, sie nahmen das starke private Alterssparen in den USA, in Schweden, in Holland oder in der Schweiz nicht ernst. Auch darunter gibt es viele Modelle, die Amerikaner sparen in privaten Töpfen, steuerlich befreit, die Schweden zahlen obligatorisch in frei wählbare ca. 700 Fonds privat ein. Schweizer Arbeitnehmer und ihre Firmen zahlen 40 Arbeitsjahre lang jährlich je zur Hälfte 7% des Einkommens (Junge) bis 18% (die Älteren) in Pensionskassen ein, obligatorisch, aber von jeder Firma selbst eingerichtet und von frei wählbaren 1 350 Stiftungen verwaltet. Das kann bei einem Paar der Mittelschicht, das bis 65 gearbeitet hat, etwa eine Million für die Zusatzrente zur Umlagerente beisteuern.
Insgesamt sind in der Schweiz bisher 1 282 Milliarden Franken Kapital aufgelaufen. Deutschland, dessen Wirtschaft fünfmal grösser ist, müsste für eine spürbare Rentenentlastung also einen Kapitalstock von 6 500 Milliarden zusammentragen. Und das wäre dann wie in der Schweiz kein Staatskapital, sondern privates, von den paritätisch mit Vertretern der Arbeitnehmer/Arbeitgeber zusammengesetzten Stiftungsräten verwaltetes Kapital. Die angepeilten 200 Milliarden Euro Generationenkapital nehmen sich daneben ambitionslos aus.
Staatskapitalismus mit Staatshaftung
Das Generationenkapital soll in Aktien und anderen Wertschriften angelegt werden, wie die Kapitalien in den USA, Schweden, Holland, Schweiz auch – diese jedoch aufgrund tausendfachen, privaten Entscheidungen. Aber da es eine neue deutsche zentrale Staatskasse ist, werden diese Anlagen verstaatlicht, dem privaten Kreislauf entzogen. Man versteht den doch eigentlich liberalen Bundesfinanzminister nicht ganz.
Schließlich soll die Bundesrepublik für die investierten Summen haften, „der Bund trägt die Risiken“, sagt die Mitteilung des Ministeriums. Das ist Staatskapitalismus mit Staatshaftung, man hört immer nur Staat, Staat, Staat. In den anderen, angeführten Ländern tragen die privaten Kassen, die Versicherten, die Einleger, die Firmen das Risiko. Wer schlecht investiert, hat das Nachsehen – das ist Gerechtigkeit. So ist meine eigene Pensionskasse in der Schweiz zu 106% der Verpflichtungen gedeckt, jene der Stadt Zürich zu 119%, jene des Bundespersonals zu 99%. Der Staat gleicht das nicht aus, sondern im Ernstfall müssen die Versicherten mehr einlegen, oder ihre Firmen, oder aber die Renten müssen sinken.
Der Schluss zum Generationenkapital fällt etwas betrüblich aus – gut gemeint, aber ohne echte Wirkung auf die Renten, und ohne Selbstvorsorge der Bürger. Mehr als ungefragte Steuerzahler sind sie auch hier nicht. Es wird Staatskapital, verkleidet als Generationenkapital werden. Engländer würden zu dem Euphemismus „Generationenkapital“ sagen: „it’s lipstick on a pig“.