Alles klagt über die steigende Vermögenskonzentration. Auch wer die Marktwirtschaft und Privatgesellschaft vertritt, muss sich daran stören. Sieht man genauer hin, haben klar benennbare Politiken, Dummköpfe, Zyniker die Märkte verzerrt und die Vermögen sich ballen lassen, und es sind nicht „die Reichen“.
Umverteilung über Steuern ist kein gangbarer Weg
Doch zuerst – wie steht es denn um die Verteilung? Wir bringen hier nicht die vielen Tabellen, die man in Wikipedia und im Internet allgemein nachlesen kann. Sondern wir packen die Verteilungskurve am übersehenen Ende an – bei jenen, die kein Vermögen haben. Denn die Klage geht in allen Ländern über das oberste „eine Prozent“, und das sieht ja nicht schön aus: in Deutschland verfügt es über fast 24% aller Vermögen, in Österreich über 25,5%, und die Schweiz rückt mit 41% schon nahe an die USA heran, wo das oberste „eine Prozent“ 42,5% aller Vermögen besitzt.
Dennoch: Wenn man schon von einer schreienden Ungleichheit sprechen will, so liegt sie eben bei jenen, die null Prozent Vermögen haben, und das sind in diesen Ländern um die 40% der Haushalte. Hier öffnet sich der Raum für die vielen Wege der Eigentumsförderung. Gleich vorweg zählt allerdings die Umverteilung über Steuern nicht dazu. Denn aus ethischer Sicht annullieren solche Steuern im Nachhinein die in gutem Glauben erworbenen Güter.
Zweitens hat man nie gesehen, dass der Staat diese Erbschafts- und Vermögenssteuern an die Armen zur Vermögensbildung weitergibt. Und drittens zeigen die oben erwähnten Vermögensanteile, dass sogar die volle Konfiskation beim obersten „einen-Prozent“ den untersten 40% pro Haushalt wenig brächte. Außerdem übersehen sogar Ökonomen, dass die laufenden Einkommen gemessen am bereits bestehenden Vermögen der Volkswirtschaft sehr viel ausmachen – es bringt also mehr, in der Zukunft die richtigen Weichen bei den Einkommensströmen auch für die unteren 40% zu stellen.
Wege zur besseren Verteilung: Genossenschaften. Partnerschaften
Ein erster Vorschlag für eine neue Weichenstellung klingt unkonventionell: Man beachte und hätschle weniger die Finanzvermögen. Die Volkswirtschaften haben im Laufe ihrer Reifung immer mehr finanzielle Konstrukte über der realen Güterseite aufgebaut: Aktien, Investmentvehikel, Aktiengesellschaften, die Aktiengesellschaften besitzen, die ganze Börsen- und Bankenwelt dazu. In den erwähnten Vermögensstatistiken wachsen diese finanzialisierten Anteile schnell, man übersieht die enormen gesamten Vermögen, die bei Bauern, Gewerbetreibenden, Wohnungsbesitzern liegen und die nie zu ihrem vollen Wert erscheinen.
Deshalb zeigt ein Gedankenexperiment, wohin der eine Weg führen könnte – über Partnerschaften, Genossenschaften, die nicht finanziell ausgeformt und handelbar sind. Die Beispiele liegen am vollen Tag, etwa die riesigen Detailhändler Migros und Coop in der Schweiz mit 100 000 Mitarbeitern, und Coop in anderen Ländern. Sie gehören den Kunden als Genossenschaft. In England arbeiten die 80 000 Mitarbeiter als „Partners“ der Warenhausgruppe John Lewis, in Nordspanien ebenso viele in der Gruppe Mondragon.
Die großen Buchprüferfirmen wie Ernst & Young zählen um die 6 000 Partner als Besitzer. An der Börse, finanzialisiert eben, wären alle diese Firmen Dutzende Milliarden wert, wenn nicht mehr, und würden in den Vermögensstatistiken schwer wiegen. Doch so schwebt ihr Kapital sozusagen schwerelos, die Partner wirtschaften damit, wer in die Firmen eintritt, muss nicht einzahlen, wer austritt, nimmt nichts mit. Eine Volkswirtschaft nur aus solchen Firmen hätte kaum konzentriertes Vermögen aufzuweisen.
Die Verhinderer dieses Weg sitzen dort, wo die Klage über die Vermögensballung am lautesten ertönt – links. Die Linke hat in den letzten Jahrzehnten fast alle seinerzeit ausdrücklich als egalitäre Firmenformen gegründeten Genossenschaften fahren lassen, unfähig verwaltet. Sie hat vor allem keinerlei neue gegründet.
Absicherung durch Mitarbeiterbeteiligungen
Den nächsten Weg findet man beim Gegenteil dieser Formen – dann nämlich, wenn man die Finanzialisierung nutzt und streut. Mitarbeiterbeteiligungen sind in den meisten Ländern immer noch die Ausnahme. Dabei könnten auch kleinere, nicht-börsengängige Firmen dies einrichten, ohne dass die Gründerfamilien nichts mehr zu sagen hätten. Die Papiere der Mitarbeiter können auf internen Börsen getauscht, ausgegeben und zurückgenommen werden, so bleibt der Kreis der Eigentümer geschlossen, aber gestreut. In den USA berät eine große Organisation, das Employee Stock Ownership Program ESOP solche Firmen, vermittelt sogar Kredite an Belegschaften, um Firmen ganz zu übernehmen. Denn was den großen Hechten für Übernahmen mit fremdem Geld heute möglich ist, soll so allen zugehen.
Ebenso in den USA finden sich Gewerkschaften zu Lohnkonzessionen in Krisen bereit, nehmen dafür aber Aktien zuhanden der Belegschaft. Erholen sich die Firmen dank der Opfer, drücken stark steigende Aktienwerte die Früchte daraus den Mitarbeitern in die Hände. So geschehen beim Konkurs der GM und Chrysler nach der Finanzkrise – die Belegschaften bekamen Milliarden für ihre Zurückhaltung. Sogar gesamtwirtschaftlich lohnt sich dieser Weg, denn anstatt die Lohnkosten mit Entlassungen zu sanieren, sinkt der Lohn vorübergehend, aber die Arbeitslosenheere sind kleiner.
Kapitalgedeckte Rentensysteme – und wer sie verhindert
Eine weitere Form indirekter Vermögensstreuung sind die als Kapitalersparnis aufgebauten Rentensysteme. In der Schweiz sind sie vorgeschrieben, in den USA freiwillig, aber nach 44 Jahren Arbeit zieht ein Rentner aus seiner halben bis ganzen Million Kapital eine schöne Zusatzrente.
Die Verhinderer solcher Nutzungen der Finanzialisierung sind die Gewerkschaften, die in den meisten Ländern Europas sich strikte gegen die Umwandlung von Lohnerhöhungen in Vermögenszertifikate wandten. Der deutsche Gewerkschaftskongress warf 1972 ganz offiziell sein Nein dagegen ein. Desgleichen verzichtete der Staat unter dem Einfluss Prof. Mackenrodts auf ein kapitalunterlegtes Rentensystem. Die Riester-Rente ist nur ein Abklatsch davon, und wird im linksgedrehten Deutschland sehr beargwöhnt.
Verhinderer einer klugen Finanzialisierung sind, paradoxerweise, die staatliche Finanzmarktaufsicht, Börsenaufsicht und Aktienrechtler. Sie eilen dem Börsen- und Aktiensystem mit unendlichen Sicherungen, Vorschriften, mit Bankenrettungen zu Hilfe, anstatt die Aktionäre das volle Risiko tragen zu lassen und sie damit auch zu anderen als finanzialisierten Firmenformen zu bewegen. Schlimmer noch, die Notenbanken und diese Sicherungen haben mit der Geldschwemme seit 2008 die Wertpapiere und Immobilien hochgetrieben und die Vermögen maßgeblich konzentriert.
Immobilienvermögen – günstige Verdichtung für alle
Sodann gilt es, als weiteren Weg, die Bodenrente anzugehen, also die stete Aufwertung der Immobilien seit Jahrhunderten. Deutsche staunten vor einigen Jahren nicht schlecht, als Statistiken ein viel höheres Haushaltsvermögen der Italiener auswiesen. Weil die meisten Italiener ihre Wohnung, ihr Haus selbst besitzen, kam es dazu.
Die eigene Wohnung hat außerdem den qualitativen Vorzug der eigenen vier Wände, einer nicht zu unterschätzenden Autonomie im Leben. Nun muss man nicht den Staat einspannen, um mit viel Geld Wohnförderung zu betreiben, denn damit entmutigt er privates Bauen und verrennt sich in einem dauernden Kreis neuer Knappheiten.
Der Staat hat vielmehr nur mit einer klugen Raumplanung dafür zu sorgen, dass auch die unteren Schichten günstig, dicht bauen können. Es gibt viele Beispiele, wie solche Einzelhaussiedlungen nicht mehr Boden als große Überbauungen brauchen. Die Planung, die Architektur bestimmt diese Vermögensverteilung. Die Verhinderer sind dabei klar – die dümmliche Konzentration von Wohnbauten in Türmen, die entweder finanzialisiert als AG auf den Markt geworfen werden, meist aber vom Staat selbst und den linken Kreisen als Wohnungsbau und aktive Vermögenskonzentration – beim Staat – in die Welt gesetzt werden.
Gefragt sind Phantasie und guter Wille
Das sind einige Wege – neben anderen –, um die Vermögen zu streuen. Man muss sie wollen, die Zivilgesellschaft (die immer nur Klagenden) müssen zur Sache gehen. Ohne solche Selbstverantwortung gerät Europa zur vermögenslosen Massengesellschaft, die als Konsumentenheer unzufrieden von den Politikern hin und her geschoben wird.
Halt, zum Schlusse doch noch eine originelle Steuer. Der spätere Nobelpreisträger James Meade schlug sie vor, die „progressive consumption tax“ im England der fünfziger Jahre. Auf der Steuererklärung gibt man an, wieviel Vermögen man im Vorjahr hatte, plus das Einkommen des Steuerjahres. Ist die Schlusssumme kleiner, zahlt man Steuern auf die Differenz, und zwar mit steigender Progression. Damit zahlt man nur Steuern auf dem Vermögensverzehr. Unwürdige Erben zahlen dann für den Ferrari zwei Mal, beim Kauf und bei der Steuer. Wer hingegen Vermögen bildet, ist fein raus und steuerlich privilegiert.
Der Professor Meade wollte damit die Kapitalknappheit nach dem Krieg sanieren. Das Modell zeigt aber, dass Phantasie bei der Vermögensdiskussion ganz gut ist, jedenfalls besser als zu klagen.
Weitere Wege sind aufgearbeitet in:
Beat Kappeler, „Vermögen für alle. Wer die bessere Verteilung hemmt, und wie wir sie erreichen“, NZZ libro, Sept. 2022