Kaum ein Tag, an dem nicht eine weitere Hiobsbotschaft auf Deutschland niedergeht. Mal ist es eine bedeutsame Insolvenz oder die Ankündigung tausendfacher Stellenstreichungen. Dann wieder sind es ökonomische Daten, die vom Niedergang des Wirtschaftsstandorts Deutschland künden. Inflation, Arbeitslosigkeit, Wettbewerbsfähigkeit, Schuldenstand – alles im roten Bereich. Derweil die Ausgaben insbesondere im sozialen Sektor drastisch steigen. Und mit ihnen die Abgabenquote, die auf weit über 50 Prozent zu klettern droht.
Würden wenigstens die Industrie-Gewerkschaften über ihren Schatten springen, wäre dies der Ruck, den Deutschland dringen braucht. Wer ständig mehr fordert, muss auch zu Verzicht bereit sein, wenn es weniger zu verteilen gibt.
Kein Interesse mehr an ökonomischen Fakten
Man sollte annehmen, dass in einem Land, dem bislang ökonomische Strebsamkeit nachgesagt wurde, darüber eine ernsthafte Debatte in Gang kommt. Doch weit gefehlt. Zwar geben acht von zehn Befragten der Ampelregierung aus SPD, Grünen und FDP regelmäßig miserable Noten. Auch fehlt es nicht an Mahnungen von wichtiger Managern (die lange geschwiegen haben), Wirtschaftsinstituten und Industrieverbänden. Doch die werden entweder ignoriert, oder von Kanzler Scholz (SPD) mit einem positiven Vorzeichen ins Gegenteil verkehrt. Der Berliner Regierungschef träumt weiter lächelnd von einem „grünen Wirtschaftswunder“ und definiert sogar einen verfassungsrechtlich bedenklichen Haushalt zum „Gesamtkunstwerk“ um. Der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck gesteht nur widerwillig ein, dass eine drohende Rezession nicht mehr durch Handauflegen zu beheben ist.
Allein der kleine liberale Part profiliert sich als Spielverderber – und bezieht als Verkünder der schlechten Nachrichten kräftig Prügel. Wer, wie FDP-Chef Christian Lindner, an der in der Verfassung verankerten Schuldenbremse festhält und Einschnitte im aufgeblähten Sozialbereich (2023: 1250 Milliarden Euro) fordert, riskiert seine parlamentarische Existenz, wie jetzt bei den Wahlen in Ostdeutschland. Und macht sich auch im Westen wenig Freunde. Schon gar nicht bei den (öffentlich-rechtlichen) Medien. Während ARD, ZDF und Deutschlandfunk den Sorgen jeder noch so kleinen Minderheit breiten Raum widmen, verkümmert die an Fakten orientierte Wirtschaftsberichterstattung. Negative Daten werden zwar nüchtern vorgetragen, doch ihr „investigativer Journalismus“ widmet sich lieber der nächsten Gerechtigkeitslücke oder prangert das böse Unternehmertum an. „Plusminus“ (ARD) und „WiSo“ (ZDF) sind zu Verbraucherjournalen verkümmert, in denen der Bürger immer das Opfer gieriger Konzerne ist.
Das Versagen der Medien und des Bildungssystems
Die um Auflagen und Erträge kämpfenden privaten Verlage sind längst kein Gegengewicht mehr. Entweder haben sie ihre Wirtschaftsteile auf bloße Service-Seiten eingedampft, oder sie beziehen die Kommentierung vom Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND), an dem die SPD mit 23 Prozent über den Madsack-Verlag (Hannover) indirekt beteiligt ist. Das Hamburger Dreigestirn (Spiegel, Stern, Zeit) neigt ohnehin traditionell zur grün-roten Perspektive, so wie die Süddeutsche Zeitung in Bayern dem woken Geist huldigt.
Die Versuche, an den Schulen wenigstens die Grundzüge der Marktwirtschaft zu vermitteln, werden von der Lehrergewerkschaft GEW regelmäßig unterminiert. Es könnte ja „neoliberales Denken“ in den Bildungsbereich eindringen, den die Grünen als ihre Domäne betrachten. Journalisten erzählen stolz von ihren schlechten Noten in Mathematik und naturwissenschaftlichen Fächern. Mit Zahlen hat es der politisch-mediale Komplex in Deutschland nicht so. Es wird mit Olaf Scholz von einem Kanzler regiert, dem die renommierten Ökonomen Lars Feld und Justus Haucap mittlerweile jedes „Gespür für die Krise“ absprechen.
Strategie der Verharmlosung – antikapitalistische Netzwerke
Das alles sind keine Nebensächlichkeiten. Die breite Ignoranz ökonomischer Fakten erklärt vielmehr, warum eine tatsächliche Rezession lange als bloßes „Minus-Wachstum“ (Habeck) verharmlost werden kann. Erstens sind die Folgen des Schrumpfens für viele Bürger noch nicht direkt spürbar. Und zweitens wird jeden Tag mehrfach über wichtigere Sorgen berichtet: Die „drohende Klimakatastrophe“ und natürlich die „Gefahr von rechts“, die man durch Verharmlosung der Ursachen selbst fördert. Beides wird von einem breiten gesellschaftlichen Bündnis als Hauptrisiken für Land und Demokratie ausgemacht. Das ist das Narrativ des neuen deutschen Klüngels.
Er reicht von der Kulturszene bis zu den Kirchen, von den Bildungsstätten bis zu den staatlich geförderten Nichtregierungsorganisationen (NGOs). Obwohl die SPD allenfalls noch zehn Prozent der Bürger vertritt, besetzt sich nach wie vor fast alle wichtigen staatlichen Spitzenpositionen. Vom Bundespräsidenten über den Bundeskanzler bis zur Chefin der Arbeitsagentur oder dem Vorsitz im Aufsichtsrat des ZDF. Es ist ein breites Netzwerk, das Marktwirtschaft mit Kapitalismus gleichsetzt, der wiederum für die Übel der Welt verantwortlich gemacht wird. Vom Klimawandel bis zur „wachsenden Armut“.
Da sich nicht unerhebliche Teile davon gerne vom Steuerzahler alimentieren lassen oder dem Staatsdienst angehören, sind sie gegen die Folgen einer schrumpfenden Wirtschaft weitgehend immunisiert. Denn während die gewerbliche Wirtschaft seit 2019 rund 330 000 Stellen verloren hat, ist der öffentliche Sektor um eine Million auf 12,2 Millionen Poste gewachsen. Das angebliche deutsche Jobwunder ist also teuer erkauft.
Gewerkschaften im mitverschuldeten Abwärtstrend
Nur die Gewerkschaften sollten sich diese Ignoranz nicht weiter leisten. Doch so sehr sie bei Lohnverhandlungen um jedes Zehntelprozent kämpfen, so gleichgültig scheinen sie die schleichende De-Industrialisierung hinzunehmen, die gerade für ihre Mitglieder weit folgenschwerer ist. Ihre Jobs sind in Gefahr, ihnen rauben steigende Steuern und Abgaben den verdienten Lohn.
Die Funktionäre wissen sehr genau um den Abwärtstrend: Dank großzügiger Mitbestimmungsregeln sitzen sie als Vorstände und Aufsichtsräte direkt an den Informationsquellen. Als Betriebsräte erfahren sie zuerst von den Problemen im Unternehmen. Sie erleben also hautnah, wie toxisch das Gemisch aus hohen Lohn- und Energiekosten, wuchernder Bürokratie, globaler Konkurrenz, versagender Bildungspolitik und fehlgeleiteter Migrationspolitik für die deutsche Wirtschaft ist.
Es sind auch die 5,7 Millionen DGB-Mitglieder, welche die Folgen steigender Sozialbeiträge (bald 44 Prozent), Energie- und Wohnkosten zu schultern haben. Doch anstatt um mehr Netto vom Brutto zu kämpfen, reiht sich der DGB bislang lieber im rot-grünen deutschen Klüngel ein und singt das hohe Lied der Umverteilung. Die DGB-Vorsitzende Yasmin Fahimi war zuvor Generalsekretärin der SPD, der sie ihre Karriere verdankt.
Dabei müssten wenigstens Industriegewerkschaften wie die IG Metall oder für Chemie-, Energie-, Bergbau-, und Kunststoff (IGBCE), die noch gut verdienende Fachkräfte vertreten, eine liberale Reformpolitik unterstützen. Denn sie will der arbeitenden Klasse mehr netto vom Brutto lassen will. Stattdessen stehen sie treu zu einer SPD, die mit üppigem Bürgergeld und großzügigen Sozialtransfers das sozialdemokratische Leistungsethos untergräbt. Ebenso wie eine grüne Energiewende viele Milliarden verschlingt, ohne nennenswert von Nutzen für das Weltklima zu sein. Eine wirkliche Vertretung der arbeitenden Bevölkerung würde daraus die Konsequenzen ziehen. Sie würde sich zu Fürsprechern derer machen, die das Land am Laufen halten.
Gefährdete Stabilität durch Zukunftsangst
Eine Kurskorrektur ist also nicht nur aus ökonomischer Sicht notwendig. Schließlich steht die politische Stabilität im größten und wichtigsten Land in Europa auf dem Spiel. Diese stützt sich nicht auf einem fiktiven Verfassungspatriotismus, sondern schlicht auf einem Wohlstandsversprechen. Das ist der Kitt, der die deutsche Gesellschaft zusammenhält – und der nun ebenso zu zerbröseln droht wie die industrielle Basis. Wenn ein Drittel (im Westen) bis zur Hälfte (im Osten) der Wahlberechtigten für radikale Parteien votiert, dann ist das in erster Linie Ausdruck von Frustration und Zukunftsangst. Weil aber der rot-grüne Teil der Bundesregierung die Sorgen der vieler Bürger ignoriert, flüchten nicht wenige zur in Teilen rechtsradikalen AfD oder zum neuen Aufsteiger „Bündnis Sahra Wagenknecht“ (BSW), das sowohl linke wie rechte Positionen besetzt. Die ehemalige Kommunistin denkt national und sozialistisch. Sie ist sogar für eine Kooperation mit der AfD offen, was die Hufeisentheorie bestätigt.
In dieser Gemengelage könnten die Gewerkschaften eine glaubwürdige Alternative sein. Eine interne Umfrage unter 4000 Mitglieder der Chemiegewerkschaft IGBCE bestätigt aktuell frühere Erhebungen, wonach sich zwei Drittel der Industriearbeiter von der Politik im Stich gelassen und nicht wertgeschätzt fühlen. Mindestens ebenso viele hadern mit dem Bürgergeld, deren 5,5 Millionen Bezieher zu 48 Prozent keinen deutschen Pass haben und dessen Kosten mittlerweile auf 54 Milliarden Euro gestiegen ist. Auch die Wahlen in Ostdeutschland bestätigen, dass die AfD zur neuen Arbeiterpartei aufgestiegen ist. Damit hat die SPD ihre Kern-Klientel verloren, wie die Forschungsgruppe Wahlen für das ZDF analysiert.
Meinen die Gewerkschaften es ernst mit ihrer Sorge um Demokratie und politische Stabilität, so müssten wenigstens sie den Sorgen vieler ihrer Mitglieder eine vernehmbare Stimme geben. Zu denken wäre an eine Neuauflage der Konzertierten Aktion, als sich die Gewerkschaften wie Ende der sechziger Jahre durch Lohnzurückhaltung den Interessen des Landes unterordneten und das damalige „Wirtschaftswunder“ mit ermöglichten. Heute wäre es das Bündnis mit Reformkräften, um den Niedergang zu stoppen. Der Bruch mit dem traditionellen Partner SPD wäre nicht zwingend. Wohl aber mit dem Flüge ideologischer Borniertheit, die mit den Namen Saskia Esken (Co-Vorsitzende) und Kevin Kühnert (Generalsekretär) verbunden ist. Doch mit dieser woken SPD ist ohnehin kein Staat mehr zu machen. Wer sich daran klammert, verspielt seine Zukunft – und die des Landes. Würden wenigstens die Industrie-Gewerkschaften über ihren Schatten springen, wäre dies der Ruck, den Deutschland dringen braucht. Wer ständig mehr fordert, muss auch zu Verzicht bereit sein, wenn es weniger zu verteilen gibt.