Das Inflationsproblem: Kurz-, mittel- und langfristige Lösungsansätze

Die Inflation hat neue Höchststände erreicht. In Deutschland vermeldete das Statistische Bundesamt für Oktober eine Inflationsrate von 11,6% (HVPI) und Eurostat für den Euroraum 10,6%. In den USA, wo sich die Inflation zuletzt ein wenig abgekühlt hat, sind es noch 7,7%. Sowohl in Europa als auch in den USA ist der starke Preisanstieg ein politisches Problem. Er hat in den USA den Demokraten wohl die Mehrheit im Kongress gekostet. In Deutschland ist die Bevölkerung beunruhigt. In Frankreich schaffen die steigenden Preise Rückenwind für Rassemblement National und Gelbwesten.

Da die Zentralbanken den Inflationsdruck lange nicht erkannt und dann als temporär verharmlost haben, können sie die Inflation nicht mehr auf die Schnelle eindämmen. Selbst bei entschlossenen Zinserhöhungen dauert es einige Monate bis diese auf die Inflationsrate wirken.

Deshalb verwundert es nicht, dass weltweit hastig um Lösungen für das Problem gerungen wird. Grundsätzlich ist es Aufgabe der Zentralbanken, Inflationsgefahren vorausschauend zu erkennen und zu bekämpfen. Da die Zentralbanken den Inflationsdruck aber lange nicht erkannt und dann als temporär verharmlost haben, können sie die Inflation nicht mehr auf die Schnelle eindämmen. Selbst bei entschlossenen Zinserhöhungen dauert einige Monate bis diese auf die Inflationsrate wirken. Soll kurzfristig Abhilfe geschaffen werden, dann liegt der Ball im Spielfeld der Regierungen.

Kurzfristige teure Lösungen: „Inflationsentschädigungen“, Preisbremsen, Subventionen

In Europa versuchen diese es einerseits mit Einmalzahlungen, insbesondere als Ausgleich für steigende Energiepreise. Frankreichs Präsident Macron kündigte bereits zu Beginn der Energie-Krise als „Weihnachtsmann der Nation“ eine „„Inflationsentschädigung“ für 38 Millionen Franzosen mit geringen Einkommen an. Österreich hat im Lichte hoher Inflation einen „Klimabonus“ und „Anti-Teuerungsbonus“ in Höhe von zusammen 500 Euro ausgezahlt. Die deutsche Bundesregierung plant derzeit eine „Inflationsprämie“ von 800 bis 1500 Euro für Gering- und Mittelverdienende. Auch Hartz IV-Empfänger, Rentner und Studierende sollen profitieren.

Andererseits sind Preisbremsen entstanden. Während die deutsche Regierung immer noch an der Strom- und Gaspreisebremse bastelt, hat die französische Regierung bereits im Herbst 2021 für Privathaushalte die Gaspreise eingefroren. Die Strompreise dürfen 2022 in Frankreich um maximal vier Prozent steigen. Ungarns Präsident Orban hat nicht nur Strom und Gaspreise gesenkt, sondern auch die Preise für Zucker, Eier, Kartoffeln und Milch gedeckelt. In Japan werden nicht nur (wie in der EU) viele Lebensmittel subventioniert, sondern auch der Nahverkehr, Autos, Benzin und Hochschulbildung. Auch die Strom-, Wasser- und Gaspreise werden reguliert (Mayer und Schnabl 2022).

Das Problem der Subventionen ist, dass diese teuer sind. Viele Milliarden werden fällig. In Frankreich ist die Regierung dieses Jahr mit 16 Milliarden Euro eingesprungen. Deutschland hat ein Sondervermögen von 200 Milliarden Euro für einen Abwehrschirm gegen zu hohe Energiepreise mobilisiert. In Ungarn und vielen anderen Ländern sind die Staatshaushalte tief im Defizit. Die ohnehin hohe Staatsverschuldung wächst weiter an. Setzen zur gleichen Zeit die Zentralbanken ihre Ankäufe von Staatsanleihen aus und erhöhen die Zinsen, dann steigt die Wahrscheinlichkeit von Staatsschuldenkrisen.

Mittelfristige schmerzhafte Lösungen: Zinserhöhungen und Defizitabbau

Das führt zur Rolle der Finanzpolitik für die Inflationsbekämpfung. Hohe Inflation entsteht, wenn Staaten auf Dauer steigende Ausgabenverpflichtungen nicht über Steuern finanzieren, sondern auf die Notenpresse vertrauen. Entsprechend wurde in den Verträgen zur Europäischen Union die Europäische Zentralbank nicht nur unabhängig gemacht, sondern es wurden auch Schuldengrenzen für die Mitgliedsstaaten der Währungsunion eingezogen. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass Staaten ihre Ausgabenverpflichtungen reduzieren und Schulden abbauen müssen, um mittelfristig den Inflationsdruck unter Kontrolle zu bringen. Sonst ist für die Zentralbanken der Spielraum für Zinserhöhungen begrenzt.

Diese Einsicht scheint sich in Japan durchgesetzt zu haben, wo bei einer Staatsverschuldung von 260% des Bruttoinlandsprodukts die Zinsbelastung der Regierung schnell ins Unerträgliche steigen würde, wenn die Bank von Japan die Zinsen erhöhen würde. Eine Zinserhöhung ist bisher ausgeblieben. Für die USA und das Euroland zeigt sich ein Widerspruch zwischen den angekündigten Zinserhöhungen der Zentralbanken und den immer neuen ambitionierten Ausgabenplänen der Regierungen. Die Europäische Zentralbank scheint mit ihrem „Transmissionsschutzinstrument“ bereits möglichen Staatsschuldenkrisen in hochverschuldeten Euroländern vorbeugen zu wollen.

Im Vereinigten Königreich ist Liz Truss mit der Idee einer schuldenfinanzierten Steuersenkung bei Zinsanstiegserwartungen in eine Finanzkrise und damit gleich in ihre Ablösung gestolpert. Nachdem die Bank von England weitere Zinserhöhungen angekündigt hat, will der neue Finanzminister Jeremy Hunt nun mit Steuererhöhungen und Ausgabenkürzungen den Haushalt ausgleichen. Es bleibt abzuwarten, ob es Premierminister Rishi Sunak gelingen wird, das Erbe von Margret Thatcher anzutreten, die einst als Eiserne Lady die Staatsfinanzen saniert und das britische Pfund stabilisiert hat.

Einschneidende langfristige Lösungen: Währungsreform, Entschuldung, Rückkehr zu unabhängiger Geldpolitik und Marktwirtschaft

Ein weiteres Beispiel für erfolgreichen Schuldenabbau ist Italien nach dem Ersten Weltkrieg, wo Benito Mussolini die Löhne gekürzt, die Konsumsteuern erhöht sowie Unternehmenssteuerung und Staatsausgaben gesenkt hat, um die Kriegsschulden abzutragen (siehe Mayer und Schnabl 2021). Mussolini verteidigte erfolgreich einen Wechselkurs von 90 Lire gegenüber dem englischen Pfund gegen Spekulanten. Auch die Reformen unter der Regierung Schröder haben die Ausgabenbelastungen des deutschen Staates deutlich reduziert und einen Rückgang der Arbeitslosigkeit erreicht. Die Erfolge wurden jedoch erst unter seiner Nachfolgerin Angela Merkel sichtbar, da die erreichten Produktivitätsgewinne zunächst in die südlichen Euroländer und die USA abflossen (und dort verkonsumiert wurden).

Die USA und das Vereinigte Königreich bauten die im Zweiten Weltkrieg entstandene Staatsverschuldung ab, indem sie mit Hilfe von Kapitalverkehrskontrollen die Zinsen auf Staatsanleihen unter die Wachstumsrate drückten. Die sogenannte finanzielle Repression hat unter normalen Umständen negative Wachstumseffekte, da der Anreiz zur Ersparnisbildung geschwächt und die Kreditvergabe der Banken gestört werden (McKinnon 1973). Doch die USA hatten damals Bedingungen für weltweit hohes Wachstum geschaffen, indem im Rahmen des Bretton Woods-Systems die Preisniveaus und die Wechselkurse stabilisiert wurden. Im Rahmen des General Agreements on Tariffs and Trade wurde der Welthandel liberalisiert. Marktwirtschaftliche Reformen in Deutschland und Japan machten die beiden Länder zu Wachstumslokomotiven.

Die deutsche Wirtschafts- und Währungsreform nach dem Zweiten Weltkrieg führte unter Ludwig Erhard (1957) in ein Wirtschaftswunder, nachdem durch die Entwertung der Ersparnisse der große Geldmengenüberhang und die hohe Staatsverschuldung beseitigt worden waren. Mit einer unabhängigen Zentralbank wurde nicht nur eine stabile Währung etabliert, sondern es wurde auch die Rolle des Staates in der Wirtschaft begrenzt. In einer freiheitlichen Verfassung wurden marktwirtschaftliche Prinzipien wie Privateigentum, Haftung und Vertragsfreiheit verankert, flankiert durch eine konsequente Wettbewerbspolitik.

Ausblick: Besinnung auf marktwirtschaftliche Prinzipien oder „Argentinisierung“ Europas?

Es gibt also genug Beispiele, wie die hoch verschuldeten westlichen Wohlfahrtsstaaten die Inflation unter Kontrolle bringen könnten. Die finanzielle Repression, die in Folge der globalen Finanzkrise (2007-2012) große Dimensionen erreicht hat, ist jedoch keine Option, da statt Reformen und Freihandel, Deglobalisierung und mehr Regulierung auf den Wunschzetteln der Regierungen stehen. Es dominieren immer neue Visionen und neue Ausgabenwünsche, die auf die Demontage marktwirtschaftlicher Prinzipien und noch mehr zentralbankfinanzierte Staatsausgaben hinauslaufen.

Das gilt insbesondere für die Europäische Union, wo wenig Wille zu Reformen erkennbar ist. Die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank scheint immer noch darauf ausgerichtet, klamme Eurostaaten und deren zombifizierte Unternehmen und Banken über Wasser zu halten. Sollte dies so bleiben, dann droht die „Argentinisierung“: Argentinien war einst eines der wohlhabendsten Länder der Erde. Doch ständige zentralbankfinanzierte Staatsdefizite, staatlich gelenkte Kreditvergabe und Inflation haben das Land wirtschaftlich und gesellschaftlich zerrüttet. Es bleibt deshalb zu hoffen, dass in den westlichen Industrieländern bald ein Umdenken einsetzen wird.

 

Literatur

Erhard, Ludwig 1957: Wohlstand für alle. Econ Verlag, Düsseldorf, Wien (Neuausgabe mit einem Vorwort von Lars Feld, Berlin 2020).

Mayer, Thomas / Schnabl, Gunther (2021): How to Escape from the Debt Trap: Lessons from the Past. CESifoWorking Paper 9078.

Mayer, Thomas / Schnabl, Gunther (2022): Japan’s Low Inflation Conundrum. CESifo WorkingPaper 9821.

McKinnon, Ronald (1973): Money and Capital in Economic Growth and Development. The Brookings Institution, Washington D.C.

Melden Sie sich jetzt für unseren Newsletter an.

So halten wir Sie über Neuigkeiten auf unserer Website und die Aktivitäten des Austrian Institute auf dem Laufenden.

Jetzt anmelden