Verhandeln statt regulieren – ein längst bekannter, aber zu wenig befolgter Ratschlag

Ein Nobelpreisträger stand auf gegen die Regulierungswut für Umwelt, Klima, Banken, Gewerbe – der Ökonom Ronald H. Coase, und dies vor 80 Jahren. Bei Problemen, Schäden sollen Private erst mal verhandeln, anstatt den Staat zu Hilfe zu rufen. Der Staat soll den Mut zur Lücke haben und nicht gleich einschreiten, Gerichte inbegriffen.

Zwei ungewohnte Überlegungen

Der richtungsweisende Aufsatz von Coase „The Problem of Social Cost“ aus dem Jahre 1960 ist gespickt mit einleuchtenden Beispielen. So kommen sich ein Viehzüchter und ein Getreidebauer ins Gehege, wenn das Vieh des einen die Ernte des andern nebenan frisst. Wer macht den Zaun? Befiehlt der Sheriff, der Staat dies, und verteilt die Kosten? Oder ein Kamin stößt Rauch aus, der Nachbar baut sein Haus höher und der Rauch plagt nun verdichtet nur einen Nachbarn jenseits. Wer ist schuld, wer muss handeln? Oder schon im 17. Jh. stritten sich Windmühlebesitzer mit Nachbarn, die auf ihrem eigenen Boden Bauten errichteten und den Wind abhielten.

Schlecht konzipierte oder gar fehlende Institutionen erhöhen die Transaktionskosten und verunmöglichen somit Verhandlungslösungen unter den Akteuren.

Ronald Coase machte zwei ungewohnte Überlegungen. Nicht nur der Bauherr vergreift sich sozusagen eigenhändig am Wind, sondern der Müller beansprucht diesen ebenso ausschließlich. Wer einem nachbarlichen Gewerbe den Maschinenlärm verbieten will, der beansprucht die Naturgesetze der Schallwellen, oder deren Abwesenheit genau so intensiv. So weit der eher moralische Aspekt solcher Fragen.

Coase verlegt sich aber auf die Ökonomie. Sein Argument wägt den gesamten ökonomischen Nutzen ab, der sich durch die umstrittene Tätigkeit oder durch deren Verhinderung ergibt. In vielen Fällen wird daher einer der beiden Nutzer eines Gutes Hand zu einem Vergleich bieten, vielleicht wird auch derjenige, der den größeren Nutzen hat, zu Kompensationszahlungen bereit sein. Eine Regulierung von oben ist, solange sich dies im Rahmen funktionierender rechtlicher Institutionen abspielt, nicht nötig.

Symmetrie von Schaden und Nutzen beachten

Wir können dies auch mit dem dichten Drahtzaum illustrieren, der heute die meisten Autobahnen des Kontinents auf Tausenden von Kilometern abschirmt – bezahlt vom Staat. Und gleich auf den Fluren daneben, wohl fast überall, haben Bauern ihre Weiden auf ihre Kosten eingezäunt. Da und dort gibt es Gesetze oder Nachbarschaftsrechte dazu. Aber grundsätzlich erklärt sich diese entgegengesetzte Finanzierung durch den größeren Nutzen: die Viehbauern wollen nicht jeden Abend verlaufenen Kühen nachrennen, sie tun sich mit ihrem Zaun selbst etwas zuliebe, nicht dem Getreidebauern nebenan. Die Autobahnbehörden hingegen wollen eine tägliche, mehrstündige Störung durch entlaufene Tiere vermeiden.

Heute kämpft man also nicht mehr um Windmühlen, aber die Symmetrie von Schaden und Nutzen stellt sich vielfach immer wieder ein. Ein großes open-air-Festival ist angesagt, aber die Nachbarn stören sich am Lärm und am Verkehr. Der entgangene Gesamtnutzen wäre groß, größer als eine Geste gegenüber den Anrainern. Oder die hochgepuschten ESG-Kriterien (ecological, social, governance) sollen durchgesetzt, mit Labeln versehen werden – oder aber man lässt die Firmen mit solchem Anspruch selbst auftreten, die Verweigerer sollen von den Kunden gemieden werden: warum also, wie von der EU beabsichtigt, 1144 Angaben von einer riesigen Zahl von Firmen dazu verlangen? Der Nutzen ist nicht bewiesen, die Lasten an Zertifizierungen, Überprüfungen, Beraterfirmen aber enorm.

Banken: Sicherheiten verhandeln statt regulieren

Anstatt die Banken, die mehr Kredite erteilen als sie Einlagen erhielten (Teilreservebanken mit Buchgeldschöpfung) zu regulieren und – bei Panik zu garantieren – sollte der Staat höchstens, wie beim Tabak, eine Warnung verlangen, etwa über dem Eingang: „Hier können sie ihr Vermögen verlieren“. Dann verhandeln die Kunden Sicherheiten, oder sie gehen zu einer Privatbank, welche die Anlagen direkt für sie durchführt, nicht in ihre Bilanz nimmt. Eine Verhandlungslösung fanden in der Schweiz 1995 die Kraftwerke, das Bundesparlament mit den Gemeinden der intakten, Hochgebirgsebene Greina. Die Gemeinden und Kraftwerke sprachen sich für den Verzicht auf eine Überflutung aus, die Behörden zahlen den armen Berggemeinden den Ausgleich für entgangene Wasserrechte.

Die Bedingung fürs Verhandeln statt des Regulierens nennt Coase auch klar: es muss wenig kosten, Verhandlungslösungen zu treffen, die „Transaktionskosten“ müssen klein sein oder fehlen. Dies dürfte in den meisten Fällen aber gegeben sein; staatliche, gerichtliche Verfahren sind erwiesenermaßen komplex, langsam und teurer, und sie berechnen selten die ökonomische Kosten- und Nutzenseite. Sodann muss eine öffentliche Rechtsordnung bereitstehen, wie immer hinter dem Marktgeschehen, also Vertragsfreiheit und -treue, Klagbarkeit von Verträgen, der Ausschluss von Gewalt. Kein Faustrecht der Vieh- und Getreidebauern also. Schlecht konzipierte oder gar fehlende Institutionen erhöhen die Transaktionskosten und verunmöglichen somit Verhandlungslösungen unter den Akteuren.

Klima und Umwelt: Internalisierung der Kosten statt Verbote

Wozu sich Coase nicht geäußert hat, auch kaum äußern konnte, sind die Schäden (Externalitäten privater Handlungen) auf eine ungezählte, diffuse Menge Betroffener: man kann über einen Bachlauf zwischen Fischzüchtern und Verschmutzern verhandeln, nicht jedoch bezüglich der Plastikverschmutzung der Meere. Die Klimawirkungen eines Kohlekraftwerks können nicht mit der ganzen Menschheit verhandelt werden. Hier braucht es allgemeinverbindliche Regeln, um die Schäden zu internalisieren, also den Verursachern zuzurechnen.

Die Behörden den meisten Länder bauen aber nicht auf Internalisierung, auf Kostenwahrheit, sondern auf direkte Verbote, wie etwa das absurd absolute Ziel „net-zero“ bis 2050. Wenn ernst genommen, wird dies in eine Klimadiktatur münden. Hingegen sind Klima-Zertifikate, Verschmutzungsrechte die richtige Lösung. Damit können die Verbrauchsarten nach ihrem Schadenpotential belastet werden – Heizung, Autos, Flüge, Industrie, Schifffahrt. Wenn es wissenschaftlich belegbar und notwendig ist, werden diese Zertifikate stetig verteuert und verknappt. Damit verändert sich das Preisniveau und gibt die Signale der Internalisierung ab. Werden, was zentral dabei ist, die Erlöse aus dem Zertifikatsverkauf den Bevölkerungen pro Kopf rückerstattet, sahnt der Staat damit keine Kaufkraft als verkappte Steuer ab, sondern die relativen Preise eben verteuern die fossile Energie, jedoch behält die Bevölkerung ihre private Kaufkraft.

Hierzu schrieb Coase geradezu prophetisch, bloße Lenkungssteuern des Staates sollten nie den Geschädigten selbst ausgerichtet werden. Der andauernde Ruf nach immer neuen Steuern ist eine ökologische Kulisse für fiskalischen Raub. Diese Variante staatlicher Sorge verdient das vielgerühmte Label „ESG“ gerade nicht. Die Verhandlungslösungen des Ronald H. Coase hingegen schon.

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