Die Lust an Interventionismus und Planung von oben sind auf dem Vormarsch. Für viele war bekanntlich die Pandemie der Anlass, um die angeblich so segensreiche Wirkung staatlicher Eingriffe, ja die Übernahme und Stützung weiter Sektoren der Wirtschaftstätigkeit zu preisen. Dass sich dabei Schuldenberge auftürmen, die auf die kommenden Generationen überwälzt werden, scheint kein Problem zu sein.
Den Vogel abgeschossen hat der Co-Präsident der Schweizer SP, Cédric Wermuth. Im kürzlichen Interview mit der NZZ meinte er, „die zentrale Lektion“ der Coronakrise laute: „Wenn es wirklich darauf ankommt, löst der Markt gar nichts. Hingegen können wir als Gesellschaft auch Wirtschaftspolitik demokratisch entscheiden und planen. Wir müssen sogar, wenn wir die Klimakrise bewältigen wollen.“
Eindämmung einer Pandemie als Paradigma für Klimapolitik! Der Staat, die öffentliche Hand, legitimiert durch demokratische, also kollektive wirtschaftspolitische Entscheidungen, soll es richten. Ja, so der auf dem linken Flügel seiner Partei politisierende Sozialist, die Krise habe gezeigt: „Man kann alles herunterfahren außer den Service public. Ohne Gesundheitsversorgung, Bildung, Sicherheit, Wasser, Strom und Lebensmittel geht nichts. Diese grundlegenden Infrastrukturen sind das Erfolgsrezept der Schweiz…“
Tatsächlich? Ist die Lebensmittelversorgung irgendeines (nichtsozialistischen) Landes tatsächlich ein Teil der vom Staat zur Verfügung gestellten „Infrastruktur“? Die Versorgung mit Nahrungsmitteln ist doch die Uraufgabe von Märkten! Da ging auch während der Pandemie gar nichts staatlich (außer etwa in der Schweiz die Subventionen für die Landwirtschaft, ohne die die Bevölkerung jährlich Milliarden weniger für Lebensmittel ausgeben würde).
Und wie steht es mit dem Rest der Wirtschaft? War er überflüssig? Woher kam die Impfung? Woher die Desinfektionsmittel und die Masken, usw.? War es wirklich der Staat, dank dem wir in diesen anderthalb Jahren überleben und sogar recht gut leben konnten? Sicher: Vom Staat finanzierte Kurzarbeit, das war sinnvoll und auch kostspielig und hat sich gelohnt. Aber ist sie ein Paradigma für eine neue Form von Wirtschaft?
Viele sehen nicht, dass die Pandemie keine wirtschaftliche Krise war, keine Folge der Marktwirtschaft, sondern eine Art Naturkatastrophe (vielleicht mit menschlichem Verschulden, das spielt hier aber keine Rolle). Wie der französische Präsident Macron es formulierte, glich ihre Bekämpfung einem Krieg. Wir erlebten keine Wirtschaftskrise, sondern einen Lockdown der Wirtschaft durch den Staat – eine gesundheitspolitische Zwangsmaßnahme, eine „Kriegsmaßnahme“. Das hat der Marktwirtschaft nicht gut getan, aber sie hat den Stresstest bestanden, wenn auch, was nur gerecht ist, mit staatlicher Hilfe. Diese war aber nicht als Folge eines Versagens der Wirtschaft nötig geworden, sondern weil der Staat sie in den Lockdown schickte. Was in den letzten Monaten geschah, zeigt also nicht die Überlegenheit des „service public“ über den freien Markt, sondern die ungebrochene Dynamik der Marktkräfte sogar in Zeiten eines Lockdowns.
Weder Kapitalismus noch Marktwirtschaft haben versagt oder gar ausgedient, wie das von links her suggeriert wird. Vielmehr haben gerade sie die ökonomischen Ressourcen sichergestellt, mit denen die öffentliche Hand ihre Eindämmungspolitik durchziehen konnte – und uns am Ende noch die Lösung präsentiert: wirksame Impfstoffe. Wo diese Ressourcen nicht existierten, in ärmeren Ländern ohne funktionierende Marktwirtschaft und kapitalistisches Unternehmertum, waren Lockdowns gar nicht möglich oder haben zu verheerenden Konsequenzen für die Ärmsten geführt.
Das sollten sich alle hinter die Ohren schreiben, die nun meinen, man könne das Klimaproblem durch den Staat und auf Kosten der marktwirtschaftlich-unternehmerischen Kräfte lösen. Die eigentliche Lektion ist: Ohne diese geht nichts, auch die öffentliche Hand stünde ohne sie ohne Ressourcen da, es gäbe nur unproduktive Verteilungskämpfe. Das ist, was Sozialisten aller Zeiten gefördert haben, sicher mit der guten Absicht, den Überfluss zu schaffen. Gute Absichten nützen nichts, wenn grundlegende Gesetze der Logik und wirtschaftliche Zusammenhänge nicht beachtet werden. Das Resultat sozialistischer Politik war deshalb immer das genaue Gegenteil dessen, was man am Anfang beabsichtigt hatte.
Gute Absichten finden sich auch auf dem quasi-sozialistischen, weil interventionistischen, Flügel der Grünen und ihrer Vorschläge zur Klimapolitik. Ja, (grüner) Interventions-Moralismus scheint den gesunden Menschenverstand zu verdrängen. Zu diesem Thema bieten wir einen neuen Artikel von Wolfgang Bok, der auch zeigt, dass die Grünen keine soziale Partei ist, sondern eher jene der Besserverdienenden. Auch Beat Kappeler bietet auf unserem Blog wieder eine hochinteressante Analyse: Diesmal zeigt er, was der „Earned Income Tax Credit“ in den USA bedeutet – er ist das beste Sozialprogramm, besser als Mindestlöhne und bedingungsloses Grundeinkommen, die nur Schaden anrichten (auch wenn gerade ein Ökonom für seinen angeblich stringenten, in Wirklichkeit aber höchst umstrittenen Beweis dafür, dass Mindestlöhne sozial nützlich seien, den Nobelpreis erhalten hat…).
Schauen Sie sich auch das neue Kurzvideo der AUSTRIAN ACADEMY an: Impressionen, Stimmungsbilder, Interviews mit Teilnehmern in knapp zwei Minuten. Und die ersten Vorträge als Videos: Mein eigener Eröffnungsvortrag, der zeigen will. dass die kapitalistische Marktwirtschaft die „Wirtschaftsform des Gebens ist. Wie auch die beiden wirklich lohnenswerten Vorträge von Stefan Kooths, über „Marktwirtschaft, Kapitalismus und Unternehmertum als Grundlage für Wohlstand und Fortschritt“ – ein echter Augenöffner bezüglich der grundlegenden ökonomischen Zusammenhänge auf dem Boden zentraler Einsichten der Österreichischen Schule. Und auch den Einführungsvortrag von Gerold Rauscher, dem Tagungsleiter.
Weitere Vortragsvideos werden folgen. Alle werden Sie hier finden.
Weiter präsentieren wir Ihnen auch einen längeren Artikel in englischer Sprache von unserem Mitarbeiter in Princeton, USA, Thomas D. Howes, zum Thema Bildungssystem aus liberaler Sicht: Freedom to Choose: A Cure for Illiberal Education – warum ein wettbewerbliches und freies, nicht-staatliches Bildungssystem in jeder Hinsicht besser wäre (der entsprechende Link führt auf die englische Version unserer Website).
Mit allen guten Wünschen und sehr herzlichen Grüßen
Ihr
Martin Rhonheimer
Präsident Austrian Institute
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