Das Folgende ist die Kurzfassung eines ausführlichen, reich dokumentierten Beitrags (Austrian Institute Paper 49/2024). den Sie hier als PDF herunterladen können.
Lobbyismus ist eine Form der gesellschaftlichen Vertretung und Durchsetzung von privaten Interessen. Lobbyismus ist grundgesetzlich erlaubt und im Sinne der Pluralität der Meinungen erwünscht. In den vergangenen Jahrzehnten hat sich das Verhältnis zwischen Staat und Interessengruppen grundlegend verändert und weiter ausdifferenziert, was sich mit den Schlagworten Pluralisierung, Spezialisierung und Professionalisierung der Lobbyarbeit sowie mit Mediatisierung und Digitalisierung kennzeichnen lässt.
Die klimapolitischen Akteure wollen die Gesellschaft nach ihren Vorstellungen, Werten und Zielen gestalten, dazu versuchen sie, die Lobbyaktivitäten in der Energie- und Klimapolitik gezielt zu steuern und auszuweiten. Die staatlichen Akteure sind entgegen anderen herkömmlichen Thesen nicht die Reagierenden, sondern die bewusst Agierenden.
Der Einfluss von Gruppen, die nicht-erwerbswirtschaftliche oder öffentliche Interessen aus den Bereichen Umwelt- und Klimaschutz vertreten, hat zugenommen. Durch den politisch forcierten Ausbau der erneuerbaren Energien haben dort mittlerweile erheblich mächtige Akteure herausgebildet, die mit Klimaschutz argumentieren und Gemeinwohlinteressen vorgeben.
Politik als Markt für politische Dienstleistungen
In der ökonomischen Public Choice-Theorie lässt sich Politik als Markt für politische Dienstleistungen auffassen, der die Bereitstellung öffentlicher Güter, politische Regulierungen und Subventionen umfasst. Politiker sind Anbieter von politischen Dienstleistungen, während Bürger, Unternehmer und andere Akteure wie insbesondere spezifische Interessen- und Lobbygruppen, die wirtschaftliche und gesellschaftliche Einzelinteressen oder spezifische ideologische Interessen vertreten, die Nachfrager nach politischen Dienstleistungen sind. Politische Dienstleistungen werden gegen Wählerstimmen, Geld und weitere Tauschmittel wie Informationen, Einfluss und Vertrauen oder Zeitressourcen getauscht.
Politische Akteure forcieren Lobbyismus
Die klimapolitischen Akteure wollen die Gesellschaft nach ihren Vorstellungen, Werten und Zielen gestalten, dazu versuchen sie, die Lobbyaktivitäten in der Energie- und Klimapolitik gezielt zu steuern und auszuweiten. Die staatlichen Akteure sind entgegen anderen herkömmlichen Thesen nicht die Reagierenden, sondern die bewusst Agierenden, die gezielt umfangreiche Lobbyaktivitäten auf einer stark wertebasierten Vorstellung schaffen, erweitern und ausdehnen und damit zugleich vielfältige neue Einkommenserzielungsmöglichkeiten schaffen. Die Grundvorstellung dafür ist, dass eine – bisher vor allem ökonomisch orientierte – Interessenpolitik von einer moralischen Wertepolitik abgelöst wurde. Die moralischen Werte werden zur Verfolgung der eigenen politischen Zwecke gezielt eingesetzt und Sachfragen zu moralischen Fragen umgedeutet. Auf diese Weise wird die klimapolitische Agenda in Deutschland mit fester gesinnungsethischer Überzeugung umgesetzt. Dazu verfolgen die klimapolitischen Akteure die folgenden drei Strategien:
Drei Handlungsstrategien der klimapolitischen Akteure
- Politische Akteure wollen Einkommenserzielungsmöglichkeit für bestimmte Gruppen schaffen und gegen politische Unterstützung tauschen. In der kleinteiligen EEG-Förderung können Politiker ökonomische Renten den gewünschten Gruppen mundgerecht zuteilen. Die privilegierten Gruppen entwickeln große Eigendynamik, indem sie weitere staatliche Eingriffe oder Sondervorteile fordern, was eine Interventionsspirale in Gang setzt. Gerade im kleinteiligen Erneuerbaren Energien-Gesetz können Politiker ökonomische Renten spezifisch und maßgeschneidert an die gewünschte Bevölkerungsgruppe zuteilen.
- Politiker wollen durch Kommunikation politisch mobilisieren. Die bisher ökonomisch orientierte Interessenpolitik wird durch eine moralische Wertepolitik ersetzt. Gesinnungsethische Vorstellungen („Deutschland als Klima-Vorreiter“) werden zur Verfolgung der eigenen und politischen Zwecke instrumentalisiert und Sachfragen zu moralischen Fragen umgedeutet. Dazu werden wünschenswerte gesellschaftliche Zukunftsprojekten politisch formuliert und ein politischer Ambitionswettlauf um die frühestmögliche Klimaneutralität von Bund, Ländern und Kommunen (2050, 2045, oder 2040 oder sogar noch früher) begonnen. Verschiedene gesellschaftliche Interessengruppen (v.a. NGOs, Klimaschutzinitiativen) werden dabei in die Formulierung und Durchsetzung aktiv einbezogen und wollen im Extremfall ihre eigeninteressierten Ziele auf juristischem Weg gegenüber Politik und Gesellschaft durchboxen („Justizialisierung der Interessendurchsetzung“).
- Politische Akteure versuchen, sich mit dem Verweis auf (vorgeblich) fachlicher Expertise eine Legitimationsgrundlage zu schaffen. Sie geben Studien in Auftrag, um ihre politische Sichtweise als „wissenschaftlich fundiert“ erscheinen zu lassen. Sogenannte „Potenzialstudien“ sollen eine tatsächliche Machbarkeit vorschützen, auch wenn sie nur das theoretische Potenzial eruieren. Studien zu „Zielverfehlungen“ oder „Zielerreichungslücken“ dienen dazu, öffentlich Angst hervorzurufen und sofortige „politische Nachsteuerung“ einzufordern. Politiker lassen sich von ihnen untergeordnete Verwaltungen öffentlich unterstützen („Projektionsbericht des Umweltbundesamtes“ März 2024).
Lobbyismus zwischen gesellschaftlicher Steuerungsillusion und Allmachtsphantasien
Das Cicero-Magazin hat jüngst aufgedeckt, dass Akteure in der Klimapolitik seit vielen Jahren strategisch miteinander agieren: Das „grüne Lobby-Netzwerk“ bezeichnet einflussreiche personell und fachlich sich austauschende Netzwerke aus Öko-Lobbyisten, Vertretern von verschiedenen NGOs, Wissenschaftlern sowie Vertreter von Ministerien und politische Akteure, die gemeinsame politische und eigeninteressierte Ziele anstreben. Diese Netzwerke geben ausgewählte Informationen an die Politik weiter oder deuten sie zu ihrem eigenen Vorteil um. Ihre eigeninteressierten Ziele kaschieren sie mit Gemeinwohlargumenten („Rettung der Menschheit“-Narrativ).
Um ihre Glaubwürdigkeit zu erhöhen, verweisen sie auf Studien von Agora-Energiewende, die ihre Auffassungen fachlich untermauern (sollen). So sind Forschungsprojekte und Arbeitsprogramme von Agora – durch die damaligen Staatssekretäre Rainer Baake und Patrik Graichen – unmittelbar und intransparent in die Politik eingeflossen. Dies erklärt auch die enorme Sprengkraft, die der erste Entwurf des Graichenschen „Heizungsgesetzes“ nach Bekanntwerden im Frühjahr 2023 hatte.
Transparenz, Aufklärung und Öffentlichkeit tun not!
Es mangelt entscheidend an Transparenz und Pluralität der Meinungen, weshalb Agora-Studien und viele Politikmaßnahmen einseitig und nicht ausgewogen erscheinen. Letztlich wird das Vertrauen in die Rechtmäßigkeit des staatlichen Handelns untergraben. Das Spannungsverhältnis zwischen Lobbyismus und Rechtsstaat ist stets neu und transparent auszutarieren.