Da das Wirtschaftswachstum in der EU zugenommen hat, ist bei den Anhängern der EZB-Politik die Hoffnung gewachsen, die EU könnte unterstützt durch gewisse Reformen aus der Schuldenkrise herausfinden. Das dürfte eine trügerische Hoffnung sein. Denn die Wirtschaft ist nach den geschätzten Ergebnissen 2017 vor allem in Osteuropa, in den drei baltischen Staaten sowie in Spanien, Portugal, Luxemburg und Irland überdurchschnittlich gewachsen – nicht aber in den eigentlichen Problemländern.
Vermutlich durch diese Zahlen gestützt hat die EZB bekannt gegeben, sie werde den Ankauf von Staatsanleihen gegenüber dem bisherigen Volumen halbieren. Damit dürfte der Trend zu höheren Zinsen weiter genährt werden. Für die fünf „Problemländer“ Griechenland, Italien, Spanien, Portugal und Frankreich sind das keine guten Aussichten, denn sie werden auch in Zukunft ein Haushaltsdefizit ausweisen. Damit wird auch ihre Gesamtverschuldung weiter zunehmen oder bestenfalls nur leicht abnehmen.
Schuldenproblem besteht weiter
Nach den offiziellen Angaben der EU betrug die Verschuldung dieser Problemländer 2016 zwischen 96,5% in Frankreich, 99% in Spanien, in Portugal 130%, in Italien 132% und in Griechenland 180,8% des Bruttoinlandprodukts (BIP), also weit mehr als die im Vertrag von Maastricht festgelegten 60%. Daran dürfte sich gemäß den Prognosen der EU bis 2019 nicht viel ändern. Nur für Griechenland wird eine leichte Reduktion um 10 Prozentpunkte vorausgesagt. Das reicht für diese Länder für eine Sanierung bei weitem nicht aus. Griffige Reformen und massive Einsparungen scheinen unausweichlich. Die Staatsfinanzen sollten so weit ins Lot gebracht werden, dass Überschüsse erzielt werden, um Schulden abzubauen. Das würde bedingen, dass das Heer von Staatsbeamten massiv verkleinert wird, und Staatsbetriebe, wie etwa Transport- und Energieunternehmen, privatisiert werden. Die schon hohe Arbeitslosigkeit wird auf den ersten Blick weiter stark zunehmen. Dagegen hilft nur, dass der Arbeitsmarkt reformiert wird und staatliche Vorschriften aufgehoben oder stark gelockert werden, die der Aufnahme einer selbständigen Erwerbstätigkeit im Weg stehen.
Generell muss in diesen Ländern die Einsicht stark zunehmen, dass kleine und mittlere Gewerbebetriebe das Herz eines wirtschaftlichen Aufschwungs bilden. Großbetriebe in zurückgebliebenen Gebieten funktionieren nur mit dem Rekrutieren qualifizierter Arbeitskräfte aus entwickelten Zonen, was nicht einfach ist. Hinreichend qualifizierte lokale Arbeitskräfte sind längst abgewandert, die Erfahrungen in Süditalien haben dies deutlich gezeigt. Es braucht also tiefgreifende Reformen und oft auch ein wirtschaftspolitisches Umdenken.
Angesichts dieser politischen Probleme ist es zweifelhaft, ob genügend umfassende Reformen ergriffen und durchgezogen werden. Arbeitsmarktreformen sind in den meisten Problemländern in Angriff genommen und entsprechende Gesetze angepasst worden. Dies wird aber nicht ausreichen. Wie oben angedeutet, müssen eine große Zahl von Staatsbeamten entlassen werden, und auch die selbständige Erwerbstätigkeit muss gründlich liberalisiert werden. Ob beispielsweise ein Friseur ein staatliches Diplom oder ein Gastwirt eine obrigkeitliche Bewilligung hat, darf einer Aktivität nicht im Wege stehen. Die Konsumenten werden selbst entscheiden, ob diese Leute ihr Handwerk beherrschen.
Geldschwemme verringern
Mit einer wachsenden Wirtschaft wird das gegenwärtig noch bei den Banken oder der Zentralbank ruhende Geld in Umlauf kommen. Eine Zunahme der gegenwärtig von der EZB noch herbeigesehnten Inflation über das gewünschte Maß hinaus wird dann schwierig zu verhindern sein. Die Träume von einer streng kontrollierten Inflation sind lebendig aber, wie die früheren Erfahrungen in verschiedenen Ländern gezeigt haben, können sie nicht in Erfüllung gehen. Die Zentralbanken und weitere interessierte Akteure werden dann als erstes das Inflationsziel von zwei auf vier oder fünf Prozent als wünsch-und tragbar bezeichnen. Weiter geistert bereits die Rede von einer nachzuholenden Teuerung herum. Es wird argumentiert, die Teuerung sei mehrere Jahre praktisch bei null gelegen, sodass während einiger Jahre auch eine Rate von acht oder zehn Prozent tolerierbar wäre. Die Schuldenlast würde damit zwar deutlich verringert, aber der nicht vermögende, größere Teil der Bevölkerung hätte darunter mehr oder weniger stark zu leiden.
Als weitere Möglichkeit zur Verringerung der Geldmenge könnten die EZB und die mit ihr verbundenen Notenbanken der einzelnen Länder die Banken zwingen, die Mindestreserven stark zu erhöhen. Damit würde Geld aus dem Kreislauf herausgenommen und könnte von der EZB vernichtet werden. Die Banken könnten aber zu Recht monieren, sie würden um ihr Geld betrogen. Eine Bankenkrise, ja sogar Bankzusammenbrüche, vorab in den Problemländern, wären wohl nicht zu vermeiden. Dies könnte an sich sogar heilsam sein. Aber die Zentralbanken und auch die Regierungen hätten zu einer derartigen Radikalkur kaum den Mut. So bleibt die Inflation als einzige wirksame „Lösung“ übrig. Es bleibt nur zu hoffen, dass das Ganze in einem gemäßigten Rahmen abläuft. Der so genannte kleine Mann wird natürlich letztlich den Schaden zu tragen haben.
Am Ende des Jahres 2017 gibt es also viele Wunschträume, die sich in absehbarer Zeit kaum erfüllen werden. Eine realistische Einschätzung der Lage ist angebracht. Sie bedeutet nicht, die Katastrophe herbeizureden. Wohl aber hilft Realismus, sich für zukünftige Unbill vorzusehen und endlich die Reformen anzugehen, die Europa aus der Zwickmühle herausführen können.
Auch die SNB-Bilanz ist aufgebläht, doch gibt es entscheidende Unterschiede zur EZB:
Die Schweizerische Nationalbank (SNB) ist in einer vergleichsweise besseren Lage als die Euro-Staaten. Sie hat keine effektiv bereits wertlosen Staatsanleihen gekauft. Da sie die Frankenschwemme selbst verursachte, indem sie Franken „druckte“, könnte sie mit ihren Reserven an Fremdwährungen Franken kaufen. Sie könnte dieses Geld dann buchstäblich „schreddern“, ohne Dritten direkt zu schaden. Von ihr künstlich geschaffenes Geld, das ja in Wirklichkeit wertlos ist, verschwände wieder. Sie müsste dann große Verluste schreiben, und die Gewinnausschüttung an die Kantone bliebe aus. Da die Kantone diese Zuweisungen jeweils bereits budgetiert haben, wäre das politische Wehklagen groß. Aber in Zukunft würde die SNB mit einer gesundgeschrumpften Bilanz wieder Gewinne erwirtschaften.