Besser heute als morgen: Raus aus der finanziellen Repression!

In vielen Industrieländern ist die Verschuldung hoch und das Wachstum gering. Steuererhöhungen und Ausgabenkürzungen, die die Verschuldung reduzieren könnten, sind bei den Wählern äußerst unbeliebt. Deshalb schlagen US-Ökonomen wie Kenneth Rogoff einen Schuldenabbau über die finanzielle Repression vor: Die Notenbanken sollen durch umfangreiche Ankäufe von Staatsanleihen die Zinslasten drücken. Sobald die starke Ausweitung der Zentralbankbilanzen zu Inflation führt, sinkt der Anteil der Staatsverschuldung am Bruttoinlandsprodukt. Diese Strategie war in den USA und dem Vereinigten Königreich nach dem Zweiten Weltkrieg sehr erfolgreich. Heute lähmt sie das Wachstum und funktioniert deshalb nicht.

Die Autoren dieses Beitrags sind Andreas Hoffmann (siehe Autoreninformation rechts) und Gunther Schnabl, Professor für Wirtschaftspolitik und Internationale Wirtschaftsbeziehungen an der Universität Leipzig und Leiter des dortigen Instituts für Wirtschaftspolitik (s. auch seinen früheren Beitrag bei uns: Die Verteilungseffekte der Geldpolitik der Europäischen Zentralbank destabilisieren Europas Demokratien).

Eine ausführliche und dokumentierte Fassung des vorliegenden Artikels von Andreas Hoffmann und Gunther Schnabl finden Sie als Austrian Institute Paper Nr. 19 hier: Warum der frühe Ausstieg aus der finanziellen Repression lohnt.

Die Industrieländer stecken in der finanziellen Repression, weil seit Mitte der 1980er Jahre die Zentralbanken in Krisenphasen die Zinsen entschlossen gesenkt und aggressiv Anleihen gekauft haben, um Pleiten von Finanzinstituten und Staaten vorzubeugen. Im Aufschwung nach der Krise wurde der Ausstieg aus den lockeren Geldpolitiken verzögert, um die wirtschaftliche Erholung nicht zu gefährden. Die stetig sinkenden Zinsen erlaubten es den Regierungen immer größere Schuldenberge anzuhäufen, ohne dass die Zinslast gestiegen ist. Das billige Geld der Zentralbanken ermöglichte es den Geschäftsbanken, nicht-tragfähige Kredite an Unternehmen mit wackligen Renditen weiterzuführen und eine weitere gravierende Wirtschaftskrise zu verhindern.

Doch ein Blick in die Wirtschaftsgeschichte zeigt, dass diese Politik in eine Sackgasse führt. In den 1950er bis 1980er Jahren kontrollierten viele Schwellenländer in Asien, Lateinamerika sowie Mittel- und Osteuropa die Kreditvergabe staatlich, um bestimmte Industriezweige zu fördern bzw. eigentlich bankrotte Unternehmen am Leben zu erhalten. Die staatlich gelenkten Geschäftsbanken refinanzierten sich bei den Zentralbanken, die das notwendige Geld druckten. Preiskontrollen verhinderten Inflation. Kapitalverkehrskontrollen begrenzten Kapitalflucht. Die nicht wettbewerbsfähigen Unternehmen wurden durch Zölle geschützt.

Der Stanford-Ökonom Ronald McKinnon  zeigte, dass die staatliche gelenkte Kreditallokation die Ursache für die anhaltende Stagnation war. Um den schleichenden Verfall des Wohlstands ein Ende zu setzen, entwickelte er eine Ausstiegsstrategie: Die Staatsfinanzen wurden konsolidiert, die Notenpressen angehalten, Preise freigegeben, Banken privatisiert und schließlich die internationalen Güter- und Kapitalmärkte geöffnet. Die Wachstumspotentiale, die sich durch die Rückkehr zu wirtschaftlicher Freiheit eröffneten, waren beeindruckend. Das beste Beispiel ist China!

Für die Industrieländer, die sich bereits allesamt in die finanzielle Repression manövriert haben, sollte deshalb die Erfahrung der Schwellenländer sowohl als Warnung auch als Chance gesehen werden. Es gibt zwei Auswege. Einerseits könnten alle Staatsanleihen per Dekret entwertet werden. Doch diese Schuldenschnitte würden die Banken und Alterssicherungssysteme zum Wanken bringen. Sie würden von den Bürgern als politischer Offenbarungseid interpretiert und den Glauben in die Demokratien weiter untergraben. Wachsende politische Instabilität wäre die Folge.

Die Alternative ist das vorsichtige und schrittweise Anheben der Leitzinsen durch die Zentralbanken, z. B. um 0,5% Punkte pro Jahr. Die Zinserhöhungen über einen langen Zeitraum hinweg (z.B. 10 Jahre) müssten unumgänglich sein. Die vorsichtige geldpolitische Straffung würde die hochverschuldeten Staaten zwingen ihre überbordenden Ausgaben zu konsolidieren. Sie hätten gleichzeitig ausreichend Zeit, ihre Ausgaben zu durchforsten. Die Geschäftsbanken müssten bei steigenden Zinsen mehr Druck auf die Unternehmen ausüben, wieder rentabler zu werden. Die Produktivität der Unternehmen würde steigen, so dass es auch wieder mehr Potential für Lohnsteigerungen geben würde.

Weil das vorsichtige Anheben der Leitzinsen durch die Zentralbanken also viel Gutes bewirken könnte, sollten sich die Zentralbanken schon morgen dem Ausstieg aus den ultra-lockeren Geldpolitiken zuwenden. Die US-amerikanische Fed hat bereits den Anfang gemacht. Die Europäische Zentralbank sollte schnell folgen. Die Zentralbanken sollten nur eines beachten: Sich bitte nicht von möglichen Turbulenzen auf den Finanzmärkten beeindrucken lassen!

Literatur:

Hoffmann, A. und G. Schnabl: ‘Adverse Effects of Unconventional Monetary Policy’, The Cato Journal 36, 3 (2016), S. 449–484.

McKinnon, R.: Money and Capital in Economic Development, Washington, DC: Brookings Institution Press 1973.

Rogoff, K.: The Curse of Cash, Princeton: Princeton University Press 2016.

Download der ausführlichen Fassung (Austrian Institute Paper Nr. 19) hier:

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