Die Ansicht, lieber im eigenen Land zu produzieren statt zu importieren, gleichzeitig aber möglichst viel zu exportieren, ist weit verbreitet und sehr populär. Sie ist nicht nur bei „einfachen Bürgern“ und vielen Politikern beliebt, auch Präsident Trump hat sich entsprechend geäußert. Diese Wirtschaftspolitik wird als Merkantilismus bezeichnet.
Merkantilismus: Die Wirtschaftspolitik der Kurzsichtigen
Der Merkantilismus dominierte vor allem im 16. bis ins 18 Jahrhundert die Wirtschaftspolitik. Der Wirtschaftstheorie jener Zeit war das Volkseinkommen als Messgröße für die Wirtschaftskraft eines Landes noch unbekannt. Die damals noch verbreiteten absoluten Landesherrscher interessierten sich ohnehin nicht für eine vernünftige Wirtschaftspolitik. Ihnen ging es um die Erhöhung der Staatseinnahmen, vorab zur Finanzierung von Kriegen und zum Füllen des eigenen Portemonnaies.
Die Schaffung von Arbeitsplätzen im eigenen Land ist ein beliebtes Argument gegen den Freihandel. Auch die Versorgungssicherheit, zum Beispiel für Energie und Nahrungsmittel, wird gerne ins Feld geführt. So werden meistens Schutzzölle zugunsten einheimischer Produzenten begründet. Die Zölle werden vom Staat kassiert, gehen aber zulasten der Konsumenten. So verschafft sich die öffentliche Hand mehr Einnahmen, was sich viel leichter durchsetzen lässt als Steuererhöhungen.
In die gleiche Richtung gehen Initiativen, der Staat solle sogenannte zukunftsträchtige Technologien fördern, zum Beispiel auf dem Gebiet der erneuerbaren Energien. Der Einwand, dies koste viel, meistens zu Lasten des Staates oder auch der Konsumenten, wird mit der als Tatsache verkleideten Hoffnung pariert, mit der Zeit würden diese Arbeitsplätze hochrentabel sein, weil sie angeblich auf Techniken der Zukunft bauen würden. Viele sogenannte Experten maßen sich an, schlauer zu sein als der Markt, der dafür ein unendlich viel besseres „Gespür“ hat als irgendwelche einzelne Fachleute oder politische Interessenvertreter. Vielversprechende Techniken der Zukunft werden von Unternehmen dann entwickelt und angewendet, wenn sie mit großer Wahrscheinlichkeit zu einer Verbesserung der Rentabilität eines Unternehmens führen.
Im Bereich der Energieversorgung werden heute in vielen Ländern immer wieder staatliche Lenkungseingriffe gefordert oder, wenn sie bereits bestehen, verteidigt. Deutschland ist hier bereits sehr weit gegangen und dient den Grünroten als Vorbild. Tunlichst verschwiegen werden die exorbitanten Kosten und die bedrohliche Fragilität des Stromnetzes. Eine Behebung dieses Mangels wird ebenfalls sehr teuer werden und wegen der verbreiteten Abneigung gegen neue Hochspannungsleitungen lange dauern. In der Landwirtschaft beispielsweise, die ja europaweit bereits viel mehr einer Planwirtschaft gleicht als einer Marktwirtschaft, wird in der Schweiz eine Eidgenössische Volksinitiative „Für Ernährungssouveränität. Die Landwirtschaft betrifft uns alle“ lanciert. Sie bringt im Vergleich zu den bestehenden Regelungen kaum etwas Neues. Es werden aber explizit Zölle oder gar Einfuhrverbote „zur Förderung einer Produktion unter sozialen und ökologischen Bedingungen, die den schweizerischen Normen entsprechen“ verlangt. Gerade Entwicklungsländer, die auf die Ausfuhr landwirtschaftlicher Produkte angewiesen und dafür besonders geeignet sind, würden dadurch noch mehr betroffen als dies heute schon der Fall ist.
Freier Handel ist kein Nullsummenspiel
Aus theoretischer Sicht ist diese heutige Popularität des Merkantilismus erstaunlich, denn bereits im 18. Jahrhundert hat der schottische Philosoph und Ökonom Adam Smith in seinem umfangreichen Werk Der Wohlstand der Nationen, dessen letzte Fassung 1789 erschien, im Detail gezeigt, dass der Merkantilismus und die damit verbundene Schaffung von Kolonien in Übersee den Kolonialmächten insgesamt weit mehr geschadet als genützt hat. Wenig später, im Jahr 1817, veröffentlichte David Ricardo sein Werk Principles of Political Economy and Taxation. Darin entwickelte er die so genannte Theorie der komparativen Kostenvorteile. Danach ist Außenhandel für alle Volkswirtschaften vorteilhaft, selbst wenn sie gegenüber anderen Staaten bei allen Gütern Kostennachteile haben. Für ein Land ist es am profitabelsten, wenn es selbst nur produziert, was relativ zu anderen einheimischen Produkten mit der höheren Produktivität hergestellt werden kann. Die anderen Produkte sollen importiert werden. So können auch Länder vom Welthandel profitieren, die bei allen einheimischen Produkten im Vergleich zu anderen Volkswirtschaften kostenmäßig nicht konkurrenzfähig sind. Handel ist eben kein Nullsummenspiel! Diese Theorie wurde von späteren Autoren teilweise erweitert oder auch wegen der vereinfachenden Annahmen in Frage gestellt. Aus der Sicht der österreichischen Schule der Nationalökonomie ist diese Diskussion eigentlich trivial. Murray N. Rothbard schreibt in seinem 1962 erstmals erschienenen Werk Man, Economy, and State: „In a purely free market…there can be no such thing as an ‘international trade’ problem.” Nationen sind Ausdruck kultureller Vielfalt, aber sie sind keine ökonomischen Begriffe. Heute kann allgemein der Außenhandel nicht mehr ernsthaft in Frage gestellt werden, derart evident sind die Vorteile für alle Beteiligten.
Natürlich ist der Freihandel noch längst nicht vollkommen erreicht, man denke nur etwa an die Landwirtschaft. Hier sind die Positionen wegen der in allen Staaten übermächtigen Bauernlobby völlig festgefahren. So produziert die EU rund 50% mehr Nahrungsmittel als sie selbst verbraucht. Die Überschüsse gelangen dank Subventionen auf den Weltmarkt, zum Schaden von armen Ländern, die weit mehr wesentlich billiger produzieren und exportieren könnten.
Kaum beachtet wird nach meiner Ansicht die konfliktmindernde oder gar friedensfördernde Wirkung des Handels. Auch heute noch werden immer wieder mehr oder weniger umfassende Boykotte oder andere diplomatische Strafen gegenüber Staaten vereinbart, die sich „nicht regelkonform“ verhalten, obwohl die Wirkung eigentlich immer kontraproduktiv ist. Die Beispiele dafür sind zahlreich: Kuba z.B. wäre ohne den Handelsboykott der USA nach der Castro-Revolution längst ein kapitalistisches Land, und der damals glücklicherweise wenig behinderte Handel mit dem Sowjetblock hat zweifelsfrei wesentlich zu dessen Zusammenbruch beigetragen.