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Unter den zehn wertvollsten Unternehmen der Welt ist kein einziges aus Europa. In der Top-Liga darf allenfalls noch der dänische Pharmakonzern Novo Nordisk mitspielen. Das ist bezeichnend: Der alternde Kontinent setzt auch unternehmerisch auf das Geschäft mit den Alten und Kranken. Medikamente gegen Fettsucht und Vergesslichkeit sind der Renner. Auf dem Zukunftsmarkt des Digitalen kann gerade noch der SAP-Konzern aus dem deutschen Nordbaden mithalten. Doch die Trends setzen auch hier die Amerikaner. Apple, Amazon, Google, Microsoft, Meta, Nvidia und Musks Tesla-Gruppe treiben nicht nur die Börsen zu immer neuen Höchstständen, sondern schaffen mit ihrer digitalen Dominanz auch Abhängigkeiten.
Ohne die Navigationssysteme von Apple und Google würden die Europäer kaum den Weg zum nächsten Freizeitpark finden, an dem sie sich am liebsten aufhalten. Würden die Russen und Chinesen bei ihrer hybriden Kriegsführung die Datenkabel zu den USA kappen, gingen in Europa schnell die Lichter aus.
Europa hingegen glaubt durch Autosuggestion die eigene Schwäche überwinden zu können. 154 mal hat Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bei ihrer Rede auf dem Davoser Weltwirtschaftsforum das Pronomen „Wir“ benutzt. Gerade so, als sei die EU wirklich eine europäische Union, die es mit den Großmächten USA und China locker aufnehmen kann. Das Gegenteil ist der Fall. International betrachtet wirkt die EU wie der vorlaute David, der den Goliaths dieser Welt droht und diese moralisch zurecht weist – aber nicht einmal eine Schleuder besitzt.
Ohne die Navigationssysteme von Apple und Google würden die Europäer kaum den Weg zum nächsten Freizeitpark finden, an dem sie sich am liebsten aufhalten. Würden die Russen und Chinesen bei ihrer hybriden Kriegsführung die Datenkabel zu den USA kappen, gingen in Europa schnell die Lichter aus. Kaum im Amt, bekommt der neue US-Präsident von den Tech-Konzernen die Zusage, gemeinsam 500 Milliarden Dollar in KI-Rechenzentren (Stargate) zu investieren. Die ersten sollen in Texas stehen, das die stromhungrigen Datenverarbeiter mit günstigem Strom versorgen kann. KI, also Künstliche Intelligenz, ist die Zukunftstechnologie schlechthin.
Unbelehrbarkeit und Ratlosigkeit
Derweil diskutiert Europa, wie man die KI am besten kontrollieren und einhegen kann. Mit dem Digital Service Act (DSA) und anderen Zensurvorschriften glaubt man in Brüssel tatsächlich, Meta (Facebook, Instagram, WhatsApp), Musk (X, ehemals Twitter) oder Microsoft (Office etc.) den europäischen Vorgaben unterwerfen zu können. Digitalsteuern, die als Gegenzoll zum Protektionismus des Donald Trump erwogen werden, dürften dann wohl auf die Nutzer umgelegt werden. Oder die mächtigen Digitalkraken ziehen sich aus jenen Ländern zurück, die neue Abgaben erheben. So hat Alphabet 2014 bei Google-News schon einmal Spanien in die Knie gezwungen.
Was Regierungschef Sánchez nicht davon abhält, Europa zum Widerstand gegen die „Tech-Kaste“ aufzurufen. Mit Walter Kempowski möchte man dem Sozialisten erwidern: Was kümmert´s die amerikanische Eiche, wenn sich ein europäisches Warzenschwein an ihr reibt. Das gilt auch für Universitäten und Ministerien, die sich mit billigem Widerstandsgestus von der Plattform X zurückziehen. Derweil ausgerechnet der deutsche Noch-Wirtschaftsminister Robert Habeck als Kanzlerkandidat zu eben diesem verhassten Elon Musk zurückgekehrt ist, weil er dessen Verkündungskanal für seine grüne Propaganda braucht.
Mit Ursula von der Leyen leistet sich die EU eine Kommissionspräsidentin mit nur geringem ökonomischem Verständnis. Sie weiß keine Antwort auf die hartnäckige Wachstumsschwäche und nachlassende Wettbewerbsfähigkeit der Union. Stattdessen bezahlt die EU gemäß neuesten Berichten Lobbyorganisationen, damit diese bei EU-Politikern Druck zur Verbreitung der Elektromobilität macht. Die immer wieder angekündigte Kapitalmarktunion würde geradewegs in eine verantwortungslose Verschuldungsunion führen. Vor allem Frankreich und Italien würden lieber heute als morgen ihre Defizite in Eurobonds abtragen – und den Euro endgültig zur Weichwährung schrumpfen. Der vollmundig versprochene Bürokratieabbau entpuppt sich als das Gegenteil: Taxonomie, Lieferkettengesetz oder Green Deal sind die Stichworte für wahre Bürokratiemonster, die in eine grüne Planwirtschaft führen. Während Donald Trump die US-Wirtschaft im Eiltempo von Fesseln befreit, schnürt Europa diese fester. Aus Brüsseler Sicht ist die Welt eine einzige Risikogesellschaft, vor der die 500 Millionen Bürger durch immer neue Dekrete und Verbote geschützt werden müssen.
Rechts blinken, grün abbiegen: Doppelgesichtigkeit des bürgerlichen Lagers
Im Zweifel mit Unterstützung der Europäischen Volksparteien (EVP), der von der Leyen als CDU-Mitglied formal angehört. Aus der neuen Macht, die das bürgerlich-konservative Lager im Europa-Parlament hat, erwächst eben keine Gegenstrategie zur grünen Marschrichtung. „Mit notwendigen Richtungsentscheidungen wollen wir die illegale Migration stoppen und die Wirtschaft ankurbeln“, verkündete EVP-Chef Manfred Weber zwar jetzt beim Partei-Treffen in Berlin. Doch weder können sie das unsinnige Verbot von Verbrennungsmotoren und die viel zu strengen CO₂-Vorgaben für die europäischen Autobauer aufheben, noch haben sie die Macht, der Europäischen Agentur für Grenz- und Küstenwache (Frontex) ein rigoroseres Mandat zu erteilen, um die EU-Außengrenzen tatsächlich zu schützen. Dieses zahnloses Agieren verstärkt den Eindruck, dass das bürgerliche Lager zwar gerne rechts blinkt, aber letztlich doch grün abbiegt, wenn es gilt, Farbe zu bekennen.
Diese Doppelgesichtigkeit dürfte mit ein Grund sein für den Vertrauensverlust, den das EVP-Lager zu spüren bekommt. In Österreich liefen die Wähler scharenweise zur rechts-nationalen FPÖ über, die offen mit einem Austritt aus der EU (Öxit) liebäugelt. In Deutschland verharrt die Union bei rund dreißig Prozent und kann sich nur noch mit einer „Brandmauer“ gegen die AfD erwehren, die den größten Nettozahler der EU (rund 26 Milliarden Euro pro Jahr) ebenfalls aus Brüssel abziehen will. Jeden fünften Wähler schreckt das offenbar nicht. Obwohl gerade den Deutschen unablässig eingetrichtert wird, dass einzig die EU den (schwindenden) deutschen Wohlstand sichert.
Andere machen es besser
Dabei genügt ein Blick in die Schweiz, um dieses Narrativ zu widerlegen: Obwohl weder Mitglied in der EU noch in der Nato, verfügen die Eidgenossen über eine höchst erfolgreiche Wirtschaft und eine stabile eigenständige Währung. Das System der regelmäßigen Volksbefragungen kann sich als Beleg einer hochentwickelten Demokratie rühmen. Doch anstatt die Alpenrepublik zum Vorbild zu nehmen, will Brüssel diese lieber europäischen Vorgaben unterwerfen. Auf die Verelendung Großbritanniens, die nach dem Brexit vorhergesagt wurde, wartet man bis heute. Ebenso auf die Bereitschaft der Norweger, ihre vielen Öl- und Gas-Milliarden als Vollmitglied in die EU einzubringen. Attraktiv ist die Bürokratie-Union hingegen für bettelarme Länder wie Moldawien. Die Sanktionspolitik gegenüber Russland haben sich bislang ebenso wirkungslos erwiesen wie sich die Drohgebärden gegenüber China ins Leere liefen.
Doch daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen, fehlt selbst dem bürgerlichen Lager die Kraft. Gerade in Deutschland wird jeder als Anti-Europäer gescholten, der auch nur andenkt, die EU auf einen loseren Staatenbund zu beschränken. Auch hier verfährt man nach der Methode: Wenn die Medizin nicht wirkt, erhöht man eben die Dosis. Wenn die EU nicht funktioniert, muss man Brüssel eben noch mehr Befugnisse an die Hand geben. Denn diese EU will nicht weniger sein als ein öko-soziales Vorzeigeverbund, der die Welt zum Guten wendet – und den Bösen wie Trump Paroli bietet.
Das ist moralinsaure Kraftmeierei. Und Wasser auf die Mühlen einer „patriotischen Front“, die sich von Budapest über Prag, Wien, Rom, Paris und Den Haag bildet. Parteien rechts der EVP wollen die EU zum Bündnis nationaler Staaten zurückschrumpfen und die kleinteilige Bevormundung beenden. Gerne würde man zwar sehen, wie ein Club nationaler Egoisten Europa zu alter Stärke führt – etwa, wenn es um die Verteilung der vielen Förder-Milliarden geht. Doch weil von der Leyen und Weber auch hier ein Brandmauer-Regime führen, braucht Rechtsaußen den Praxistest nicht zu fürchten.
Umso dringlicher ist das bürgerlich-konservative Lager gefordert, der Präsidentin und ihren 26 Kommissaren eine Schubumkehr zu verordnen: Weg von der kleinteiligen Bevormundungsideologie, hin zu einer Chancenstrategie. Dazu zählt die Rückbesinnung auf das Prinzip der Subsidiarität: Nationale Eigenverantwortung so weit wie möglich, Harmonisierung nur wo unbedingt nötig. Anstatt Donald Trump zu beschimpfen, sollte man sich den US-Präsidenten durchaus als Vorbild nehmen: Make Europe great again! Oder um es mit dem Demokraten Bill Clinton geschmeidiger auszudrücken: Nur wirtschaftliche Stärke sichert Wohlstand und Einfluss.
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