Wird Trump Amerika wirklich wieder groß machen?

Am 5. November 2024 haben die USA einen neuen Präsidenten, das gesamte Repräsentantenhaus und ein Drittel des Senats neugewählt. Bei der Präsidentenwahl hat Donald Trump sowohl die meisten Stimmen beim Popular Vote erhalten als auch die entscheidende Mehrheit an Wahlleuten im Electoral College. Ab dem 20. Januar 2025 wird Trump zurück an der Macht sein. Im Senat hat und auch im Repräsentantenhaus (Stand: 6.11.2024 um 16.30 Uhr) dürfte die Republikanische Partei die Mehrheit errungen haben.

Donald Trump und die heutige Republikanische Partei ignorieren die Reformbedürftigkeit des fiskalischen und des geldpolitischen Systems der USA, obwohl gerade in diesen reformbedürftigen Systemen die Hauptursachen für verschleppte Strukturanpassungen einerseits und die steigende Ungleichheit in den USA anderseits zu finden sind.

Da Donald Trump in den letzten drei Jahren die Republikanische Partei mehr unter Kontrolle hatte als während seiner ersten Amtszeit von 2017 bis 2021 und es sehr unwahrscheinlich ist, dass er diese Kontrolle jetzt verlieren könnte, dürfte Trump bis auf weiteres kein machtpolitisch relevanter Widerstand aus seiner eigenen Partei erwachsen. Er wird, weil jetzt viele Ämter und Posten zu vergeben sind, die Kontrolle über die Republikanische Partei sogar noch weiter ausbauen. Voraussichtlich können ihm lediglich die Gerichte Grenzen setzen – und darunter auch einige jener obersten Richter, die Trump zwar in seiner ersten Amtszeit selbst ernannt hat, die sich aber primär Recht und Gesetz verpflichtet fühlen.

Euphorie an den Finanzmärkten, doch Fragen über Fragen

Die Finanzmärkte und allen voran die Wall Street, die schon vor Monaten ihren Frieden mit Donald Trump geschlossen hatte, haben auf die Wahlergebnisse entsprechend reagiert. Eine Verlängerung der Ende 2025 auslaufenden Einkommensteuer-Minderung ist wahrscheinlich. Darüber hinaus dürfte eine Senkung der Körperschaftssteuer von 21 Prozent auf 15 bis 16 Prozentpunkte im Kongress durchsetzbar sein, ebenso wie weitgehende Deregulierungen in der Umwelt- und Klimapolitik.

Trump will wie bei der Steuerreform von 2017 die geplanten Steuersenkungen nicht gegenfinanzieren. Wenn das wirklich der Fall sein sollte, dürfte die US-Staatsverschuldung, die sich bereits auf Rekordniveau befindet, weiter ansteigen. Inwieweit Vorschläge zur Senkung der Staatsausgaben, die unter anderem Elon Musk und andere Trump unterstützende Milliardäre erst noch ausarbeiten sollen, zeitnah umgesetzt werden können und ob diese Ausgabensenkungen dann zur Gegenfinanzierung ausreichen, ist vollkommen offen.

Ob die illegale Migration auf Dauer wirksam durch massenhafte Ausweisungen begrenzt werden kann, bleibt abzuwarten. Trump hatte bereits in seinem Wahlkampf 2016 angekündigt, 11 Millionen illegale Einwanderer auszuweisen, was nicht ansatzweise erreicht wurde. Trumps Zollpolitik soll heimische Unternehmen schützen und ausländische Unternehmer dazu bewegen, Produktionsstätten in den USA zu errichten und vielleicht sogar ihren Firmensitz in die USA zu verlegen.

MAGA-Triumph oder Mega-Strohfeuer?

Doch wird Donald Trump mit all diesen und anderen Vorhaben Amerika wirklich wieder groß machen? Oder entfacht Trump ein gewaltiges Strohfeuer, das durchaus eine Zeitlang wärmen kann? Das Bedienen von Sonderinteressen seiner prominenten Günstlinge, die nicht mit der Gesamtheit der US-amerikanischen Wirtschaft verwechselt werden sollten, hat mit Wohlstand für alle im Sinne von Ludwig Erhard nichts zu tun.

Bereits Trumps Protektionismus und seine Zollpolitik aus seiner ersten Amtszeit wirkten in den USA nicht wohlstandssteigernd. Wie der Ideengeber dieser Zollpolitik in einer empirischen Evaluationsstudie selbstkritisch festgestellt hat, führten Trumps Handelspolitik in den betroffenen US-amerikanischen Regionen nicht zu ökonomischen Verbesserungen.[1]

Die Fed wird eine solche Entwicklung bei ihren Zinsentscheidungen auf Dauer nicht ignorieren können. Eine sich verstetigende oder sogar höhere Inflation bedeutet tendenziell höhere Zinsen. Und da die Staatsverschuldung in den USA auf Rekordniveau angestiegen ist und nach Prognosen des IWF vermutlich weiter steigen wird, bedeuten höhere Zinsen eine höhere Zinslast im Staatshaushalt, was die Ausgabemöglichkeiten des Staates beschränkt.

Und ganz allgemein wird durch eine abermals sich erhöhende Staatsverschuldung nicht nur das fiskalische, sondern auch das geldpolitische System der USA weiter unter Druck gesetzt. Wenn Trump seinen Äußerungen aus dem Wahlkampf, dass der Präsident bei der Geldpolitik das entscheidende Wort haben sollte, Taten folgen lässt und die Unabhängigkeit Fed beschädigen sollte, dürfte der Druck auf das monetäre System zusätzlich anwachsen.

Die Lebenslüge der US-amerikanischen Wirtschaftspolitik

Eine echte und nachhaltige wirtschaftspolitische Wende, die diesen Namen verdient, müsste die beiden Hauptprobleme der US-amerikanischen Volkswirtschaft, die auch die Hauptprobleme der europäischen Volkswirtschaften darstellen, lösen:

“The United States is not far behind Europe on its fiscal trajectory to default… We have two bad systems: the fiscal and the monetary. They are intertwined now as they were in the 18th and 19th centuries. They must be reformed, or together they will destroy the economic system that sustains them.”[2]

Donald Trump und die heutige Republikanische Partei ignorieren – anders als vor über 10 Jahre einige Tea-Party-Aktivisten wie Ron und Rand Paul – die Reformbedürftigkeit des fiskalischen und des geldpolitischen Systems der USA, obwohl gerade in diesen reformbedürftigen Systemen die Hauptursachen für verschleppte Strukturanpassungen einerseits und die steigende Ungleichheit in den USA anderseits zu finden sind.

Vom heutigen fiskalischen und geldpolitischen System geht nicht nur in den USA ein Zwang zu einer Geld- und Fiskalpolitik aus, der zu Vermögenspreisinflation und damit zu verstärkter Ungleich führt. Der Leipziger Ökonom Gunter Schnabl und neue Direktor des Flossbach von Storch Research Institute stellte dazu bereits 2014 fest: „Aus der Sicht von Vermögensbeständen (die mit den Einkommen korreliert sind) profitieren Bevölkerungsschichten, die große Vermögenswerte halten gegenüber Bevölkerungsschichten mit geringen Vermögen… Für die USA zeigt sich eine enge Korrelation.“

Der steile Anstieg der Aktienpreise sei seit Beginn der 1990er Jahre mit einem deutlichen Anstieg des Anteils der Top-1 %-Einkommensbezieher an den gesamten Einkommen verbunden. In Krisen sei zwar zunächst ein Rückgang dieses Anteils zu beobachten, da die Vermögenspreise zunächst stark fallen. Die geldpolitischen Rettungsaktionen würden jedoch dazu beitragen, dass die Aktienpreise und der Anteil der privilegiertesten Einkommensschichten am Gesamteinkommen weitgehend auf dem erhöhten Niveau gehalten werden können, das in den Boomphasen erreicht wurde. Wenn durch die geldpolitischen Rettungsaktionen neue Blasen begünstigt würden, können die Einkommensanteile der Privilegierten weiter gehoben werden.[3]

Ökonomische und ordnungspolitische Folgen des Trumpismus

Ob der Immobilienunternehmer Trump, der von diesen Blasenbildungen und den jeweils folgenden Rettungsaktionen, welche die Vermögenspreise steigen lassen, jahrelang immer wieder enorm profitiert hat, gegen seine eigene Interessenlage Geldsystemreformen einleiten wird, ist unwahrscheinlich. Im Wahlkampf 2016 hatte Trump die Einführung der Taylor Rule für die Geldpolitik versprochen, wollte davon in seiner ersten Amtszeit aber nichts mehr wissen und hatte sogar ständig die Fed für ihre zu restriktive Geldpolitik öffentlich kritisiert.

Nach Abflauen der derzeitigen Markteuphorie werden sich darüber hinaus noch weitere Bewertungsfragen stellen. Die ökonomischen und ordnungspolitischen Folgen von Trumps Ankündigung, den Deep State zu vernichten, ist derzeit noch nicht im Fokus der Kapitalmärkte. Trump will mindestens 100 000 Personen in Exekutive und Justiz austauschen und jeden, der sich ihm bisher in den Weg gestellt hat. Der Deep State müsse vernichtet werden, weil der ihm den Wahlsieg 2020 gestohlen und bereits vorher den Erfolg seiner ersten Amtszeit hintertrieben habe. Niemand weiß, wie weit Donald Trump hier gehen wird. Es besteht aber auf jeden Fall die Gefahr, dass die Checks-and-Balances verletzt werden könnten und insbesondere die Unabhängigkeit der Justiz.

Derartige politische Struktur- und Gewaltenteilungsfragen zeitigen mittel- bis langfristig jedoch immer ökonomische Folgen. Trumps Protektionismus und seine Vorliebe, komplexe Systeme durch Befehle und Anordnungen steuern zu wollen, lassen bereits vermuten, dass sich unter Trump eine ausgeprägte Günstlingswirtschaft etablieren dürfte. Die Ansätze waren bereits in seiner ersten Amtszeit zu erkennen. Wie so etwas vor sich geht, konnte in den letzten Jahren in Ungarn beobachtet werden. Sollte Trumps Ankündigung, den Deep State zu vernichten, zu einer Beschädigung der Checks-and-Balances und zu einer Aushebelung der Unabhängigkeit der Gerichte führen, dann sind dem Ausbau einer ausgeprägten Günstlingswirtschaft Tür und Tor geöffnet.

Wie jedoch mit einer ausgeprägten Günstlingswirtschaft Wohlstand für alle geschaffen und Amerika wieder groß gemacht werden soll, bleibt das Geheimnis von Donald Trump und seiner ihm demütig ergebenen Grand Old Party. Ronald Reagan wird sich im Grabe umdrehen…

 

Anmerkungen

[1] Siehe David Autor, Anne Beck, David Dorn and Gordan H. Hanson: Help for the Heartland? The Employment and Electoral Effects of the Trump Tariffs in the United Staates, Working Paper 32082, National Bureau of Economic Research, January 2024.

[2] Gerald P. O’Driscoll: Central Banks: Reform or Abolish? Cato Working Paper, October 15, 2012, S. 29 – 30.

[3] Gunter Schnabl: Mit dem Kopf im Sand? Goodharts Gesetz und die Wirkungslosigkeit von Inflationszielen als geldpolitische Regelmechanismen, Working Papers von Global Financial Markets, No. 55, Oktober 2014, S. 19. Allgemein zur Notwendigkeit einer neuen Geldordnung siehe Thomas Mayer: Die neue Ordnung des Geldes. Warum wir eine Geldreform brauchen, München (FinanzBuch) 2014.

 



Erstmals, leicht gekürzt, erschienen am 7. November 2024 beim Flossbach von Storch Research Institute unter dem Titel:
Der 6. November“: Trump ist zurück – wird er Amerika wirklich wieder groß machen?. Mit freundlicher Genehmigung.

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