Wenn wir Grenzen abschaffen, kriegen wir Probleme ohne Grenzen

An der Corona-Epidemie zerbricht der naive Traum, die Schranken und Mauern der Welt beseitigen zu können. Wir erleben den Anfang vom Ende des Globalismus.

Es bringt nichts, um das Problem herumzureden. So schwerwiegende und weitgehende Einschränkungen ihrer Freiheit wie in diesen Tagen haben die Österreicher seit dem Abzug der Besatzungsmächte nicht mehr erlebt. Um die Verbreitung des Coronavirus einzudämmen, setzt die Bundesregierung eine ganze Reihe von Bürgerrechten außer Kraft. Davon betroffen sind, um nur an die besonders gravierenden Maßnahmen zu erinnern, die Bewegungs- und Versammlungsfreiheit sowie das Recht, einem Beruf nachzugehen oder ein Unternehmen zu betreiben. Das seit Montag geltende Maßnahmenpaket ist der Albtraum eines jeden Liberalen.

„Das Wohl des Volkes ist oberstes Gesetz“

Und dennoch hat es die Regierung völlig zu Recht verhängt, und sie tut gut daran, es auch unter strenger Strafandrohung durchzusetzen, wenn es nicht anders gehen sollte. „Salus populi suprema lex“, heißt es bei Cicero, „das Wohl (auch: die Gesundheit, die Rettung, das Heil) des Volkes ist das oberste Gesetz“. „Rien n’est plus légitime que le nécessaire“ („Nichts ist mehr legitim als das Notwendige“), schrieb Jean Bodin, der große Staatstheoretiker des 16. Jahrhunderts. Kriege, Invasionen, Seuchen und große Naturkatastrophen verweisen den Staat auf seine Kernaufgabe, für den Schutz der Bürger zu sorgen.

Wie überall in Europa wurde auch in Österreich zunächst wertvolle Zeit verloren. Aber seit ihr klar geworden ist, dass Italien keinen Ausnahmefall darstellt, sondern lediglich Entwicklungen antizipiert, auf die sich alle einstellen müssen, verhält sich die österreichische Regierung tadellos. Sie setzt nicht nur die nötigen Maßnahmen, sondern sie erklärt sie auch richtig. In Deutschland, wo der Regierung Merkel eine tödliche Kommunikationspanne nach der anderen unterläuft, beneidet man uns um Kurz und Kogler, Anschober und Nehammer. Die Opposition erkennt die Notwendigkeit der Maßnahmen an, sogar die notorischen Kurz-Feinde unter den linken Meinungsmachern halten sich zurück. Nur noch selten bekommt man Sondermüll zu Gesicht, wie ihn etwa Richard Schuberth Ende Februar im „Standard“ (26. 2.) deponierte. Die wahre Gefahr, dozierte er, sei nicht das Coronavirus, sondern der Rassismus, die „paneuropäisch-pandemische Hirngrippe“, die „von rechts kommend bereits weite Teile der gesellschaftlichen Mitte“ erfasst habe. Und daran sei, wen wundert’s, natürlich der Kapitalismus schuld.

Was Grenzen zum Schutz vor Seuchen beitragen können, hat ein weiser Herrscher übrigens schon vor 600 Jahren bewiesen.

Allenthalben werden jetzt Grenzen etabliert und rehabilitiert: Die neuen Grenzen im Inneren, die das individuelle Verhalten und den Umgang der Bürger miteinander regeln, und die alten, schon für „überflüssig“ erklärten zwischenstaatlichen Grenzen. Sogar Angela Merkel, die wider besseren Rat noch bis zu diesem Wochenende starr daran festgehalten hatte, dass eine Grenzschließung ebenso unnötig wie unmöglich sei, musste sich der Macht des Faktischen beugen. Was Grenzen zum Schutz vor Seuchen beitragen können, hat ein weiser Herrscher übrigens schon vor 600 Jahren bewiesen. Als die Pest fast ganz Europa heimsuchte, blieb Polen verschont, weil Kasimir der Große (1333 – 1370) an den Grenzen die Quarantäne verhängt hatte. Noch nicht verseuchte Länder können sich abschotten, die Träger des Virus lassen sich an der Grenze aufhalten.

Wir wissen nicht, ob sich die epidemische Kurve in wenigen Wochen soweit abflachen wird, dass die Notmaßnahmen aufgehoben werden können, die auf Dauer mehr Schaden anrichten würden als das Virus. Österreich lebt von der internationalen Arbeitsteilung, der freie Verkehr von Waren und Dienstleistungen ist unerlässlich. Unser Wohlstand hängt an der Globalisierung. Auf einen Globalismus, der die Aufhebung der Grenzen und die Übertragung der Souveränität an supranationale Instanzen durchsetzen will, kann die Welt hingegen sehr gut verzichten. Während sich die Nationalstaaten in der Krise bewähren, tragen weder UNO noch EU zur Eindämmung der Epidemie bei.

Dieser Artikel ist zunächst am 13. März 2020 unter dem gleichen Titel bei der österreichischen Tageszeitung Die Presse erschienen. Wiederabdruck mit freundlicher Genehmigung.

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