Die deutschen Grünen haben bei Mark Twain gelernt. Der amerikanische Schriftsteller soll nur jenen Statistiken vertraut haben, die er selbst gefälscht habe. Also gibt die Partei über die von ihnen beherrschten Ministerien eifrig Studien in Auftrag, die ihrer politischen Agenda die Aura der wissenschaftlichen Fundierung verleihen. Jetzt hat das Wirtschafts- und Klimaministerium zusammen mit dem ebenfalls grün geführten Umweltministerium die Kosten des Klimawandels errechnen lassen. Auftragsgemäß haben die drei privaten Institute für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW), die Gesellschaft für Wirtschaftliche Strukturforschung (GWS) sowie die Prognos AG die gigantische Summe von 910 Milliarden Euro in den medialen Raum geworfen.
Die Brüsseler Kommission will die Unternehmen nach ESG-Regeln mit Subventionen und Kapitalentzug zur Nachhaltigkeit umerziehen. Die Firmen-Manager beten brav die Ziele „Environmental, Social, Governance“ nach, an deren Umsetzung Heerscharen von Beratern, Beauftragten, Ratingagenturen und Regelsetzer bestens verdienen.
Nein, diese 910 Milliarden Euro sind nicht der Wohlstandsverlust, den eine chaotische Energiewende bis 2050 verursacht, weil Industrien abwandern, Häuser teuer umgerüstet oder Autos verschrottet werden müssen, ohne tatsächliche Kohlendioxid (CO₂) einzusparen. Der Betrag ergibt sich, wenn man alles zusammenrechnet, was irgendwie dem Klimawandel zuzuschreiben ist: Hitzeschäden, Dürre-Folgen oder Flutkatastrophen. Denn ob es stark regnet oder gar nicht, die Sonne zu lange scheint oder es zu kalt ist – stets ist der „menschengemachte Klimawandel“ Schuld, den besonders Deutschland durch eine drastische Reduktion von CO₂ bekämpfen will, obwohl es zum weltweiten Ausstoß nur zwei Prozent beiträgt. Selbst Lieferkettenprobleme werden den klimaschädlichen Treibhausgasen zugeschrieben.
Willkürlich errechnete Schadensumme
So willkürlich die Schadensumme mit überholten Annahmen errechnet sein mag, so erfüllt sie doch ihren Zweck: Sie wurde von nahezu allen Medien kritiklos als Faktum transportiert, womit sich die hohen Kosten der deutschen Energiewende im Bewusstsein der Zahlenden relativieren lassen. Allein die Stilllegung hocheffizienter Atom- und Kohlekraftwerke geht in die Milliarden. Die Vervielfachung der Energiepreise ist nicht allein dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine geschuldet, sondern auch der Tatsache, dass aus ideologischen Gründen verlässliche Stromlieferanten vom Netz genommen werden, ohne ausreichend Ersatz zu haben. Dafür ist der Strom aus Sonne und Wind nicht nur zu wetterabhängig, es fehlen auch die Speicher- und Transportmöglichkeiten.
Gleichwohl wollen die Ampel-Regierung in Berlin und die EU-Kommission in Brüssel die Dekarbonisierung der Gesellschaft mit der Brechstange durchsetzen. Alles, was CO₂ produziert, soll stillgelegt und verboten werden. Verbrennungsmotoren, Öl- und Gasheizungen, die vor Jahren noch vom Staat gefördert wurden, vor allem aber energieintensive Industrien wie die Stahlbranche. Sie sollen auf „grünen“ Wasserstoff umgestellt werden, den man noch lange nicht in ausreichender Menge zur Verfügung hat. So wenig wie die Millionen an Wärmepumpen oder Kapazitäten für den drastischen Zubau von Windrädern und Solar-Plantagen, die den noch größeren Strombedarf stillen sollen. Selbst Robert Habeck, der sich nur noch als Klimaminister versteht, rechnet bis 2045 mit einer Verdoppelung des Strombedarfs von heute 550 auf 1.000 Terawattstunden.
Die Deindustrialisierung ist bereits im Gang
Doch alle Warnungen vor Blackout und sozialen Spannungen werden von Grünen und Sozialdemokraten in den Wind geschlagen. Habeck will keine Deindustrialisierung erkennen und rechtfertigt weitere Eingriffe des Staates in Privateigentum und Wirtschaft. Das „Nationale Reformprogramm 2023“, das sein Haus erarbeitet, strotzt geradezu an Verboten und Vorgaben, die allesamt auf eine öko-soziale Planwirtschaft hinauslaufen. Unterstützung kommt von der EU.
Wer nicht spurt, wird finanziell ausgetrocknet. Nicht der Markt entscheidet, wie politisch gesetzte Vorgaben etwa beim CO₂-Ausstoß am effektivsten umgesetzt werden, sondern eine neue Brachial-Bürokratie.
Die Brüsseler Kommission will die Unternehmen nach ESG-Regeln mit Subventionen und Kapitalentzug zur Nachhaltigkeit umerziehen. Die Firmen-Manager beten brav die Ziele „Environmental, Social, Governance“ nach, an deren Umsetzung Heerscharen von Beratern, Beauftragten, Ratingagenturen und Regelsetzer bestens verdienen, wie die „WirtschaftsWoche“ (10/23) erschrocken feststellt. „Weil alle zu den Guten zählen wollen. Nur dass die Welt davon nicht besser wird und kein Gramm weniger CO₂ produziert.“
EU-Taxonomie: Wer nicht spurt, wird finanziell ausgetrocknet
Der Hebel, um Öko- und Sozialziele in die Unternehmen zu drücken, firmiert unter dem Titel „Taxonomie“: Wer nicht spurt, wird finanziell ausgetrocknet. Nicht der Markt entscheidet, wie politisch gesetzte Vorgaben etwa beim CO₂-Ausstoß am effektivsten umgesetzt werden, sondern eine neue Brachial-Bürokratie. „Mittelständlern werden bereits Kredite verweigert, bloß weil sie auch die Stahlindustrie beliefern. Ihre Banken haben Angst, grüne Punkte zu verlieren. Verfemte Anbieter werden pleitegehen, obwohl ihre Produkte nachgefragt werden. Sie werden dann in Asien produzieren, garantiert nicht nachhaltig“, rechnet die „WirtschaftsWoche“ vor, die als eine der wenigen Medien in Deutschland noch mit Fakten statt Haltung argumentiert.
Eine Kosten-Nutzen-Rechnung findet in der Politik nicht statt. Wohl aber in den Unternehmen. BASF investiert Milliarden in China. Andere ökonomische Dickschiffe wie Bayer, Siemens Energy, Aurubis, Volkswagen oder Scheffler bauen ihre Standorte in den USA aus oder neu. Selbst der Stolz der Deutschen, der Mainzer Impfstoffhersteller BioNTech verlegt Teile der Forschung nach Großbritannien. Mit der Linde AG zieht es gar den wertvollsten Dax-Konzern auf die Insel, die doch angeblich dem Niedergang geweiht ist. Von den kleineren, alltäglichen Fluchten und Stilllegungen erfährt man hingegen allenfalls in der Lokalpresse. Als einer der wenigen benennt der Schweizer Industriekonzern Schweiter offen den Grund, warum er Arbeitsplätze von Deutschland nach Spanien verlegt: Weil die deutsche Energiepolitik nicht mehr verlässlich Gas liefern kann und zu Produktionsausfällen führt.
Drohender Wohlstandsverlust und kalte Enteignung der Bürger
Nach dem Exodus der deutschen Textilindustrie, bei dem fast eine halbe Million Jobs verloren gingen, der Verlagerung der großen Werften nach Asien und den Konkursen von Bremer Vulkan und anderen, oder dem Zechensterben an Saar und Ruhr, droht nun der Stahlindustrie der endgültige Todesstoß. Das Beispiel von ThyssenKrupp verdeutlicht die Schwierigkeiten: Um dessen gesamte Stahlproduktion umzustellen, wären pro Jahr 700.000 Tonnen Wasserstoff notwendig, was wiederum 6,3 Millionen Tonnen Wasser erfordert – und das bei zunehmender Trockenheit. 3.600 zusätzliche Windräder neuester Bauart wären erforderlich, um den dafür notwendigen grünen Strom zu liefern. Das ist mehr als das Doppelte, was derzeit an der deutschen Küste in Betrieb (1.500) ist. Das eigene Gas, das unter deutschem Boden reichlich vorhanden ist, darf jedoch nicht gefördert werden. Lieber wird teures Fracking-Gas aus den USA importiert, das pro LNG-Schiff angeblich 200 Millionen Dollar Gewinn abwirft, oder aus Katar importiert, das mit dem vielen Geld gerne den radikalen Islamismus fördert.
Der Wohlstandsverlust betrifft jedoch nicht nur Industrien, sondern die Bürger auch ganz direkt.
Der Wohlstandsverlust betrifft jedoch nicht nur Industrien, sondern die Bürger auch ganz direkt. Erstens kann auch das noch reiche Deutschland nicht jedes Jahr 200 Milliarden Euro aufwenden, um die Preise für Strom und Gas zu deckeln. Zumal, zweitens, dreistellige Milliardenbeträge benötigt werden, um die Investitionsruinen, welche die Regierung Merkel bei Bahn, Straßen, Schulen und Bundeswehr hinterlassen hat, zu sanieren. Drittens schlagen sich die steigenden Kosten in höheren Abgaben und Preisen nieder, was wiederum die Gewerkschaften zu zweistelligen Lohnforderungen ermuntert und damit die Lohn-Preis-Spirale erst recht befeuert. Verschärfend kommen die Kosten der erzwungenen Energiewende hinzu.
Einige Beispiele: Vor drei Jahren kostete ein VW Golf VIII rund 20.000 Euro. Heute nimmt Volkswagen für den billigsten Standardwagen 31.000 Euro, die Elektro-Ausführung ID3 kostet 44.000 Euro. Eine Wärmepumpe, die ab dem kommenden Jahr für Neubauten Pflicht sein soll, kostet rund 30.000 Euro. Die dann nicht mehr erlaubte Gastherme war noch für unter 10.000 Euro zu haben. Wer sein Eigenheim gar mit einer noch klimafreundlicheren Brennstoffzelle beheizen will, muss bis zu 70.000 Euro investieren. Sieben Mal mehr als die klassische Ölheizung von einst, die nun zwangsweise auch dann verschrottet werden muss, wenn sie noch gut funktioniert.
Entsprechende Mietsteigerungen auf breiter Front sind absehbar. Wer zudem ein Gebäude aus den 1960er Jahren besitzt, macht sich besser mit dem Abriss vertraut. Denn andernfalls müssen schnell sechsstelligen Beträge aufgebracht werden, um die vorgeschriebene „energetischen Sanierung“ zu stemmen. Dies kalte Enteignung im Kampf gegen die Klimaerwärmung zu nennen, ist nicht nur ein Wortwitz.
Verschleierung der Kosten
Um die steigenden Kosten zu verschleiern, gewichtet das Statistische Bundesamt die Preise für Lebensmittel, Energie und Wohnraum dahingehend geringer, damit die Inflationsrate moderater ausfällt, wie das Portal „Pioneer“ herausgefunden hat. Das Amt ist der Sozialdemokratin Nancy Faeser zugeordnet, die als zuständige Innenministerin auch keinen Zusammenhang zwischen dem starken Zustrom an Flüchtlingen (2022 allein 1,3 Millionen) und wachsender Wohnungsnot erkennen mag.
Doch damit nicht genug: Ihre Kabinettskolleginnen, die für Bauen (Klara Geywitz, SPD) und Umwelt (Steffi Lemke, Grüne) zuständig sind, haben dieser Tage eine Studie des Bundesumweltamtes vorgelegt. Danach soll es bis 2050 nur noch dann Neubauten geben, wenn dafür an anderer Stelle „versiegelte Fläche wieder in Natur zurückverwandelt wird“. Also am besten gar keine. Zur Erinnerung: In Deutschland sind gerade mal 13 Prozent mit Gebäuden und Straßen „versiegelt“. 87 Prozent sind Äcker, Wiesen und Wälder. Wobei deren „Versiegelung“ mit Trassen für Windräder natürlich unbeanstandet bleibt.
Mutet das auch alles schon irrsinnig an, so hat es doch Methode: Jetzt soll die Welt am deutschen Öko- und Sozialwesen genesen. Grüne Ideologie sticht Pragmatismus.
Dass Deutschland nicht nur das Ziel von jährlich 400.000 neuen Wohnungen kaum zur Hälfte erreicht und für 2024 ein Mangel von über 700.000 Wohnungen vorhergesagt wird, ist für Grün-Rot allenfalls dann ein Thema, wenn sich damit noch mehr Mieterschutz und „mehr Solidarpflicht“ für die Eigentümer bis hin zur Enteignung rechtfertigen lässt. Dass auch überzogene Klimavorgaben die Baukosten pro Quadratmeter auf 5.000 Euro hochgetrieben haben, was wiederum 20 Euro Kaltmiete pro Quadratmeter erforderlich macht, wie der Wohnkonzern Vonovia vorrechnet, bewegt weder Grüne noch SPD zu einem Umdenken. Nicht nur Marktführer Vonovia hat den Bau neuer Wohnungen gestoppt.
Mutet das auch alles schon irrsinnig an, so hat es doch Methode: Jetzt soll die Welt am deutschen Öko- und Sozialwesen genesen. Grüne Ideologie sticht Pragmatismus. Studien werden belegen, dass eine woke und „wertegeleitete“ Politik damit erfolgreich ist. Selbst dann, wenn sie das eigene Land in den Ruin treibt. Oder wie es die Wirtschaftsverbände BDI, BDA, DIHK und ZDF gegenüber dem ewig zaudernden Kanzler Scholz (SPD) formulieren: „Der Verlust industrieller Wertschöpfung ist keine theoretische Gefahr mehr. Er findet bereits statt.“