Staat, Steuern, Staat, Steuern – mit diesem Refrain antworten europäische Behörden auf die IT-Riesen Amazon, Apple, Google. Die Steuern dieser Firmen neuer Art sollen durch staatliche und überstaatliche neue Regeln hochgetrieben werden. Tatsächlich liegen die heute bezahlten Steuern dieser Firmen insgesamt oft im einstelligen Prozentbereich ihrer Gewinne. Doch alles ist legal, sie nützen nur die von den gleichen lamentierenden Staaten früher eingerichteten Steuersysteme, sowie deren unterschiedlichen Tarife. Das ist unterdessen annähernd zu einem Verbrechen geworden.
Neben den Europäern lauern auch die amerikanischen Politiker auf die Gewinne der Internetfirmen, denn auch ihre früheren Entscheide hatten Webfehler, sie erfassen die außerhalb den USA belassenen Gewinne nicht. In Europa beginnen nun die vorgeschlagenen Abhilfen einmal mehr das gewohnte Recht zu strapazieren.
Denn einerseits will die EU-Kommission die tiefere Besteuerung durch Mitgliedstaaten wie Luxemburg und Irland als verbotene Beihilfen an Firmen einklagen. Das ist nicht evident. Andererseits wollen Kommission und 10 Mitgliedstaaten nun Sondersteuern nur für diese Internetfirmen ausdenken. Auch das ist klägliches Sonderrecht, oder eben Unrecht. Weil die Tätigkeiten und Erträge aus dem Internet schwer zu erfassen sind, sollen etwa die nationalen Umsätze besteuert werden, was keine andere Branche sich bisher gefallen lassen muss. Oder die national eingesammelten Daten der Nutzer solcher Firmen. Oder einfach alle digital getätigten Käufe. Oder man will eine Ausgleichsteuer erheben, um ohne weitere Begründung die Firmen über die anderswo erhobenen tieferen Steuern zu erfassen, also eine Doppelbesteuerung einführen.
Schließlich beteuern die 10 Mitgliedstaaten, allfällige Vorkehren und neue Sondersteuern wären nur mal provisorisch.
Die Konzepte sind also noch sehr unscharf, und sie spiegeln etwas hilflos die neuen, abstrakten Formen der Internetgeschäfte. Wo fällt eigentlich der Umsatz, dann auch der Gewinn an, wenn sich deutsche Firmen wie Adidas Werbung bei Google einkaufen, die in Australien ausgestrahlt wird, deren Konzept in Irland ausgearbeitet wurde, und auf früher erforschten Mechanismen und Datenstrippen aus Kalifornien beruht?
Die Politiker und die Kommission übergehen auch die Mehrwertsteuern, welche überall auf tatsächlich erfassbaren Leistungen bereits laufen.
Man muss der Nervosität der staatlichen Allmachtsphantasien einige kühle Überlegungen entgegen halten aus der Sicht des Bürgers und der Firmen, die ebenfalls vor allem mal Wirtschaftsbürger sind. Erstens – hohe Steuern sind kein hohes Gut. Eine solche Feststellung widerspricht heute bereits einer unterschwellig überall geltenden Steuerraserei. Tiefe Steuern sollen das Ziel aller sein. John Locke, der liberale Denker, meinte, der Staat sei zum Schutz des Eigentums der Bürger gegründet worden. Wenn sich dieser Staat nun am Eigentum vergreife, sei dies „too gross an absurdity“: nicht im Sinne der Staatsgründer.
Zweitens ist Steuerwettbewerb gut. Denn er behindert den freien Lauf der Politiker, die Schrauben laufend anzuziehen. Sie müssen nach links und rechts in andere Länder schauen, wie diese die Steuern erheben. Und siehe da – alle Bürger profitieren, wenn die Politiker gezügelt werden. Gerade bei den Ansprüchen an die IT-Firmen wollen die Politiker den Steuerwettbewerb gezielt übernational ausschalten. Die EU soll hier harmonisieren, aber heute hat sie dazu keine Kompetenz. Die OECD soll es tun, bei den nächsten Sitzungen dazu. Doch die OECD wurde seinerzeit als Studienbüro zu Wirtschaftsdaten gegründet. Heute mischt sie sich in alles ein, die Mitgliedstaaten versuchen, verbindliche Harmonisierungen einzuführen und die OECD-Funktionäre treten auf den G20-Konferenzen wie Staatschefs auf die Schlussphoto. Übrigens haben vor allem die USA die OECD-weite Pflicht der Staaten zum umfassenden Austausch der Bankdaten der Bürger durchgesetzt, aber am Schluss den Vertrag nicht unterzeichnet. Die schusseligen Europäer halsen sich vielleicht auch diesmal eine Behinderung moderner Geschäftsformen auf, welche die USA oder Asien nicht nachvollziehen werden.
Drittens darf an die an dieser Stelle bereits vorgetragene Idee erinnert werden, dass Firmen, Aktiengesellschaften grundsätzlich künstliche Gebilde sind, mit vielen möglichen Ausweichformen, und dass deshalb, aber auch grundsätzlich keinerlei Firmen besteuert werden sollten. Sondern wenn schon – ein bisschen – Besteuerung, dann nur, aber überall dort, wo der Bürger schließlich deren Substanz an sich zieht: Boni, Löhne, Zinsen, Dividenden besteuern, Punkt. Damit kommt auch so die ganze Substanz, die nicht mehr in den Firmen aktiv ist, vor den Steuervogt. Aber alle die Drehungen und Verrenkungen gegen die Firmenwelt entfallen.
Schließlich noch ein bisschen Spott und eine ernste Ermahnung. Die Europäer erwachten zehn Jahre nach Gründung von Google. Präsident Chirac, Kanzler Schröder wollten 2005 ein europäisches Google gründen, mit insgesamt, selbstverständlich staatlichen, 400 Millionen Euro Subventionen. Schon ein Jahr später stellte man das Projekt kleinlaut zurück, obwohl auch die EU dann noch Geld hineinsteckte. 2013 zogen sie alle dann den Stecker raus. Ins Bild passt, dass die Suchmaschine „Quaero“ heißen sollte – lateinisch für „ich suche“. Ohne Hochkultur geht es in Europa nicht, hingegen fehlte es an der Technik. Ebenso passend für das hilflose Vorgehen war, dass die Promotoren offenbar vergaßen, den Namen Quaero schützen zu lassen. Die Amerikaner sind allein schon bei den Firmennamen spielerischer – „Apple“ kam den jungen Gründern in ihrer nicht subventionierten Garage einfach mal so in den Sinn. „Google“ rührt aus einem Missverständnis eines der ersten Geldgeber her, der den englischen Ausdruck für zehn hoch hundert, Googol, für den Firmennamen hielt und darauf den Scheck ausstellte. Keine Hochkultur, aber Erfolg.
Deshalb täten alle Europäer besser, so die Ermahnung, nicht in Phantasien der Staatsallmacht, der Besteuerung, der staatlichen Subventionierung zu denken, sondern sich kreativ an die weitere technische, kommerzielle, spielerische Nutzung des Internets zu machen. Das könnte ja die Hochkultur der Gegenwart sein.