Welcher Luxus, welch unnötiges Zeugs, welcher Bruch in den Weihnachtsschaufenstern! Wer etwas nüchterner als in Kindheitstagen wurde, wünscht das weg. Kann jemand vielleicht diesen Wahnsinn stoppen? Sollte man Appelle dagegen starten? Das Ganze an den Pranger stellen? Oder gar verbieten?
Die Zentralplanung des Gosplan damals wusste genau, was nützlich war, endete aber in den 1980er Jahren mit landesweitem Mangel an Seife, Klo-Papier und Glühbirnen, also eher nützlichen Dingen.
Natürlich findet der Liberale dann doch wieder seinen Halt: Verbieten geht nicht! Das Zentralkomitee, das dafür in Frage käme, macht sich gerade diesen Moment in Peking mit solchen Eingriffen unmöglich. Seine Vorgänger in der Sowjetunion sind den Älteren auch noch gegenwärtig. Die Zentralplanung des Gosplan damals wusste genau, was nützlich war, endete aber in den 1980er Jahren mit landesweitem Mangel an Seife, Klo-Papier und Glühbirnen, also eher nützlichen Dingen. Ganz abgesehen von Getreide, das das Sowjet-Imperium, auf der weltgrößten Landmasse sitzend, importieren musste.
Luxus und Notwendiges: außer Katalog
Wenn also die Zentralkomitees es nicht schaffen, wie sonst kommt das Nützliche in die Welt? Vergessen wir’s, es gibt keinen Katalog, schön hierarchisch gegliedert all’ dessen, was nützlich ist. Ein solcher Katalog wäre nicht verhandelbar, aber die Güter und Dienste sind verhandelbar. Wenn auf tausend Märkten die Privaten Millionen von Gütern und Diensten nachragen und anbieten, ergibt sich diese Hierarchie des Nutzens – durch den Kauf der Nachfrager, und durch die Gewinne oder Verluste der Anbieter.
Das klingt rein ökonomisch. Der Charme der Ökonomie, des oft geschmähten Homo oeconomicus aber liegt darin, dass dieser Mensch selbst gar keinen Rechner im Kopf hat. Es gibt Moden, gerade im Weihnachtsangebot – man kauft, was viele kaufen, oder weil es neu ist. Man stellt sich damit selbst dar, man ist mit dabei. Diese – ökonomisch gesehen – leichte Irrationalität dient außer-ökonomischen Zwecken zu.
Oder die Hersteller schlagen augenzwinkernd ein Schnippchen, dem aber die Käufer gerne auf den Leim gehen – mit „Veblen goods“: ein unverkennbares Gut wird absichtlich teuer angeboten, etwa Gucci-Taschen oder eine technisch nicht so leicht replizierbare Uhr. Jedenfalls alles viel teurer, als es die wirklichen Herstellungskosten rechtfertigen würden. Aber gerade der hohe Preis schafft die Exklusivität, nicht nur das Gut selbst.
Oder man mag den sanften Geschenkzwang beklagen, und kauft doch schließlich für seine Liebsten ein! Denn auch hier geht es weit über das Ökonomische hinaus – man beugt sich der Erwartung, man zeigt Wertschätzung – nicht gegenüber den Gütern, sondern den lieben Personen. Die Ökonomie steht doch immer auch im Dienste vieler privater und gesellschaftlicher Werte-Hierarchien.
Dazu gehören auch Symbole der Zugehörigkeit zur einer Gruppe, einem Clan, und das Sich- Ausliefern an entsprechende identitätsstiftende Konformitäten. Mein damals dreizehnjähriger Sohn wollte partout nicht – teure – weiße Sportschuhe annehmen, wenn sie den Klebverschluss hatten. In seiner Klasse trage man Schnürsenkel, erklärte er.
Solche Freiheiten, die Nützlichkeit im Dienste außerökonomischer Werte heranzuziehen, zeugen vom Reichtum, vor der Auswahl, welche die freie Marktökonomie geschaffen hat. Die Freiheit war zu allen früheren Zeiten noch viel eingeschränkter. Als der Wohlstand in der unmittelbaren Nachkriegszeit erst ganz langsam anzuziehen begann, im Lande und in der Familie, kaufte und schenkte man Nützliches der dringenderen Hierarchie-Stufe: für die Mutter eine Strickmaschine, für die Kinder die ersten Skis, für Papa eine Ledermappe zum Kundenbesuch.
Der Nutzen und seine Kurven: Die unsichtbare Faust des Marktes
Also – keine Verbote, keine Gebote, es gibt keine objektiven Werte in Gütern und Diensten. Alle Versuche, objektive Werte – und damit auch Nützlichkeit – festzulegen, scheitern als gesamtgesellschaftlicher Maßstab. Ökonomische Werte sind nur subjektiv und allein zwischen Produzenten und Konsumenten auszuhandeln. Dies erklärt die Figur des Grenznutzens. Der Preis, als Maß des ökonomischen Werts eines Gutes, ergibt sich aus der letzten noch nachgefragten Einheit dieses Gutes. Werden Gas und Oel knapper, zahlen die Käufer für das letzte Fass viel mehr, und der Nutzen für alle Fässer, die noch zu erringen sind, wird sehr groß. Die Kurve des Grenznutzens steigt und dieser bestimmt den Preis für jedes einzelne Fass.
Die Grenzkosten auf der Produzentenseite fahren auf der entgegengesetzten Schiene – wenn die Kosten dank Massenproduktion fallen und die anzubietenden Güter billiger werden, bestimmt das letzte, überreich verfügbare Stück den Preis. Und auf dem Markt treffen sich dann eben die zwei Preiskurven in einem Punkt: zu diesem Preis geht alles über den Ladentisch. Millionen von Tauschakten, ebenso bei Überfluss wie bei Mangellagen, führen Grenzkosten und Grenznutzen zusammen.
Dieser Preis muss nicht gefallen, wie gegenwärtig bei der Energie, aber er ist „markträumend“, er teilt zu. Da darf man Adam Smith verstärken: der Markt ist hin und wieder die unsichtbare Faust. Fragen die nutzenden Haushalte und Firmen drastisch weniger nach, pendelt sich der Preis wieder ein, nämlich dort, wo unterdessen die Energielieferanten wissen, wie sie das Angebot mittel- und langfristig steigern sollen.
Das allwissende Zentralkomitee in Brüssel
Die Weise, in der gegenwärtig Europa und Amerika in die Energiemärkte eingreifen, steigert absurderweise die Nachfrage nach hochgepreisten, knappen Energien und expropriiert die Gewinne der Anbieter, und damit die Signale, wo sie künftig Energie-Angebote machen sollen. Der Staat als Zentralkomitee maßt sich an, genau zu wissen, wo der Schnittpunkt des Grenznutzens und der Grenzkosten liegen muss. Das ist nur ein – hanebüchenes – Beispiel von vielen für Marktverzerrung.
Die EU-Kommission ihrerseits weiß – angeblich – auf Hunderten von Märkten, was dem Konsumenten frommt, was nützlich ist, denn sie greift laufend ein und beeinflusst damit Konditionen, Qualitäten und Preise. Im Moment versucht sie die Finanzmärkte so zu manipulieren, dass sie aus London abwandern – ein rein politische motiviertes Manöver, mit 450 Millionen Europäern als Geiseln.
Wenn’s andern schadet, leidet der Nutzen
Für das Spielenlassen privater Werthierarchien und Nutzenvorstellungen gibt es nur eine Grenze – die eventuell negativen Wirkungen auf Dritte (sogenannte negative Externalitäten). Das wird in der Klimafrage unterstellt und deswegen das CO2 bekämpft. Das soll, wie der Problemname „Externalität“ schon sagt, mit Internalisierung geschehen: durch CO2-Zertifikate alle fossile Energie verteuern, bis die Preiskurve über den Grenznutzen der Haushalte und Firmen steigt. Betroffen sind Heizungen, Produktionen, Flüge, Autos. Alles ohne Verbrauchsvorschriften und Schikanen im Einzelfall.
Dann müssen alle sparen, gerade auch die vielen, nicht nur die Gutbemittelten, aber sie entscheiden, bei welcher fossiler Variante sie sparen, oder ob sie ganz aussteigen. Dann kann der Staat, als Verkäufer der Zertifikate, den Ertrag daraus pro Kopf an die Bevölkerung und Firmen rückerstatten. So bleibt ihnen die Kaufkraft, aber zugleich sind die relativen Preise neue, drastische und ökologisch effiziente Sparsignale. Der Staat seinerseits hat keine Kosten. Auch so sieht man den Unterschied zu den gegenwärtigen Subventionen der Preise, also der Nachfrage, durch den Staat mit neuen Defiziten und Schulden. Aber die Ökologie wurde beim ersten kleinen Schmerz über Bord geworfen, die Vernunft und das Staatsbudget auch.
Wenn also der Staat oder die EU-Kommission in dieser und in allen anderen Fragen nur bei negativen Externalitäten – durch deren Bepreisung – den Nutzen beeinflussen dürfen, so hat alles andere frei zu sein. Niemand hat die kulturell bessere Nase, den höherstehenden Geschmack als seine Mitbürger. Alle, auch Verächter des Luxus haben ihre kleinen Vorlieben. In der Summe werden dann eben die Millionen von Gütern und Diensten nachgefragt und angeboten: Notwendiges und Luxus, von Nippes über Nagelstudios zu Fotobänden über die Färöer-Inseln und Games am PC. Niemand muss müssen. Blödsinn erledigt sich mit der Zeit von selbst. Und all das lassen uns die Weihnachts-Schaufenster bedenken.