„Langfristig ist das Wiederaufbauprogramm ein Verlust für die gesamte EU“

In der ERSTEN FOLGE eines ausführlichen Podcast-Interviews kritisiert der deutsche Ökonom DIRK MEYER das geplante Wiederaufbauprogramm der EU-Kommission:

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Hier eine Zusammenfassung des Gesprächs:

Der deutsche Ökonom Dirk Meyer (Helmut-Schmidt-Universität Hamburg) übt im ersten von drei Podcast-Interviews (via Telefon) scharfe Kritik an dem von der EU-Kommission geplanten, 750 Milliarden Euro schweren Wiederaufbaufonds „Next Generation EU“. Angesichts der Corona-Krise brauche es vor allem rasche Liquiditätshilfen, wie sie von einzelnen Staaten wie  Deutschland auch beschlossen wurden, unterstreicht Meyer. Doch „die Finanzhilfen der EU-Kommission werden extrem lange brauchen, um wirksam zu sein. Die Corona-Krise ist da hoffentlich schon längst vorbei.“

Die geplanten Gelder sollen vor allem an Italien, Frankreich, Spanien, Portugal und an sämtliche osteuropäische Staaten fließen, was auch die hohe Zustimmung dieser EU-Mitgliedsstaaten zu den Hilfen erklären dürfte. Als Verlierer sieht Dirk Meyer hingegen Staaten wie die Niederlande, Deutschland und Österreich. „Langfristig ist das Wiederaufbauprogramm allerdings ein Verlust für die gesamte EU. Wir machen ein Fass auf, das nicht helfen wird.“ Das gelte auch für Italien: „Italien fehlt die strukturelle Wettbewerbsfähigkeit. Das ist schon seit x Jahren der EU bekannt, und Italien wohl noch länger.“ Die hohen, nun zugesagten Geldsummen würden daran nichts ändern. Im Gegenteil: „Unwirtschaftlichkeiten werden begünstigt oder können erhalten werden.“

Staaten mit ausgeglichenem Haushalt würden sich auch nicht unsolidarisch verhalten, wenn sie sich nicht an dem Wiederaufbaufonds beteiligen, sagt Meyer: „Die mediterranen Staaten haben teils ganz offen die Schuldengrenze nicht eingehalten. Warum sollen die soliden Staaten eine Solidarität zeigen für Staaten, die vorher nicht solidarisch waren und das Regelwerk der EU nicht eingehalten haben?“

Ich bin ehrlich gesagt erschrocken darüber, dass alle 27 Mitgliedsstaaten der EU durchaus für diese 750 Milliarden Euro sind, und vor allem auch für die Kredite. Das ist erstaunlich.

Langfristig befürchtet der deutsche Ökonom negative Folgen für die gesamte Union: „Ausnahmeprogramme können schnell zu einer Dauerlösung werden, die Vergangenheit hat es gezeigt.“ Das gelte etwa für die geplanten EU-Steuern, mit denen in der Bevölkerung kaum die Zustimmung zur EU wachsen werde. Für die vorgesehenen Kredithilfen wiederum müsste die EU ihre Verträge ändern, denn ohne Änderung der Eigenmittelverordnung kann die EU nicht 250 Milliarden Euro Kredit aufnehmen. Für diese Änderung braucht es aber Einstimmigkeit. An Großbritannien – wäre es noch Mitglied der EU – würde dieser Plan wohl scheitern, denkt Meyer. „Ich bin ehrlich gesagt erschrocken darüber, dass alle 27 Mitgliedsstaaten der EU durchaus für diese 750 Milliarden Euro sind, und vor allem auch für die Kredite. Das ist erstaunlich. Damit unterstützen alle EU-Mitgliedsstaaten praktisch die Notwendigkeit, dass wir so ein gemeinsam finanziertes und verausgabtes Programm brauchen. Das sehe ich nicht.“

Mit ein Grund für das Durchwinken sämtlicher Rettungsprogramme der EU dürfte auch das Drohpotenzial eines ungeordneten Euro-Austritts eines Euro-Landes sein, siehe Italien. Dirk Meyer schlägt daher Rahmenbedingungen für einen geordneten Austritt aus der europäischen Währungsgemeinschaft vor. Das Euro-System kennt bis heute keine Staatsinsolvenz und keinen Austritt eines Staates. Als „gravierenden Fehler“ bezeichnet Meyer die Griechenland-Rettung im Jahr 2010. „Man hätte Griechenland ganz einfach hinausbeten können.“ Den insolventen griechischen Staat hätte man danach über EU-Hilfen unterstützt. „Das wäre ein Präzedenzfall für alle anderen Länder gewesen, die gesehen, hätten, dass auch das möglich ist.“ Stattdessen hat Griechenland die EU bis heute insgesamt drei Mal (in den Jahren 2010, 2012 und 2015) „an der Nase herumgeführt“.

Im nächsten Podcast-Interview analysiert Dirk Meyer die Mängel der Währungsunion und erläutert, wie der Euro reformiert werden kann.

Prof. Dr. Dirk Meyer lehrt seit 1994 Ordnungsökonomik an der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg. Er war 2010 an zwei Verfassungsklagen gegen die Griechenlandhilfe I und den Europäischen Stabilisierungsmechanismus EFSF beteiligt. Gemeinsam mit seinem Kollegen Thomas Mayer, Gunther Schnabl und Roland Vaubel verfasste er 2018 den Aufruf „Der Euro darf nicht in die Haftungsunion führen“. Als Ergebnis seiner zehnjährigen Beschäftigung mit der Euro-Problematik erschien 2019 Meyers Buch „Europäische Union und Währungsunion in der Dauerkrise. Analysen und Konzepte für einen Neuanfang“ im Springer Verlag. Darin widmet sich Meyer ausführlich zahlreichen in der Tagespolitik meist ausgeblendeten Zusammenhängen und Hintergründen, und liefert ebenso Konzepte einer möglichen Umstrukturierung der Währungsunion.

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