In der ZWEITEN FOLGE des ausführlichen Audio-Gesprächs befasst sich DIRK MEYER mit den Konstruktionsfehlern der Europäischen Währungsunion und einer möglichen Lösung:
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Hier eine Zusammenfassung des Gesprächs:
Eine „Währungsunion ohne Fiskalunion funktioniert nicht bei ökonomischen Asymmetrien“, unterstreicht Dirk Meyer (Helmut-Schmidt-Universität Hamburg) in der zweiten Folge des Podcast-Interviews (via Telefon). Genau solche Asymmetrien bestehen aber innerhalb der Europäischen Währungsunion. Die Eurozone umfasst zurzeit 19 EU-Staaten. Sie sind historisch, mentalitätsmäßig, ökonomisch und rechtlich stark unterschiedlich geprägt. Zwischen einzelnen Staaten besteht ein stärkeres Zusammengehörigkeitsgefühl, etwa zwischen Deutschland und Österreich, oder zwischen Italien, Portugal und Spanien, oder auch zwischen Dänemark und Norwegen. Das führt bis heute permanent zu Problemen.
Der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) enthält eine Nichtbeistands-Klausel und das Verbot der Staatsfinanzierung. „Die mediterranen Staaten haben erfolgreich eine Aufweichung dieser beiden Grundfesten der Wirtschaftsordnung angestrebt“, sagt Meyer. Fiskalische und monetäre Rettungsschirme, die zunächst nicht vorgesehen waren, wurden mittlerweile zur Dauerlösung: „Wir bewegen uns immer mehr in Richtung einer Fiskalunion, die praktisch eine Transferunion ist.“
Eine Aufspaltung in Nord- und Süd-Euro wäre auch heute noch möglich
Angesichts der Probleme mit relativ festen Wechselkursen im Europäischen Währungssystem (EWS) in den 1990er Jahren hätte man vor dem Euro-Abenteuer gewarnt sein können. Ohne Einführung des Euro hätte man sich seither möglicherweise mehr auf das Binnenmarktprojekt konzentrieren und auf ihm aufbauen können, vermutet Dirk Meyer. „Oder man hätte kleinere Währungsräume schaffen können. Das hätte besser funktioniert. Oder warum nicht zwei große Währungsräume?“
Eine Aufspaltung in Nord- und Süd-Euro wäre auch heute noch möglich: „Ich würde das nicht ganz ausschließen. Krisen setzen eine Menge Energien frei.“ Gerade für die mediterranen Länder wäre das historisch naheliegender. „Bei Liquiditätsproblemen könnten sie sich ihr eigenes Geld drucken, was im Euro nicht möglich ist, weil der Euro für jeden einzelnen Mitgliedstaat eine Fremdwährung ist.“ Zurzeit erpressen diese Länder die EU laufend um weitere Zuschüsse, um selber nicht insolvent zu werden „und damit den Euro-Raum nicht nackt dastehen zu lassen, denn das kann sich der Euro-Raum nicht unbedingt leisten.“
Die „elegante“ Lösung: ein Parallelwährungssystem
Als „Königsweg“ aus der Krise sieht Dirk Meyer aber die Einführung von Parallelwährungen. Hierfür sprächen zunächst die wenig erfreulichen Alternativen: Eine Politik des „Weiter so“ würde die Maßnahmen seit der Griechenlandkrise fortsetzen. Für eine Fiskalunion müsste das deutsche Grundgesetz neu geschrieben werden. Die Folge wäre wohl „eine Transferunion, allerdings in rechtlich klar geregelten Bahnen.“ Eine solche Transferunion würde jedoch zu einem „Fass ohne Boden“ mutieren. Schließlich gebe es noch die Option eines Austritts aus dem Euro: „Das wäre im Prinzip möglich, aber nur auf Kosten eines Unfriedens.“
Die „elegante“ Lösung ist aus Dirk Meyers Sicht ein Parallelwährungssystem, das einen Wettbewerb der Währungen bei Erhalt des Euro beinhalten würde. Hierfür müsste man den „Krisenartikel“ 136 AEUV, der mittlerweile auch fiskalische Rettungsschirme zulässt, um drei Zusätze erweitern:
- Generelles Austrittsrecht für einzelne Staaten bei Zurückerhaltung der Währungssouveränität
- Möglichkeit der Wiedereinführung des Euros als Parallelwährung
- Automatische Beendigung der Mitgliedschaft, sollte dauerhaft gegen die Konvergenzkriterien verstoßen werden. „Italien, Portugal, Griechenland würden dann schon lange nicht mehr dem Euro-Raum angehören.“
Die D-Mark könnte sich dann als sehr feste Währung herausstellen, andere Länder wiederum könnten abwerten. „Wir hätten nicht das Problem, dass wir den Euro haben müssen.“ Deshalb könnte man auch auf die Rettungsschirme verzichten.
Der Euro als Gemeinschafts-, und nicht mehr als Einheitswährung böte Vorteile gegenüber der Zeit vor dem Euro: „Importe und Exporte sowie der Kapitalverkehr zwischen den Euro-Staaten könnten weiterhin bei nationaler Vertragswährung über den Euro als Recheneinheit und Zahlungsmittel erfolgen. Der Euro oder die nationale Währung könnten als Vertragswährung frei gewählt werden, die Nea Drachme für griechische Exporte, der Euro/die Neue D-Mark für deutsche Exporte nach Griechenland.“ Es gelte dann zu unterscheiden zwischen Zahlungswährung, Vertragswährung und Währung als Wertaufbewahrungsmittel. „Das wäre flexibler handhabbar.“ Nationale Währungen und Euro würden für unterschiedliche Transaktionen verwendet werden. Die Vorteile einer gemeinsamen Zahlungswährung würden aber bestehen bleiben. Für Weichwährungsländer würde der Euro auch zur „Ankerwährung“, damit sie nicht zu weit aus dem Ruder laufen.