Eine Digitalsteuer will die EU festlegen und von den Mitgliedsländern einkassieren lassen! Pubertierende denken nur an das Eine, Politiker und Brüssel denken immer an neue Steuern. Fürchterliche „Verluste“ werden geltend gemacht, wenn die großen Netzfirmen nicht überall Steuern entrichten, oder weniger als andere bezahlen.
Das mit den geringeren Steuern kann man vorweg vergessen – die Netzfirmen unterstehen den gleichen Steuernormen – bisher – in allen Ländern. Wenn die USA vor Jahren Schlupflöcher einbaute, sodass Firmen noch nicht heimgeführte Gewinne nicht versteuern müssen, dann nutzten Firmen wie Apple & Co. dies. Gerade Apple ist aber keine digitale Firma im eigentlichen Sinne, sondern verkauft viel Hardware. Und wenn nun die EU nach solchen vorderhand ruhenden Gewinnen giert, dann ist dies nur ein neuer Schritt im ökonomischen Catch-as-catch-can mit den USA, diesmal von der EU aus gestartet.
Daher nimmt man sich die anderen Begründungen der EU-Kommission vor. Netzfirmen erzielten Umsätze und Gewinne in Ländern, wo sie „nicht physisch“ angesiedelt seien. Da ist nichts neu daran. Auch ein Autor wie ich kann in anderen Ländern Einkommen erzielen, wird dort aber nicht besteuert, Banken, Versicherungen, Telefongesellschaften ebenfalls nicht für solche transnationale Dienste. Die Steuer auf vermutete Gewinne solcher, neuer Netzfirmen wird also zur Sondersteuer. Im Falle der unterstellten Riesengewinne ist es ganz einfach eine Neid-Sondersteuer. Sondersteuern sind an sich etwas Anrüchiges, Willkürliches und schaffen überdies Abgrenzungsprobleme zu anderen Firmen und Branchen, die wiederum nach der Willkür von Steuerämtern rufen.
In einem ersten Schritt ruft die EU-Kommission die Mitgliedsländer zu einer eigenen, länderweisen Digitalsteuer auf. Diese soll mit 3% Umsätze beschlagen, die aus dem Verkauf von Werberaum stammen, aus Plattform-Diensten für andere Nutzer und aus der Ausbeute von Daten, welche die vielen Nutzer als Spuren hinterlassen.
Das betrifft also Umsätze, doch Umsätze sind noch nicht Gewinne, also eine eher unfaire, „blinde“ Belastung. Außerdem haben alle EU-Staaten teils happige Mehrwertsteuern, die jene Umsätze tatsächlich belangen, die von Firmen auf dem Territorium und von Importwaren gemacht werden. Die drei Prozent neuer Steuern auf digitale Geschäfte setzen in den einzelnen Ländern penible Nachforschungen voraus, und sind wohl im Einzelnen gar nie sicher lokalisierbar. Lokalisierbar sind eben die im Lande gemachten Umsätze von Waren und Diensten, die weitgehend erfasst sind. Amazon und andere Firmen haben überall in Ländern mit bedeutenden Auslieferungen ihre Warenlager errichtet – dort fallen Mehrwertsteuern an, dort werden allfällige Gewinne versteuert, dort versteuern die Beschäftigten ihre Löhne. Deutschland verlangt von Plattformen wie Amazon künftig Mitteilung auch zu den über sie handelnden Firmen. Da geht nun plötzlich der Staat selbst auf Datensammlung aus…
Wenn durch die Auswertung von Geschäften aus Umsätzen, Plattformdiensten und Datenverwertung, also der drei anvisierten Aktivitäten der Netzfirmen, schließlich Reingewinne entstehen, sollen sie an den Sitzstandorten besteuert werden. Irgendwo landen diese Netzfirmen auf dem Boden, auch wenn es mal Amerika, mal Irland, mal Luxemburg, mal die Schweiz, mal Deutschland ist. Der Steuerwettbewerb ist trotz aller gleichmacherischen Hysterie der Europäer etwas Befreiendes – in der Schweiz haben jene Kantone mit aktivem Steuerwettbewerb für Firmen auch meist die tieferen Steuern für geringere natürliche Personeneinkommen. Es profitieren alle, wenn die Politik in Schach gehalten wird.
Schließlich täuschen sich die EU-Finanzgewaltigen auch über die bereits bestehenden Steuerkaskaden: Wenn die Netzfirmen ihre Dienste an Dritte besteuert sehen, werden sie dies überwälzen, und die Dritten haben höhere Kosten, tiefere Gewinne und zahlen genau um diesen Betrag weniger Steuern – in Europas Staaten. Kurz: Das alles ist sehr unüberlegt, schikanös und an der Sache vorbei.
Was Sache ist, legte die junge Expertin Lina M. Kahn 2017 im Yale Law Journal dar. Sie kritisierte bei Amazon das, was dann Google auch in Europa vorgeworfen wurde: Diese Firmen sind Plattformen für die Angebote Dritter, aber sie handeln auch selbst. Damit kennen sie aber erstens alles, was die Dritten tun und lassen, also ihre Konkurrenten, und im Falle Amazons unterbot die Firma zielsicher diese Dritten, bis sie aufgaben; Google seinerseits rückte selbstinteressierte Angebote den anderen voran. Diese Marktdominanz ist das größere Problem: Sie räumt kleinere Konkurrenten weg und schafft Quasi-Monopole. Lina Kahn beschuldigt die Wettbewerbsbehörden, bei solchen starken Marktstellungen sich zufrieden gegeben zu haben, weil die Preise für Konsumenten sänken. Nie aber habe man den Marktstrukturen, der Marktvielfalt Sorge getragen.
Einen anderen, überlegenswerten Aspekt brachte der „Economist“ letztes Jahr auf, wie Lina Khan ihrerseits, wenn sie vorschlägt, Netzfirmen als „public utilities“ zu regeln.: Solche dominanten Netzfirmen nähern sich eigentlich Infrastrukturfirmen an, wie Gas, Elektrizität, Wasserversorgung. Netze haben „positive Externalitäten“ – sie schaffen Nutzen ohne Kosten: Wer sich bei Google einloggt, bekommt die Welt zur Auswahl, trägt für Google aber auch seine Daten dazu bei, ohne Kosten auf beiden Seiten, als externen Nutzen. Deshalb das explosive Wachstum. Deshalb die Tendenz zum Monopol – alle schwenken darauf ein. Der „Economist“ – ein wirtschaftsfreundliches Blatt – regte an, sich gewisse Regulierungen, Pflichten solcher Netzmächte zu überlegen, dafür nicht einfach immer gleich alles zu verbieten (und zu besteuern, würden wir hier sagen).
Vielleicht raffen sich die Europäer doch noch von ihrem Neid gegen Große und von ihren pubertären Steuerphantasien auf und sehen die wirklichen Probleme.