Auch in Ländern, die sich ausdrücklich zur freien Marktwirtschaft bekennen, hat seit längerer Zeit eine echte Regulierungswut um sich gegriffen. Sie scheint Ausdruck einer zunehmenden Marktskepsis zu sein, die in linken und grünen Kreisen besonders populär ist, aber offenbar auch darüber hinaus populärer wird.
Die Begründung für Staatseingriffe ist natürlich meist das Wohl der Konsumenten. In einer Zeit, in der fast alles als machbar und planbar angesehen wird, erscheint dies verständlich. Dass der Markt, der ja nicht ein fassbares Wesen ist, alles zu wissen scheint, kann ein technokratisch ausgebildeter Mensch kaum begreifen. Es steckt aber nichts Übersinnliches dahinter!
Schauen wir uns den Markt in einer Stadt an: Da verkaufen Produzenten und Händler Dinge des täglichen Bedarfs, Lebensmittel, Kleider, Hüte, Schmuck usw. Auf größeren Märkten gibt es eine Markthalle, wo schnell verderbliche Lebensmittel wie Fisch und Fleisch gesondert angeboten werden. Auf dem Markt einer ganzen Volkswirtschaft oder auch dem Weltmarkt bieten Produzenten von Konsumgütern, Halbfabrikaten und Rohstoffen sowie von Dienstleistungen ihre Produkte an. Aber woher wissen die Händler und Produzenten was und wieviel sie anbieten sollen?
Kreative Anpassungsprozesse: Zwei Beispiele aus der Geschichte
Sie erfahren es. Wird ein Produkt nicht gefragt, muss es verändert, der Preis angepasst oder vom Markt genommen und durch ein anderes ersetzt werden. Auch große Unternehmen, mit tausenden von Mitarbeitern, meist als Aktiengesellschaften strukturiert, handeln ebenso. Bekannte schweizerische Beispiele dafür sind etwa die Firma Saurer, die von einem in der Schweiz führenden Hersteller von Lastwagen (vor allem auch für die Armee) und Reisebussen zu einem der weltweit wichtigsten Hersteller von Textilmaschinen wurde, nachdem das Unternehmen zu Beginn der achtziger Jahre den Fahrzeugbau eingestellt hatte.
Ein anderes Beispiel ist die Ostschweizer Textilindustrie mit ihrem Zentrum St. Gallen. St. Galler Stickereien gehörten am Anfang des 20. Jahrhunderts zu den wichtigsten Exportartikeln der Schweiz. Die Stadt war damals sehr reich, so reich, dass sie als reichste Stadt der Welt galt. So verkehrte zu jener Zeit ein Nachtzug von St. Gallen nach Paris, ohne Halt in Zürich! Die Pariser Modeschöpfer wollten nach St. Gallen, und die Stickereiproduzenten nach Paris. Mit dem ersten Weltkrieg begann der Niedergang dieser Industrie. Der Modewandel und die schwierige Wirtschaftslage in den wichtigsten Exportländern führten nach dem Krieg und in den Dreißigerjahren zu einer schweren Krise mit hoher Arbeitslosigkeit. Nach dem Zweiten Weltkrieg erholte sich die Stadt langsam und auch einige Textilfirmen sind heute dank „Hightech-Stickereien“ auf den Haute Couture-Märkten wieder sehr präsent. So trug Michelle Obama bei der Inauguration ihres Gatten im Januar 2008 einen Umhang aus St. Galler Stickerei.
Gemeinwohlfördernde Wirkungen des Eigeninteresses – Schädlich Regulierungen durch Experten
Diese Beispiele zeigen, dass die Volkswirtschaft ein lebendiges, sich ständig wandelndes Gebilde ist. Aber was lenkt die Wirtschaftssubjekte in ihrem Handeln? Wenn wir von staatlichen Vorschriften und Gesetzen absehen, die eigentlich nur den Rahmen bilden und Schranken setzen sollten, handeln die Wirtschaftssubjekte selbständig. Sie müssen selbst dafür sorgen, dass sie leben und sich versorgen können. Ihr Motiv ist also nicht Wohlwollen und die Lust anderen zu helfen. Gelegentlich mag dies eine Rolle spielen, aber aller meistens ist es die Sorge um ihr eigenes Wohl. Der schottische Philosoph und Ökonom Adam Smith hat dies in seinem fundamentalen, 1775 erschienen Werk „Der Wohlstand der Nationen“ untersucht. Dort formulierte er die Quintessenz schon nach wenigen Seiten: „Jeder, der einem anderen irgendeinen Tausch anbietet, schlägt vor: Gib mir, was ich wünsche, und du bekommst, was du benötigst.“… „Nicht vom Wohlwollen des Metzgers, Brauers und Bäckers erwarten wir das, was wir zum Essen brauchen, sondern davon, dass sie ihre eigenen Interessen wahrnehmen.“
Die einzelnen Wirtschaftssubjekte handeln strikt in ihrem eigenen Interesse und tun und produzieren, was sie benötigen oder was sie sich wünschen. So werden in einer Volkswirtschaft jene Güter und Dienstleistungen angeboten, die benötigt und konsumiert werden. Leerläufe, Mängel da und Überproduktion dort werden möglichst vermieden. Das heißt: die Volkswirtschaft organisiert sich selbst.
Aber diese höchst effiziente Organisation wird in einzelnen Bereichen der Volkswirtschaft immer wieder gestört. Im Interesse sogenannt höherer Ziele wie Sicherung der Ernährung, Sorge um die Gesundheit und das Wohlergehen der Bürger greift der Staat ein. Diese Staatseingriffe sind im Laufe der Jahre immer zahlreicher geworden. Der Staat wird dabei auch, je nach Interessenlage, von einigen Wirtschaftsverbänden und natürlich den Gewerkschaften unterstützt. Die Effizienz und der Nutzen dieser vielen Regelungen werden bedauerlicherweise kaum überprüft. Sie werden auch nur selten in Frage gestellt, weder von politischen Parteien noch von Verbänden. Die Regulierung beruht immer auf der Annahme, dass die Regierung, beraten durch sogenannte Experten, „den Durchblick“ hat und besser weiß, was zum Wohle der Volkswirtschaft zu tun ist. Das ist ein fundamentaler Irrtum: In einem komplexen (d.h. grundsätzlich zur Selbstorganisation fähigen) System kommen viel mehr nützliche Informationen und Erfahrungen zusammen, als in einem noch so kompetent besetzten Expertengremium.