So sagt es Hans-Joachim Schellnhuber, Gründer des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung: Mit den Schülerstreiks für das Klima sei eine neue Epoche angebrochen. Es gebe nun zur Verhinderung, dass unser Planet gegen die Wand gefahren werde, einen „Schulterschluss zwischen der Wissenschaft und den Kindern, den Jugendlichen“. Das ist eine erstaunliche Aussage für einen Wissenschaftler. Erstens, weil die Naturwissenschaft nicht die Aufgabe hat, irgendetwas zu verhindern oder zu retten. Das ist, falls nötig, Aufgabe der Politik. Aufgabe der Wissenschaft ist es, Erkenntnisse zu gewinnen und Entscheidungsgrundlagen bereitzustellen. Eine Wissenschaft beziehungsweise eine Wissenschaftsinstitution, die selbst eine politische Agenda vorantreibt, stehen im Verdacht, nichtwissenschaftlichen, insbesondere politischen Interessen zu dienen.
Zweitens suggeriert die Aussage des Potsdamer Klimaforschers, hier würde die Wissenschaft in ihrem Bemühen Unterstützung durch eine neue, von ihr gänzlich unabhängige Kraft erhalten: durch Kinder und Jugendliche. Doch das ist ein Täuschungsmanöver. Die Ansichten und Ängste dieser Kinder und Jugendlichen gründen nicht auf irgendwelchen selbstgewonnenen Einsichten über den Klimawandel und dessen Gefahren. Sie stammen vielmehr von ebendieser im UN-Weltklimarat und den mit ihm vernetzten Forschungsinstituten politisch organisierten Wissenschaft und ihren gesellschaftlichen Multiplikatoren: den Medien, den Kirchen – und natürlich dem Schulunterricht, der den Kindern die Angst vor der Klimakatastrophe von klein auf eintrichtert.
Welchen Mehrwert soll ein „Schulterschluss“ mit dieser selbsterzeugten Bewegung ausgerechnet für die Wissenschaft haben, es sei denn, diese Wissenschaft verstünde sich selbst als Teil einer politischen Bewegung?
Klimapopulismus – die neue Blase
Klimaforscher Schellnhuber erweist sich damit als politischer Agitator und das Ganze als eine sich selbst verstärkende Blase. Wenn, wie in den letzten Wochen geschehen, mehr als 20.000 Wissenschaftler – so viele Klimaspezialisten kann es allerdings gar nicht geben – sich mit dem Aufruf der Schülerin Greta Thunberg und der von ihr initiierten Klimastreik-Bewegung „Fridays For Future“ solidarisieren: Dann ist das nicht nur ein absurder Tanz in einer gigantischen Blase, die immer mehr die öffentliche Meinung ergreift und – durch die Medien rückgekoppelt – sich dauernd selbst verstärkt. Es ist auch eine besonders bedenkliche Form von Populismus.
Es handelt sich um Populismus, weil sich hier Wissenschaftler eine volkstümliche Stimmung zunutze machen und eine von ihnen selbst erzeugte Angst vor der angeblichen Verschwörung einer kapitalistischen Wirtschaftselite, die den Planeten an die Wand fährt. Damit legitimieren sie ihre eigene mit Steuergeldern finanzierte Forschungstätigkeit und sichern so auch ihre Pfründe, sprich: Subventionen aus Steuergeldern.
Verwerflich ist dieser Klimapopulismus, weil er Kinder und Jugendliche instrumentalisiert, die wie die meisten Bürger gar nicht imstande sind, die Zusammenhänge und Wahrscheinlichkeiten auch nur annähernd zu beurteilen. Sie werden von Wissenschaftlern aber dazu benutzt, um die in der Öffentlichkeit immer noch umstrittene und von vielen angezweifelte Behauptung eines weitgehend menschengemachten Klimawandels und einer durch die Politik zu verhindernden Klimakatastrophe einer weiteren öffentlichen Diskussion zu entziehen. Das ist der Wissenschaft unwürdig.
Die Politisierung der Wissenschaft untergräbt ihre Glaubwürdigkeit
Den Klimawandel zu leugnen wäre Unsinn. Er ist eine offensichtliche Tatsache und eine der großen Herausforderungen für die Zukunft. Auch wenn der menschengemachte Anteil daran aus wissenschaftlicher Sicht über jeden Zweifel erhaben scheint, darf nicht vergessen werden, dass sich das Klima im Laufe der Geschichte immer geändert hat. Die Ursachen des Wandels beurteilen und die einzelnen Faktoren gewichten: Das kann der wissenschaftliche Laie nicht. Auch der Schreibende ist dazu nicht in der Lage. Er, wie auch die Politik, hat gar keine andere Möglichkeit, als auf die Wissenschaft zu hören, und er lässt sich von ihr gern belehren. Doch kann, wer der wissenschaftlichen Kompetenz zu einem eigenen Urteil über die Sachfrage ermangelt, hellhörig sein auf Signale möglicher Manipulation und politischer Interessenverflechtungen im Wissenschaftsbetrieb. In diesem Fall wird dies von einer politischen Agentur wie den UN koordiniert und vorangetrieben, die zudem eine wohlbekannte wirtschaftsfeindliche, sprich: antikapitalistische Ideologie auf ihre Fahnen geschrieben hat. An solchen Signalen, die Misstrauen erwecken, fehlt es nicht. Die Klimaforscher wissen das. Dass sich nun ausgerechnet Wissenschaftler der Kinder und Jugendlichen bedienen, um mit ihrer Hilfe eine moralische Schutzmauer gegen Zweifler zu errichten, macht stutzig und kann nur das Vertrauen in sie untergraben.
Die Vermischung von Wissenschaft und Politik ist in der Klimafrage notorisch – und gefährlich. Nun springen sogar Politiker auf den Kinderzug auf und schlagen die schwedische Schülerin gar für den Friedensnobelpreis vor. Das ist lächerlich, genau besehen eigentlich ein Skandal. Die Konsequenz und Gradlinigkeit von Greta Thunberg wirken zwar authentisch. In Wirklichkeit ist die junge Schwedin aber zu bemitleiden, weil sie nicht aufgrund eigener Einsicht, sondern abhängig von Einflüssen und Autoritäten handelt, die für sie intellektuell undurchschaubar sind. Ihr Aufruf zur Panik und zu sofortigem Handeln klingt verantwortungsvoll, ist aber in Tat und Wahrheit das Gegenteil von Verantwortung und Aufgeklärtheit und verdient schon gar nicht einen Nobelpreis. Wer zur Panik aufruft, auf den sollte ein rationaler Mensch nicht hören. Vielmehr sollte er dem in Panik Geratenen helfen, einen kühlen Kopf zu bewahren – vor allem dann, wenn es sich um einen an einer schweren Form von Autismus leidenden Menschen handelt, der, wie die Betreffende selbst erklärt, nur schwarz-weiß zu sehen vermag.
Angstszenarien der Klima-Aktivisten behindern das Denken
In seinem vor kurzem postum erschienenen Buch „Factfulness“ schreibt Greta Thunbergs schwedischer Landsmann Hans Rosling im Zusammenhang mit der Klimafrage: „Wenn ich gesagt bekomme, etwas müsse sofort geschehen, beginne ich zu zögern. Meistens steckt der Versuch dahinter, mich vom Denken abzuhalten.“ Rosling erzählt, wie der Klimaaktivist Al Gore ihm gegenüber einmal bemerkte: „Wir müssen Furcht erzeugen“ – damit die Menschen etwas tun. Rosling weigerte sich daraufhin, ihm für eine TED-Konferenz seine Blasendiagramme des Worst-Case-Szenariums zur Verfügung zu stellen. „Man muss sich immer weiter mit dem Problem befassen, darf aber nie zum Opfer der eigenen frustrierten und alarmierenden Botschaften werden“, erklärte der schwedische Wissenschaftler sein Verhalten. „Man darf einerseits die Augen vor den Worst-Case-Szenarien nicht verschließen, muss aber andererseits auch um die Unsicherheit der Datenlage wissen. Und wer Dampf machen will, muss trotzdem kühlen Kopf behalten, um kluge Entscheidungen treffen zu können und seine Glaubwürdigkeit nicht aufs Spiel zu setzen.“
Wir sehen bei der deutschen Energiewende, was geschieht, wenn der kühle Kopf verlorengeht und politische Demagogie überhandnimmt: Man riskiert, die Wirtschaft eines ganzen Landes zu schädigen, zum Nachteil vor allem der wenig Verdienenden, und zwar, wie vorauszusehen ist, ohne irgendwelche nennenswerte Auswirkung auf das Weltklima. Es gibt effizientere und weniger wohlstandsvernichtende, aber auch unspektakulärere, nämlich marktwirtschaftliche Wege der CO2-Reduktion.
Aber das will man politisch nicht wahrhaben, denn man befindet sich eben in der Blase des Klima-Aktivismus. Die Klimapopulisten sorgen dafür, dass sie nicht platzt – jetzt mit Hilfe der Instrumentalisierung von Kindern und Jugendlichen, die man damit, dass man sie zudem noch in Talkshows umwirbt und hätschelt, vom Erlernen kritischen Denkens abhält. Den besten Rat, den man allen klimastreikenden jungen Menschen geben könnte und der jeder verantwortungsvolle Erwachsene und Erzieher ihnen auch geben sollte, ist: Lasst euch nicht von Klimapopulisten einspannen, sondern geht zur Schule, um zuerst einmal zu lernen, wie man mit Risiken und Wahrscheinlichkeiten umgeht. Dann handelt in eurem Leben aufgrund eigener Urteilskraft, nicht fremdbestimmt!
Dieser Artikel wurde zuerst in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vom 7. April 2019, S. 20, veröffentlicht, danach in der Weltwoche Nr. 15 vom 11. April 2019, S. 34-35