„Technologische Innovation kann eine Form der Teilhabe am göttlichen Schöpfungsakt sein“, erklärte Papst Leo XIV. vor kurzem auf X. (Bild: Kitsanaphong burarat, KI-generiert auf 123RF)
Die kühne Aussage „Technologische Innovation kann eine Form der Teilhabe am göttlichen Schöpfungsakt sein“ stammt nicht von einem CEO aus dem Silicon Valley, sondern vom X-Account von Papst Leo XIV. vom 7. November 2025. Am selben Tag schrieb der Papst weiter: „Die Welt braucht ehrliche und mutige Unternehmer und Kommunikatoren, denen das Gemeinwohl am Herzen liegt.“
Der göttliche Funke der Innovation
Diese Botschaft, adressiert, an die Teilnehmer des Builders AI Forum, geht weit über den Kontext künstlicher Intelligenz hinaus. Sie berührt den Kern des diesjährigen Alfred-Nobel-Gedächtnispreises für Wirtschaftswissenschaften: Innovation als Quelle des menschlichen Fortschritts.
Unternehmer schaffen durch ihre Ideen einen Mehrwert, der weit über ihre Bilanz hinausgeht – sie lösen Probleme, schaffen Arbeitsplätze und fördern den Fortschritt.
Bis etwa 1820 gab es über Jahrtausende kein nachhaltiges Wirtschaftswachstum. Das reale BIP pro Kopf blieb nahezu konstant, Kindersterblichkeit war hoch, Mütter starben im Kindbett, und soziale Mobilität war kaum existent. Wer arm geboren wurde, blieb es meist über Generationen. Erst mit der Industriellen Revolution, beginnend in Großbritannien im späten 18. Jahrhundert, setzte in einigen Ländern anhaltendes Pro-Kopf-Wachstum ein.
Die Daten des Maddison Project zeigen ab 1820 einen klaren ‚Takeoff‘. Seither stieg das BIP pro Kopf im Schnitt um 1,5 bis 2 Prozent pro Jahr – das klingt gering, bedeutet aber eine Verdoppelung des Wohlstands innerhalb eines Erwerbslebens. Dieses stetige Wachstum hat buchstäblich Leben gerettet und Millionen Menschen ein Dasein in Würde ermöglicht.
Mokyr und die Kultur des Wachstums
Joel Mokyr, Träger der einen Hälfte des Nobelpreises, zeigte, dass die industrielle Revolution kein Zufall war. Erst die Verbindung von Wissenschaft, Praxis und Unternehmergeist machte Innovation dauerhaft. Mokyr nannte dies ‚useful knowledge‘ – nützliches Wissen, gespeist aus Wissenschaft („propositional knowledge“) und Technik („prescriptive knowledge“).
Dieses Wissen konnte nur in offenen Gesellschaften entstehen, die Neugier, Toleranz und Veränderungsbereitschaft förderten. Nicht der Staat, sondern die Freiheit schuf den Fortschritt. Mit der Industrialisierung – der „Mutter aller kreativen Zerstörung“ – begann ein selbsttragender Kreislauf aus Wissen, Innovation und Wohlstand. Dieser Kreislauf läuft bis heute und ist der Grund für unseren Lebensstandard.
Aghion, Howitt und die kreative Zerstörung
Die beiden weiteren Nobelpreisträger, Philippe Aghion und Peter Howitt, erklärten mit ihrem schumpeterianischen Wachstumsmodell, warum das Wachstum seit über 200 Jahren so konstant anhält. Trotz Wirtschaftskrisen, Weltkriegen und Ölpreisschocks blieb der langfristige Trend ungebrochen.
In den USA etwa wuchs das reale BIP pro Kopf von 1870 bis 1929 um 1,8 Prozent jährlich und von 1929 bis 2007 um 2,2 Prozent – nahezu deckungsgleich mit den langfristigen Durchschnittswerten. Ihr Modell zeigt: Dauerhaftes Wachstum entsteht durch fortlaufende Innovation, Wettbewerb und den freien Marktein- und -austritt. Schumpeters Begriff der „kreativen Zerstörung“ beschreibt genau diesen Prozess – das Ersetzen des Alten durch das Bessere.
Der gesellschaftliche Wert der Innovation
Die empirische Dynamik moderner Marktwirtschaften verdeutlicht dieses Prinzip. In den USA entstehen oder verschwinden jedes Jahr rund zehn Prozent der Unternehmen. Diese Dynamik ist Ausdruck einer vitalen Ökonomie, die schöpferische Zerstörung zulässt. Aghion und Howitt zeigten zudem: Der gesellschaftliche Nutzen von Innovation übersteigt den privaten Gewinn des Innovators bei weitem.
Unternehmer schaffen durch ihre Ideen einen Mehrwert, der weit über ihre Bilanz hinausgeht – sie lösen Probleme, schaffen Arbeitsplätze und fördern den Fortschritt. Damit kehren sie das Klischee des ‚profitgierigen Unternehmers‘ um: Der Unternehmer ist nicht Gegner, sondern Akteur des Gemeinwohls. Was Schumpeter als ‚kreative Zerstörung‘ beschrieb, ist in Wahrheit der Motor des Gemeinwohls.
Innovation als moralischer Imperativ
Der diesjährige Wirtschaftsnobelpreis bestätigt damit die Einsicht von Papst Leo: Innovation und freie Märkte sind keine Gegensätze zum Gemeinwohl, sondern seine Bedingung. In einer offenen Gesellschaft ermöglichen sie Fortschritt, Würde und Freiheit. Wo diese Freiheit fehlt, verkümmert Innovation – und mit ihr der Wohlstand.
Dann wird auch die Aussage „Diese Wirtschaft tötet“, die Papst Franziskus 2013 im Apostolischen Schreibe „Evangelii Gaudium“ machte, bitter wahr. Denn eine Wirtschaft ohne Freiheit, Wettbewerb und Innovation tötet tatsächlich – sie erstickt Hoffnung, hemmt Entwicklung und lähmt den Menschen. Die freie Marktwirtschaft dagegen gibt ihm Raum, seine schöpferische Berufung zu leben. Sie ist, richtig verstanden, eine Wirtschaft, die Leben rettet.