Deutschlands Bauern treffen mehr als einen wunden Punkt – es geht nicht um Subventionen

Der Kontrast springt regelrecht ins Auge: Während die deutsche Ampel-Regierung und ihr zugeneigte Medien keine Gelegenheit auslassen, die aktuellen Bauernproteste in braunes Fahrwasser zu drücken und ihnen die demokratische Legitimation absprechen, erfahren die Landwirte auf ihren Traktoren viel Zustimmung. Laut Umfragen zwischen 70 und 92 Prozent. Selbst Verkehrsteilnehmer, die Leidtragende der Blockaden sind, zeigen Verständnis. Daumen werden nach oben gereckt und Beifall gespendet für Plakate mit der Aufschrift „Ihr legt unsere Felder still. Wir Eure Straßen.“

Endlich regt sich Widerstand gegen eine Minderheitenpartei, die mit ihren aktuell rund 15 Prozent den Anspruch erhebt, als habe sie 85 Prozent der Bevölkerung im Rücken, um dem Land eine umfassende Transformation aufzuzwingen.

So viel Sympathie für den Agrarstand ist ungewöhnlich. In der öffentlichen Debatte hat sich eher ein anderes Bild festgesetzt: Der Bauer als ewiger Subventionsempfänger, der viel zu viele versklavte Tiere im Stall hat und die Landschaft mit Giftstoffen schändet. Eigentlich ein teurer Klimaschädling. Dass nun die Grünen als  selbsternannte Klimaschutzpartei der Hauptadressat des bäuerlichen Protestes sind, hebt deren Aktionen auf ein gesamtgesellschaftliches Niveau: Endlich regt sich Widerstand gegen eine Minderheitenpartei, die mit ihren aktuell rund 15 Prozent den Anspruch erhebt, als habe sie 85 Prozent der Bevölkerung im Rücken, um  dem Land eine umfassende Transformation aufzuzwingen. So sind die Trecker-Korsos auch ein Aufstand gegen grüne Überheblichkeit und autoritäre Bevormundung aus dem woken Öko-Lager. Von der gendergerechten Sprachverhunzung bis zum Heizungsbevormundungsgesetz mit Weltenretterpathos. Da klatscht die Mehrheit gerne Beifall zu Slogans wie diesem, ohne selbst in Aktion treten und Farbe bekennen zu müssen: „Wir haben Euch satt!“

Allgemeiner Verdruss an der aktuellen Regierung

Deshalb ist Deutschland von einem Gelbwesten-Aufstand, wie ihn die einen nach französischem Vorbild erhoffen und die anderen befürchten, weit entfernt. Zwar unterstützen Gastronomen, Handwerker und das Speditionsgewerbe die Demonstrationen. Aber es gibt keine Gemeinsamkeit mit den Lokführern, die jedes Jahr für noch mehr Geld noch weniger arbeiten wollen und regelmäßig den Bahnbetrieb lahmlegen. Auch hält sich die Sympathie mit Ärzten oder Apothekern in Grenzen, die ihr relativ hohes Einkommen für viel zu gering erachten. Allen gemeinsam ist hingegen ein hohes Maß an Verdruss an dieser Regierung, die alles teurer, komplizierter und unzuverlässiger zu machen scheint. Nie war die Unzufriedenheit mit einer Regierung höher (über 70 Prozent) und fiel das Ansehen eines aktiven Kanzlers (unter 20 Prozent) tiefer. Die grünen Minister Habeck (Wirtschaft) und Baerbock (Außen), die sich schon als Regierungschefs in spe gefühlt hatten, erleben einen regelrechten Absturz aus ihren einstigen Ansehenshöhen.

Auch dies markiert eine Zäsur in der deutschen Politik. Die Nachsicht hat ein Ende. Man erinnert sich plötzlich, dass die Grünen mit Blockaden groß geworden sind. Gegen den Nato-Doppelbeschluss, gegen die Volkszählung, gegen Gentechnik, gegen Atomkraftwerke, gegen Flughäfen und Straßen, oder gegen den Kohleabbau, für den man heute wieder dankbar ist. Es waren die Grünen, die „Gewalt gegen Sachen“ legitimiert und das Demonstrationsrecht überdehnt haben. Von daher klingt es reichlich weinerlich, wenn nun prominente Grüne und Sozialdemokraten gleich die Demokratie in Gefahr sehen, wenn Landwirte in sorgsamer Abstimmung mit der Polizei ein paar Autobahnzufahrten versperren.

Selbst die kurzzeitige Blockade von Habecks Fähre im nordfriesischen Schlüttsiel verlief laut Polizeiangaben gewaltfreier als es von interessierter Seite dargestellt wird. Daraus „Umsturzphantasien“ abzulesen, wie dies Habeck und der grüne Landwirtschaftsminister Özdemir tun, entspringt wohl mehr dem Wunsch als der Wirklichkeit. So lässt sich der berechtigte Unmut der Bauern über die grüne Bevormundungspolitik leichter als rechtsradikal und völkisch diskreditieren. Die Warnungen vor „rechter Unterwanderung“, mit der Innenministerin Faeser (SPD) die Aktionen begleitet, sagen zudem viel aus über deren Haltung: Man hält das Landvolk für etwas unterbelichtet, das sich leicht verführen lässt.

Unternehmerische Bauern als Regulierungsopfer

Das Gegenteil ist der Fall. Bauern in Deutschland und Europa sind Unternehmer, die mehr zu bieten haben als die ihnen nachgesagte Bauernschläue. Sie sind in der Regel ausgebildete Agrarexperten, die sich in digitaler Landmaschinentechnik ebenso auskennen wie sie sich im bürokratischen Vorschriften- und Antragsdschungel zurechtfinden müssen. Sie lassen sich nicht mehr mit etwas Schulterklopfen vertrösten. Sie spüren jeden Tag, wie ihnen neue Umwelt- und Tierwohlauflagen das rentable Arbeiten erschweren, derweil sie die steigenden Kosten am Markt nicht durchsetzen können, weil die Preise von Discount-Konzernen festgesetzt werden.

Hier nun kommen die Subventionen ins Spiel, deren ursprünglich geplante Kürzung das Wutfass der Bauern zum Überlaufen gebracht hat. Es ist richtig, dass der Nährstand gemessen am Bevölkerungsanteil und Bruttoinlandsprodukt von gerade mal einem Prozent (in Österreich etwa drei Prozent) viel Geld aus diversen Töpfen erhält. Von den 57 Milliarden Euro, die Brüssel 2022 an Agrarsubventionen ausgeschüttet hat, gingen 6,3 Milliarden an deutsche Betriebe, die damit nach Spanien (9,5 Milliarden) und Frankreich (6,3 Milliarden) an dritter Stelle stehen. Hinzu kamen etwa zwei Milliarden Euro aus dem Bundeshaushalt. Zum Vergleich: Um neue Chip- oder Batteriefabriken in Deutschland anzusiedeln, werden pro Arbeitsplatz Millionen an Steuergeldern ausgegeben.

Am Gesamtetat des Bundes belaufen sich die Ausgaben für den Agrar- und Ernährungssektor auf nicht einmal zwei Prozent. Dieses Geld sind auch keine Subventionen, sondern Ausgleichszahlungen, damit sich Deutschland selbst mit Nahrungsmitteln versorgen kann – und zwar möglichst umweltschonend und gesund. Nur so können die einheimischen Landwirte gegen ausländische Konkurrenz bestehen, die es mit Auflagen für Umwelt und Tierwohl nicht so ernst nehmen müssen. Von „Wehklagen auf hohem Niveau“, wie etwa die FAZ herablassend spottet, kann schon gar nicht bei den kleinbäuerlichen Betrieben die Rede sein, die regelmäßig durchs Subventionssieb fallen, aber relativ zur Größe hohe Betriebskosten haben.

Protest gegen unfaire Behandlung

Dass ausgerechnet bei ihnen der steuerliche Nachlass bei Diesel gekürzt werden soll, empfinden die Bauern schlicht als unfair. Vor allem im Vergleich zu den wirklichen Großsubventionen: Allein an die 50 Milliarden gibt Deutschland jährlich für Flüchtlinge aus. Fast 40 Milliarden an Bürgergeld, davon die fast Hälfte an Personen ohne deutschen Pass, also eigentlich Nicht-Staatsbürger. Und sind die über 1.000 Milliarden an Sozialausgaben nicht alles Subventionen? Oder die Gelder für den Kultur- und Politikbetrieb? „Milliarden für die Welt, fürs eigene Volk kein Geld“ ist auf Transparenten zu lesen – und das trifft einen weiteren Erregungspunkt.

Noch immer reisen deutsche Politiker wie Großsponsoren durch die Welt. Berlin ist Hauptfinanzier von Organisationen wie der Uno und deren Zweigen. Selbst für eine Biotech-Fabrik in Ruanda muss der deutsche Steuerzahler 500 Millionen Euro aufbringen. Das ist in etwa die Summe, die den Bauern beim Agrardiesel gestrichen wird. 350 Millionen Euro gibt Berlin für den Radwegeausbau im fernen Peru. 200 Millionen für eine dubiose „Demokratieförderung“, mit der in Wahrheit missliebige Meinungen ausgegrenzt und das grüne Klientel versorgt werden soll. So geht es geradezu fort.

Aber gespart werden soll beim eigenen Nährstand, dessen Leistung als Landschaftspfleger schon deutlich über den angeblichen Subventionen zu veranschlagen ist. Man stelle sich nur vor, die Wiesen und Äcker müssten von öffentlich Bediensteten betrieben und vor Versteppung bewahrt werden. Bei 35-Stunden-Woche und Pensionsanspruch käme da an Kosten einiges zusammen. Auch deshalb fördert Österreich lieber seine Alpbauern mit Extrazuschlägen.

Einseitige Kürzungen zulasten der Bauern

Das immerhin haben nun selbst die SPD-Ministerpräsidenten im Saarland, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen begriffen: Dass diese Kürzungen einseitig zulasten der Bauern gehen – und schon deshalb zurückgenommen werden müssten. Denn sie konterkarieren die Bemühungen der Bundesländer, den ländlichen Raum vor weiterer Verödung zu bewahren. Wäre das Landleben so lukrativ, wie Journalisten und Politiker in den grün dominierten Metropolen unterstellen, hätte sich die Zahl der landwirtschaftlichen Betrieben seit den 2000er Jahren nicht auf rund 200 000 halbiert. Wer hier gönnerhaft behauptet, es sei „nicht existenzgefährdend“, ob die Bauern ein paar Tausend Euro mehr oder weniger auf der Habenseite hätten, verkennt schlicht die Nöte einer noch wirklich hart arbeitenden Bevölkerungsschicht.

Derlei Aussagen von „Agrarexperten“, die nun wirklich zu hundert Prozent vom Staat subventioniert werden, sind schlicht ein Affront. Auch dieser Mangel an Respekt und Wertschätzung erklärt die Wut der Bauern. Sie sehen sich nicht als Querdenker, sondern als Klardenker, die warnen: „Gibt es keine Bauern mehr, bleibt Euer Teller leer.“ So weit wird es nicht kommen. Denn die Regale und Kühltruhen in den Supermärkten werden auch von Produzenten bis aus China gefüllt. Denn beim Preis ist es dann doch wieder schnell aus mit der Sympathie für den einheimischen Nährstand.

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